Hamburg. Markus Gisdol gibt sich vor dem Abstiegsduell gegen Köln gelassen. Dass es um seinen Job geht, weiß er

Die Routine bleibt unverändert. Markus Gisdol kennt die Situation. Druck. Abstiegskampf. Auch wieder an diesem Sonnabend (18.30 Uhr/Sky und Liveticker bei abendblatt.de), wenn der HSV den 1. FC Köln empfängt. Der 17. gegen den 18. Markus Gisdol bemüht sich dennoch, Ruhe auszustrahlen. Am Freitagnachmittag bestritt die Mannschaft also wie immer ihr Abschlusstraining unter Ausschluss der Öffentlichkeit, danach ging es ins Hotel. Volle Konzentration, das Team noch mal zusammenbringen und vor der Partie zwischen Frühstück und Abfahrt ins Stadion final einstellen. Wie immer, wie es ein Trainer so macht.

„Die Situation ist für uns nicht völlig neu, wir können sie richtig einordnen“, sagte Gisdol. Die besondere Bedeutung der anstehenden Partie aber kann er gar nicht wegdiskutieren. Mit einem Sieg würde der HSV die Kölner um neun Punkte distanzieren und dort das letzte Fünkchen Hoffnung ersticken. Druck war immer, seit er seinen Dienst beim Dino am 25. September 2016 angetreten hat. Über sein persönliches Schicksal, das sagte er schon öfter, mache er „sich keine Gedanken“. Der 48-Jährige ist Teil eines Geschäfts, dessen Mechanismen er mitträgt. Er weiß, dass sein Job in höchster Gefahr ist, wenn er nicht dreifach punktet, gar verliert. „Wir haben in der Rückrunde Heimspiele gegen Teams, gegen die wir Punkte holen können“, sagte Vorstandschef Heribert Bruchhagen und forderte: „Das müssen wir dann aber auch.“

Gisdol ist der sechste HSV-Trainer seit Oktober 2011, die Interimscoaches Rodolfo Cardoso und Peter Knäbel gar nicht mitgerechnet. Er ersetzte Bruno Labbadia, dessen „Endspiel“ eine unglückliche 0:1-Niederlage gegen Bayern München am fünften Spieltag war. „Als Trainer muss man irgendwann lernen, die Dinge nicht persönlich zu nehmen“, sagte Labbadia, der den HSV in der Relegation 2015 gerettet hatte und im Jahr darauf Zehnter wurde. Unterschiedliche Auffassungen über die Transfers im Sommer hatten dennoch zum Bruch mit Vorstandschef Dietmar Beiersdorfer geführt. „Das hat mich Kraft gekostet“, sagte Labbadia dazu, „für mich selbst war die Entscheidung, nicht mehr weiterzumachen, da schon gefallen.“ Nur ein Punkt aus fünf Partien lieferte schließlich auch die sportliche Begründung für den Rauswurf.

Labbadia war nach dem Drei-Spiele-Intermezzo von Knäbel Nachfolger von Josef Zinnbauer, der vom 16. September 2014 bis 22. März 2015 im Amt war. Der Erfolgscoach der zweiten Mannschaft war befördert worden, weil er Statthalter für Thomas Tuchel sein sollte, mit dem der HSV vermeintlich schon Einigung erzielt hatte. Als Tuchel sich für Dortmund entschied, musste Zinnbauer gehen. Nach einem schwachen 0:1 gegen Hertha BSC am 26. Spieltag, dem sechsten Spiel ohne Sieg und dem Sturz auf Relegationsplatz 16, war es so weit. Drei Krisenrunden brauchte der HSV-Vorstand, bis er sich zur Trennung von Zinnbauer durchgerungen hatte und Sportchef Knäbel als Coach einsetzte. „Letztlich sind wir mit unseren Leistungen schuld daran, dass Joe gehen musste“, wusste Dennis Diekmeier – schon damals.

Zinnbauer hatte Mirko Slomka abgelöst, der mit einer Erfolgsquote von nur 18,8 Prozent der erfolgloseste HSV-Coach der letzten Jahre ist. Nur drei von 16 Partien konnte der HSV mit ihm gewinnen. Schon vor der neuen Saison war er nach kritischen Aussagen von Investor Klaus-Michael Kühne praktisch k. o. Das 0:2 bei Hannover 96 am dritten Spieltag war dann sein persönliches Finale. Slomka hatte das schon nach der 0:3-Heimniederlage gegen Paderborn geahnt, vor der 96-Partie änderte er die Mannschaft auf sieben Positionen, brachte auch Torwart Jaroslav Drobny für René Adler. Alles vergebens.

Slomka hatte am 17. Februar 2014 für den zwei Tage zuvor entlassenen Bert van Marwijk übernommen. Der Niederländer war am 25. September 2015 als Nachfolger von Torsten Fink gekommen und entpuppte sich als Reinfall. Eine Wohnung in Hamburg hatte er bis zuletzt nicht, die Wochenenden verbrachte er meist in seiner Heimat. Van Marwijk musste nach einem 2:4 beim Tabellenletzten Braunschweig am 21. Spieltag gehen. „Ihn zu holen war ein Fehler“, gab der damalige Sportchef Oliver Kreuzer im Nachhinein zu.

Anders ausgedrückt: Die Entlassung von Fink nach einem 2:6 bei Borussia Dortmund am 15. September 2013 war ein Fehler. Der HSV, mit Fink im Jahr davor Siebter, hatte den Saisonstart mit nur einem Sieg aus fünf Partien vermurkst und war 15. Zum Verhängnis wurde Fink, der am 17. Oktober 2011 gekommen war, nach der Klatsche beim BVB auch ein Wochenendheimflug zur Familie nach München.
Das jedenfalls kann Gisdol nicht passieren – seine Familie wohnt in Hamburg.