Hamburg/Würzburg. Der Wechsel des zweitberühmtesten Würzburgers nach Dirk Nowitzki zum HSV hat auch in Hollerbachs Heimat für Aufsehen gesorgt. Ein Taxigespräch

Otto Knarr hat es als Erster gewusst. „Ich hatte vor ein paar Tagen geträumt, dass der Bernd den Haufen da oben vom HSV übernimmt“, sagt der 70 Jahre alte Taxifahrer am Telefon, während er seinen Fahrgast aussteigen lässt. „Bittschön, 13 Euro macht das“, sagt er zu der Dame, die zufälligerweise aus Hamburg kommt. „Dann grüßen Sie mir den Bernd“, sagt Knarr. „Dem hatte ich nach meinem Traum gleich eine SMS geschrieben. Da wusste der noch gar nichts von seinem Glück.“

Der Traum ist wahr geworden. Knarrs Traum, aber vor allem Hollerbachs Traum. „Der Bernd hat sich das verdient“, sagt der Hollerbach-Kumpel. „Der Bernd lebt den HSV, der atmet den HSV. Für ihn war und ist der HSV ein echter Lebenstraum.“

Knarr und Hollerbach kennen sich seit 30 Jahren. „Der Bursche war in der B-Jugend, als ich ihn das erste Mal auf der Liege hatte“, sagt der Unterfranke, der bei den Würzburger Kickers Masseur, Hausmeister und selbst ernanntes „Mädchen für alles“ war. „Diese Oberschenkel und diese Waden werde ich nie vergessen. Kein Wunder, dass der Bub marschieren konnte wie kein Zweiter.“

Die Geschichte von Hollerbachs Oberschenkeln ist Taxigesprächsthema Nummer eins in diesen Tagen. „In Würzburg wird nur noch über den Bernd und dem sein Wechsel zum HSV gesprochen“, sagt Knarr, grauer Oberlippenbart, hohe Stirn, aber noch immer sehr durchtrainiert für seine 70 Jahre. GroKo? Die SPD-Krise? Von wegen! Am Montag lächelte Hollerbach auf der Titelseite der „Main-Post“, am Dienstag machte die Lokalzeitung eine ganze Themaseite über den Wechsel des „berühmtesten Würzburgers nach Dirk Nowitzki“, wie der extra aus Unterfranken nach Hamburg gereiste Redakteur Frank Kranewitter Hollerbach nannte.

Hollerbach absolvierte seine Metzgerlehre mit der Note 1,0

Hier der eine Sohn der Stadt, der im fernen Dallas wohnt, ein geschätztes Vermögen von 200 Millionen Euro besitzt und einer von Deutschlands erfolgreichsten Sportlern aller Zeiten ist. Dort der andere Sohn der Stadt, der seine Metzgerlehre mit der Abschlussnote 1,0 absolvierte, den Staatspreis als Deutschlands bester Metzgergeselle erhielt und den elterlichen Betrieb mal übernehmen soll. Nowitzki und Hollerbach könnten kaum unterschiedlicher sein – und sind sich doch so ähnlich.

So wird sich in Würzburg gerne die Geschichte erzählt, wie Hollerbach als Kickers-Trainer im Weindorf Randers­acker auf dem Sportplatz hat trainieren lassen, während Nowitzki nebenan in der Turnhalle sein Sommertraining absolvierte. Und als Hollerbachs Spieler fragten, ob sie nach dem Training ein Selfie mit Nowitzki machen dürften, soll Hollerbach nur ungläubig mit dem Kopf geschüttelt haben. „Schaut euch ruhig den Nowitzki an“, soll Hollerbach gesagt haben. „Der hat Urlaub – und was macht er? Arbeiten, arbeiten, arbeiten.“

Hollerbach weiß, wovon er spricht. Arbeiten, arbeiten, arbeiten. Das wurde ihm schon früh in seinem Elternhaus mit auf dem Weg gegeben. „Ich glaube schon, dass ich diesen Geist von daheim mitbekommen habe“, sagte Hollerbach mal der „Main-Post“. „Meine Eltern sind ein großes Vorbild für mich. Sie haben in schwierigeren Zeiten als den jetzigen etwas aufgebaut.“

Die Metzgerei Hollerbach in Rimpar, zehn Kilometer nördlich von Würzburg. Vater Rudi, einst Frankens jüngster Metzgermeister, ist Geschäftsführer, Mutter Anna betreut die Lehrlinge, und Schwester Katja arbeitet als Assistentin. Auch am Dienstag, als Sohnemann Bernd gerade zum ersten Vormittagstraining als HSV-Coach bittet, steht Papa Rudi (76) hinter der Theke.

