Das Verhältnis zwischen Trainer und Mannschaft scheint zerrüttet. Jetzt sind pikante Details über das Abschlusstraining aufgetaucht.

Zagreb. Ist Handball-Bundestrainer Christian Prokop vor dem Spanien-Spiel (27:31) vom Training geflohen? Wie die „Bild“ berichtet, habe der Coach aus Sachsen-Anhalt die Einheit am Mittwochmorgen wutentbrannt abgebrochen, weil er mit der Leistung einiger Spieler nicht zufrieden gewesen sei.

Der DHB bestätigte zwar, dass eine Einheit wenige Stunden vor der Niederlage gegen die Iberer bei der EM in Kroatien stattgefunden hat. Aber: „Dieses fand in der üblichen Art und Weise statt. Anderen Darstellungen widersprechen wir.“ Zu einem Trainingsabbruch durch Prokop sei es demnach nicht gekommen.

Also viel Wirbel um nichts? DHB-Präsident Andreas Michelmann konnte den Vorfall weder bestätigen noch dementieren. „Ich kann dazu einfach nichts sagen, weil ich nicht dabei war“, sagte der 58-Jährige. Durch die Niederlage gegen Spanien schied Titelverteidiger Deutschland nach nur zwei Siegen in sechs Spielen aus dem Turnier aus.

Spieler stehen nicht hinter Prokop

Das Verhältnis zwischen Trainer Prokop und der Mannschaft gilt unabhängig von der Echtheit des berichteten Zwischenfalls als zerrüttet. Vor allem die Nichtberücksichtigung von Abwehrchef Fin Lemke (25/Melsungen), der dann aber während des Turniers doch eingeflogen wurde, sorgte für Unverständnis unter den Nationalspielern. „Man muss kein Handball-Fachmann sein, um zu sehen, dass es zwischen Trainer und Mannschaft nicht richtig gepasst hat“, sagte Lemkes Vereinstrainer Michael Roth.

Der DHB will aber weiterhin an seinem umstrittenen Coach festhalten und mit Prokop das Projekt Heim-WM 2019 angehen. „Es war klar, dass wir dem Trainer bei dieser EM in Kroatien die Möglichkeit geben mussten, Neues auszuprobieren und Erfahrungen zu sammeln“, sagte Michelmann. „Liefern muss er bei der Heim-WM 2019 und den Olympischen Spielen 2020.“ Auch der in die Kritik geratene DHB-Vize Bob Hanning werde definitiv bleiben.

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Präsident Michelmann setzt in der Analyse des zweitschlechtesten EM-Abschneidens der Historie vielmehr bei der Bewertung des Leistungsgefüges an. Denn die aktuelle DHB-Auswahl hält er in Teilen für überschätzt. „Wir waren 2016 Europameister und Olympia-Dritter, also gefühlt eine der besten Mannschaften der Welt“, sagte der Verbandschef. „Wenn du aber Position für Position durchgehst, gibt es immer drei, vier Mannschaften, die besser sind als wir.“

Prokop werde deswegen Zeit gegeben. „Ich weiß, wie schwierig das ist, mit neuen Ideen bei einer Mannschaft anzukommen, die gefühlt besser ist, als sie besetzt ist.“

Prokop kündigt Konsequenzen an

Auch der Bundestrainer will weitermachen. Einen Rücktritt schließt Prokop, der einen langfristigen Vertrag bis 2022 besitzt, aus. „Darüber mache ich mir überhaupt keine Gedanken, weil auch ich Großes vorhabe“, betonte der 39-Jährige.

Dafür will er künftig keine Kompromisse eingehen – wenn man ihn lässt. „Ich habe eine klare Vorstellung von einer Spielphilosophie. Ich möchte eine Mannschaft sehen, die mit viel Tempo spielt und nicht ausrechenbar ist“, formulierte er den Anspruch. Kritiker Roth entgegnete: „Man kann als Trainer ja ein System im Kopf haben, aber man muss es an die Mannschaft anpassen und nicht seine Vorstellungen mit Gewalt platzieren.“

Frustbier für die Handball-Verlierer

Die DHB-Auswahl wurde Prokops eigenen Ansprüchen nie gerecht. Der entthronte Europameister war nur ein Schatten der Glanztage von Polen, wo sich die Mannschaft vor zwei Jahren als unerschütterliche Einheit präsentiert und mit ihrem frischen und unbekümmerten Auftritt einen neuen Handball-Boom ausgelöst hatte. Nun droht ein Rückfall in alte Zeiten. „Früher haben wir nur mit einer Wildcard an großen Turnieren teilgenommen. Um nicht wieder da hinzukommen, müssen wir Gas geben“, forderte Hanning.

Nach dem desaströsen Auftritt beim 27:31 gegen Spanien, den fast sechs Millionen TV-Zuschauer in der Heimat mitverfolgten, saßen die Spieler am Mittwochabend noch bei einem Frustbier zusammen. „Wir haben darüber gesprochen. Es gab aber keine Beschlüsse oder Entscheidungen“, berichtete Kapitän Uwe Gensheimer und betonte: „Ich glaube nicht, dass wir als Mannschaft jetzt zusammenbrechen.“