Varazdin. Deutsche Handballer gewinnen bei der EM ihr erstes Hauptrundenspiel gegen Tschechien mit 22:19

Der bärenstarke Silvio Heinevetter brüllte seine Freude heraus, der treffsichere Steffen Fäth nahm mit einem Lächeln die Auszeichnung zum Spieler des Spiels entgegen: Nach dem mühevollen 22:19 (9:10)-Pflichtsieg zum EM-Hauptrundenstart gegen Außenseiter Tschechien vor 3000 Zuschauern in Varazdin machten sich bei den lange Zeit verunsicherten deutschen Handballern Erleichterung und Freude breit.

„Das war ein absoluter Kampf heute. Zum Glück hat es am Ende gereicht. Wir stehen natürlich unter Druck, weil wir jedes Spiel gewinnen müssen. Das Wichtigste ist, dass wir uns reingebissen haben“, sagte der Berliner Fäth, der mit acht Treffern überzeugte. Neben ihm war das überragende Torhüter-Duo Heinevetter/Andreas Wolff ausschlaggebend für den Erfolg.

Die Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) wahrte mit dem Sieg ihre Halbfinalchance. Nächster Gegner der Mannschaft von Bundestrainer Christian Prokop ist am Sonntag (18.15 Uhr/ARD) Olympiasieger Dänemark. Zum Abschluss der Hauptrunde geht es am Mittwoch (20.30 Uhr/ZDF) gegen Vizeeuropameister Spanien. Eine Leistungssteigerung des Titelverteidigers ist aber zwingend erforderlich. „Wir haben noch extrem viel Luft nach oben“, stellte Bob Hanning fest, der Vizepräsident des Deutschen Handballbundes. „Aber die Charakterleistung war eine glatte eins.“ Die Belohnung: „Heute Abend gibt es ungesundes Fleisch und das eine oder andere Bier.“ Der Großteil der Spieler wird darauf wohl verzichten, bleibt doch nur wenig Zeit bis zum Sonntagsspiel gegen die Dänen. Erst danach wird sich zeigen, zu welch großen Schritten die Deutschen bei dieser EM noch in der Lage sind. „Wir müssen viel besser spielen, um gegen Dänemark zu bestehen”, weiß Rechtsaußen Patrick Groetzki. „Wir sind zu nervös und machen immer noch zu viele technische Fehler“, klagte Prokop.

„Wir müssen jetzt liefern“, hatte Hanning nach den Enttäuschungen gegen Slowenien und Mazedonien (beide 25:25) erklärt. Prokop wirbelte sein Team dafür gehörig durcheinander. Heinevetter begann erstmals im Tor, im Rückraum durften Fäth, Paul Drux und Kai Häfner ran. Doch mit Ausnahme Fäths ließ das deutsche Offensivspiel wieder viele Wünsche offen. Fehlwürfe, schlechte Anspiele, viel zu wenig Druck – das Angriffsspiel wirkte uninspiriert und verunsichert. Bestes Beispiel war der wurfgewaltige Julius Kühn. Nach 14 Minuten schickte Prokop ihn aufs Feld, nach zwei Fehlwürfen und einem schwachen Zuspiel musste der Melsunger zurück auf die Bank. Die Folge der schwachen Offensivleistung war nach einer 7:5-Führung (15.) ein 8:10-Rückstand (26.). Einzig der gute Heinevetter und die ordentliche Abwehrleistung hielten die DHB-Auswahl gegen einen Gegner mit begrenzten Möglichkeiten im Spiel. „Man kann Fehler machen. Aber wir müssen mehr investieren, um unsere Fehler auch auszumerzen“, sagte Prokop in seiner ersten Auszeit.

Die mit neun Europameistern gespickten Bad Boys wirkten gehemmt. Dem Spiel des Olympiadritten mangelte es an Selbstvertrauen. „Außer Steffen Fäth kommen wir mit viel zu wenig Schwung. Das ist viel zu leicht für die tschechische Abwehr“, sagte Gensheimer nach enttäuschenden 30 Minuten. Auch nach dem Wechsel bot sich das gleiche Bild. Selbst Gensheimer ließ freistehend beste Möglichkeiten ungenutzt.

Heinevetter hielt das Team mit seinen Paraden im Spiel. Zudem zeigten auch die Tschechen, die in der Vorrunde überraschend Dänemark 28:27 bezwangen, im Angriff große Schwächen. Kreisläufer Patrick Wiencek konnte die Deutschen deshalb nach langer Zeit beim 15:14 (42.) mal wieder in Führung werfen. Doch auch diese brachte keine Sicherheit. Im Angriff wurden reihenweise beste Chancen ausgelassen. Nach dem 16:18 (48.) schickte Prokop Wolff für Heinevetter (zwölf Paraden) ins Tor und schwor sein Team ein: „Wir müssen richtig draufgehen. Wir sind eine deutsche Mannschaft – und besser als die.“

Das zeigte diese erst in der Schlussphase, da Wolff ebenso glänzend hielt wie sein Vorgänger und in den letzten zwölf Minuten nur ein Gegentor zuließ. Steffen Weinhold traf zum 21:18 (58.) und sorgte damit für die Entscheidung. Prokop ballte an der Seitenlinie die Fäuste - aus Freude und Erleichterung.

Die Disziplinarkommission des europäischen Verbandes EHF verurteilte den kroatischen Trainer Lino Cervar zu einer Geldstrafe von 3000 Euro und tadelte das Vergehen als „unangemessen und unsportlich“. Von einer Sperre für den Coach der Gastgeber sah die EHF ab. Cervar hatte im Spiel gegen Weißrussland 30 Sekunden vor dem Ende ins Spielgeschehen eingegriffen, indem er den weißrussischen Rückraumspieler Artur Karwazki vom Spielfeldrand aus am Oberkörper für einen Moment festhielt.