In 15 Jahren wolle er seinen Vater ablösen, kündigte Hollerbach vor anderthalb Jahren im „Kicker“ an. „Mein Vater ist topfit, und er soll noch ein bisschen was machen. Dann steige ich ein.“ Dass Hollerbach in seiner Zeit als Fußballprofi, Co-Trainer unter Felix Magath und nun als Cheftrainer Millionen verdient hat, ändere nichts an seinem Lebensplan. „Ich bin der einzige Sohn, und schon der Großvater wollte, dass ich einmal das Geschäft übernehme“, sagte er. „Ich finde es wichtig, dass der Betrieb weitergeführt wird.“

Auch nach Hollerbachs Rücktritt als Kickers-Trainer im vergangenen Sommer liefert die Familienmetzgerei noch immer die Bratwürste zu den Heimspielen in die Arena am Dallenberg. Nach einer speziellen Rezeptur wird die Kickers-Stadionwurst hergestellt, sagt Papa Hollerbach. Mehr verrät er nicht.

„Bei den Hollerbachs ging es schon immer um die Wurst“, sagt Knarr, der sich über sein Wortspiel freut. Bei den Kickers arbeitet er schon lange nicht mehr, als sogenannter Edel-Fan ist er aber noch immer bei jedem Heimspiel dabei. „Was der Bernd aus den Kickers gemacht hat, das ist der helle Wahnsinn“, sagt er. „In der Landesliga kamen vor ein paar Jahren 19 zahlende Zuschauer“, erinnert er sich. „Dann kam der Bernd – und die Bude war voll.“

Ein Gemeinschaftserfolg sei das gewesen, betont Hollerbach. Gemeint ist damit Thorsten Fischer, in Würzburg auch gerne der „Kühne der Kickers“ genannt. Fischer ist Aufsichtsratsvorsitzender, Chef des Hauptsponsors, Clubmäzen und graue Eminenz in Personalunion. Die Höhe seines Einsatzes ist geheim, sie soll aber siebenstellig sein.

Dieser Fischer war es, der 2014 den verlorenen Sohn zurück zu den Kickers holte. Das Projekt hieß „3x3“ und hatte zum Ziel, innerhalb von drei Jahren von der Regionalliga in die Dritte Liga aufzusteigen. Doch Fischers und Hollerbachs Plan scheiterte: Statt nach drei Jahren in der Dritten Liga landeten sie nach zwei Jahren in der Zweiten Liga.

Sechsmal 1000 Meter mussten die HSV-Profis laufen

Doch wie sagt Hollerbach so gerne? „Erfolg ist keine Einbahnstraße.“ Das merkte das Erfolgsduo in der vergangenen Saison, als die Kickers von Platz sechs bis zum 17. Rang durchgereicht wurden. Hollerbach übernahm die Verantwortung, trat zurück, blieb aber auch weiterhin ein enger Freund Fischers.

So eng, dass er mit dessen Porsche Cayenne samt Würzburger-Kickers-Aufkleber am Montag erstmals am Volksparkstadion vorfuhr. „Wir haben in Würzburg gemeinsam Außergewöhnliches erreicht“ sagte Hollerbach wenige Stunden später auf seiner Präsentation.

Außergewöhnliches muss er nun mit dem HSV in Angriff nehmen. „Die müssen ihn nur machen lassen“, sagt Taxifahrer Knarr. „Der Bernd ist kein Kraftprotz. Ich habe ihn noch nie mit Medizinbällen gesehen“, sagt der frühere Leichtathlet, „er kommt vor allem über die Athletik. Laufen, laufen, laufen. Das ist sein Geheimrezept.“

Und als ob Hollerbach die Sätze seines Bekannten gehört hat, setzt er dessen Worte im fernen Hamburg direkt in die Tat um. Sechsmal 1000 Meter in jeweils drei Minuten. „Und los“, ruft Hollerbach. Mit verschränkten Armen beobachtet er, wie Runde um Runde gelaufen wird. Gruppe eins: Schipplock, Diekmeier, Hahn und Holtby. Super Tempo, starke Zeit. „Klasse“, ruft Hollerbach. Gruppe sechs: Hunt, Wood, Mavraj, Papadopoulos. Nicht so gutes Tempo, nicht so starke Zeit. Besonders Papadopoulos muss abreißen lassen.

„Es wird bald kein fitteres Team als den HSV in der Bundesliga geben“, ist sich Knarr sicher. „Der Bernd wird den Herren schon Beine machen.“ Im April will er sich selbst davon überzeugen. Dann kommt er nach Hamburg, will Marathon laufen – und Hollerbach treffen.

Jetzt müsse er weiter. „Die Kundschaft ruft“, sagt er. Nur eines noch: „Machen Sie sich keine Sorgen um den HSV. Der Bernd macht das schon …“