Hamburg. HSV-Trainer Bernd Hollerbach setzt wohl gegen Leipzig auf den Brasilianer – und andere Aussortierte

Nach 14 Minuten 30 Sekunden sagte Bernd Hollerbach „Danke“, nahm sein Schlüsselbund vom Tisch und verschwand mit schnellem Schritt raus aus dem Presseraum Richtung Geschäftsstellentrakt. Durch die Tür – und weg. Der immer noch neue HSV-Trainer hat zu tun, er ist auf einer Rettungsmission unterwegs. Mit der Presse zu reden, gehört da nicht zu seinen Prioritäten.

„Ich habe nicht viel Zeit“, erklärte Hollerbach also am Donnerstagmittag. Dass die obligatorische Fragerunde vor seiner Premiere am Sonnabend bei RB Leipzig (15.30 Uhr/Sky und Liveticker bei abendblatt.de) nur ein knappes Viertelstündchen währte, hat ihm gefallen. Wenig später stand schließlich schon das zweite Training des Tages an, wieder unter Ausschluss der Öffentlichkeit, wie schon am Vormittag. Verborgen vor den Augen der Fans oder irgendwelcher „Spione“. „Ich habe taktisch ein paar Sachen im Kopf“, sagte er, „ich habe mit meinem Trainerstab einen Plan gemacht.“

Hollerbach drückt Resetknopf: „Alles steht auf null“

Seit der Ex-Profi am Montag seinen ersten Job als Erstliga-Cheftrainer angetreten hat, präsentiert er sich genau so, wie sein Ruf es erwarten ließ. „Arbeit, Engagement, Zerreißen, Einheit“, sind seine oft benutzten Schlagworte. Auch am Donnerstag. Hollerbach – 198 Bundesligaspiele für den HSV, 85 Gelbe Karten – kann das glaubwürdig tun. Genau das war schließlich die Basis seiner Spielerlaufbahn. Das will er der Mannschaft im Abstiegskampf wieder eintrichtern. „Ich glaube, dass man immer eine Chance hat, wenn man als Einheit auftritt“, sagt er also, „das werden wir, und dann sind wir schwer zu schlagen.“

Gleich an seinem zweiten Arbeitstag am Dienstag wurde Hollerbach seinem „Schleiferimage“ gerecht, ließ die HSV-Profis harte Lauf- und Konditionseinheiten bolzen. Und erntete wie zu erwarten Zustimmung aus Teilen der Fanszene: Sollen mal schwitzen, die faulen Millionäre. „Körperliche Fitness ist eine Grundvoraussetzung“, weiß Hollerbach, der als HSV-Profi private Überstunden für seine Fitness geschoben hatte. „Am Dienstag muss man bei mir arbeiten. Es war alles in Ordnung.“

Was machen neue Trainer noch? Sie führen viele Gespräche – nicht mit der Presse, aber mit ihren Spielern. „Alles steht auf null“, wiederholte der Coach. Das bringt neue Chancen auch für schon Aussortierte wie Lewis Holtby, der in den sichtbaren Trainingseinheiten bis Mittwoch einige Male das Stammspielerleibchen trug. „Es gibt beim Vorgängertrainer immer ein paar Sachen, die manchem nicht geschmeckt haben“, sagt Hollerbach, „aber jetzt ist wieder alles offen.“

Auch Walace ist nach der Ankunft des neuen Fußballlehrers wieder eine ernsthafte Option. Während das Verhältnis zu Markus Gisdol völlig zerrüttet war, er unbedingt den Club verlassen wollte und der HSV schon grundsätzlich bereit war, den Olympiasieger aus Brasilien abzugeben, wenn die finanzielle Gegenleistung stimmt, hat es nun ein Umdenken auf beiden Seiten gegeben.

Hollerbach hat erkannt, dass der spielstarke Südamerikaner dem Team helfen könnte. „Ich hatte ein gutes Gespräch mit ihm. Er hat hier nicht so eine gute Zeit gehabt, und seine Frau in Brasilien ist hochschwanger“, berichtet der Trainer von seiner Unterhaltung mit dem 22-Jährigen. „Ich habe keine Vorbehalte, er hat gesagt, dass er sich für den HSV zerreißen will. Er ist ein Spieler, der für den Verein wichtig ist.“

Sicherheit geht vor – der HSV wird defensiver agieren

Dass vielleicht in Walaces Hinterkopf auch noch sein Tor beim überraschenden 3:0-Sieg vor einem Jahr in Leipzig steckt, mag ein zusätzliches Argument für dessen Comeback gegen die Rasenballsportler aus Sachsen sein, gegen die es für den HSV zunächst offenbar um Sicherung des eigenen Tores gehen wird. Wieder eine Aufgabe für Extra-Malocherei: „Wir haben zu viele Gegentore bekommen. Auch daran müssen wir arbeiten.“ Einiges spricht dafür, dass Hollerbach die „Sicherheit-zuerst“-Taktik mit einer Dreierkette lösen wird, die bei gegnerischem Ballbesitz zu einer Fünferkette wird.

Einen weiteren Trainingstag hat er noch, dann erst will er auch entscheiden, wer im Tor steht und wer das Team als Kapitän aufs Feld führt. Besondere Anspannung spürt der Trainer vor seiner Erstliga-Premiere aber nicht: „Ich habe das als Spieler und an der Seitenlinie ein paar Jahre gemacht.“

Kann also losgehen. „Ich bin mit der Woche sehr zufrieden“, zog Bernd Hollerbach sein erstes Fazit. „Ich bin viel angesprochen worden, ich kenne auch viele Leute von früher, die noch hier sind. Es ist ein schönes Gefühl, ich bin dankbar. Aber ich bin mir auch meiner Verantwortung bewusst.“ Also, ab an die Arbeit. Dino retten. Da gilt es, keine Zeit zu verlieren.