Melbourne. Im besten Damenmatch der Australian Open scheitert die Kielerin an ihrer Halbfinalgegnerin Simona Halep

Natürlich sollte man mit dem Wichtigsten anfangen, auch nach diesem denkwürdigen Grand-Slam-Nachmittag in Melbourne. Das Wichtigste also lautete: Angelique Kerber hat ihr Halbfinale bei den Australian Open verloren, 3:6, 6:4 und 7:9 gegen die Weltranglistenerste Simona Halep (26/Rumänien). Ein dritter Grand-Slam-Triumph ist damit vorerst vom Tisch, Halep trifft im Endspiel am Sonnabend auf die Dänin Caroline Wozniacki, die Elise Mertens (Belgien) mit 6:3, 7:6 (7:2) besiegte.

Aber das Wichtigste muss nicht immer das allein Entscheidende sein. Jedenfalls nicht dann, wenn man sich von einer der großen Tennisbühnen so verabschiedet wie Kerber. Die 29-Jährige ging etwas matt in diese Partie, nach 13 Minuten lag sie 0:5 hinten, nur fünf der ersten 25 Punkte gingen an die Kielerin. Es wäre ein Leichtes gewesen, innerlich einen Schlussstrich unter das Kapitel Melbourne zu ziehen. Aber als Kerber nach 2:20 Stunden leicht grimmig zum Netz schritt, um Halep zum Sieg zu gratulieren, war auch sie eine Gewinnerin.

Von Scheitern konnte nicht die Rede sein nach dem besten Spiel dieses Turniers, dem besten Spiel der neuen Saison und einem der besten Spiele der jüngeren Tennisgeschichte. „Ich habe gekämpft, bis es nicht mehr ging“, sagte Kerber nach der unbelohnten irren Aufholjagd, „ich bin natürlich enttäuscht. Aber auch stolz, was ich hier geleistet habe.“

Es war nichts weniger als totales Tennis, dieses Spektakelspiel. Ein Schlagabtausch auf Biegen oder Brechen, oft sogar buchstäblich bis zum Umfallen. Kerber und Halep zeigten Ästhetik und Athletik in einem Fight, der im entscheidenden Akt an Schwergewichtsboxen erinnerte – mit zwei Stars, die sich beharrlich weigerten, das Handtuch zu werfen. „Wenn eine Spielerin alles gibt, dann kannst du als Trainer nicht unzufrieden sein“, befand Kerbers neuer Coach, der Belgier Wim Fissette, „wir werden noch eine Menge Gutes von Angie hören in diesem Jahr.“

Es wird schwer sein, die außergewöhnliche Klasse und Dramatik des Halbfinales zu übertreffen, diese verbissene, zermürbende Auseinandersetzung. Ein Spiel in all seiner Unwägbarkeit, in dem man nie wusste, wohin es im nächsten Moment geht. 6:3 und 3:1 führte Halep, Kerber balancierte über dem Abgrund, schien geschlagen. Doch die Größe dieses Matches entwickelte sich, weil Kerber spät ihre Zweifel und ihre Abgeschlagenheit überwand. Eben noch auf dem Weg ins Aus, nahm sie plötzlich wieder ihr Herz in die Hand. Holte auf, Punkt um Punkt, gewann den zweiten Satz, ging sogar im dritten Durchgang in Führung. Um dann aber wieder Halep vorbeiziehen lassen zu müssen. Das Auf und Ab war faszinierend, mitreißend, entnervend. Erst hatte Halep zwei Matchbälle, aber Kerber wehrte die Siegpunkte für die Rumänin ab. Dann hatte die Deutsche bei 6:5- und 40:15-Führung zwei Matchbälle für den Einzug in ihr viertes Grand-Slam-Finale. Aber nun erhob nervenstark Halep Einspruch. „Ich konnte nicht viel anders machen“, sagte Kerber hinterher, „sie hat es einfach gut gespielt. Ich habe das Match nicht verloren, sie hat es gewonnen.“

Halep ging 7:6 in Front, Kerber glich noch einmal zum 7:7 aus, wehrte bei 7:8-Rückstand den dritten Matchball von Halep ab, doch dann segelte ein Rückhandball von ihr ins Aus. Kerber war geschlagen, aber es war ein Abschied ohne Verbitterung. Sie kann Melbourne erhobenen Hauptes verlassen nach der ersten Niederlage im 15. Spiel der Saison. Es war eine Niederlage, die nicht einen Rückschlag in der Comebackmission Kerbers bedeutete, sondern den Aufwärtstrend weiter bestätigte. Und den Glauben an sich selbst noch einmal befeuerte. Raus mit Applaus, wann hätte es besser gepasst als nach diesem Match.