Hamburg. Nach Rang zwei in ihrer Premierensaison haben die Bundesligakämpfer der Hamburg Giants vor dem Start der Saison 2018 den Titel als Ziel

Natürlich wird er in der Jahnhalle am Sievekingdamm sein an diesem Sonnabend, wenn kurz nach 19 Uhr der erste Gong ertönt, der die zweite Saison der Hamburg Giants in der Box-Bundesliga eröffnet. Aber dort, wo ihn alle am liebsten sehen würden, im Ring, darf Peter Kadiru nicht stehen. Weil der Superschwergewichtler unter der Woche mit der deutschen Nationalmannschaft einen Krafttest in Potsdam absolvieren musste und einige ärztliche Untersuchungen ausstanden, hat Bundestrainer Michael Timm dem Jugend-Olympiasieger von 2014 einen Startverzicht nahegelegt. Das zumindest ist die offizielle Begründung.

Tatsächlich vermutet man im Team der „Riesen“ ein kleines Störfeuer des Auftaktgegners Traktor Schwerin. Dazu muss man wissen, dass Kadiru, der in Altona aufwuchs und bei der SV Polizei das Boxen erlernte, seit 2015 am Olympiastützpunkt in Schwerin bei Timm trainiert und den ruhmreichen BC Traktor als neuen Heimatverein angibt. Nur in der Bundesliga startet der Sohn ghanaischer Eltern für seine Heimatstadt, und das als Teamkapitän. Angesichts dieses Interessenkonflikts ist die Lösung, den 20-Jährigen nicht in den Ring zu schicken, vielleicht die beste. Auch der zweite in Schwerin trainierende Giants-Boxer, Nenad Stancic, soll in der 60-Kilogramm-Klasse nicht antreten. Offizielle Begründung hier: eine Virusinfektion aus der vergangenen Woche, die den Sportler noch immer schwäche.

Für Befremden im Hamburger Lager sorgte zwar, dass Kadiru trotz seines Sportverbots am Donnerstag zum Vier-Runden-Sparring mit Schwerins Europameister Viktor Vhykryst (Ukraine), der in Hamburg sein Debüt gibt, antreten musste. „Aber wir wollen keine Ausreden suchen. Ohne zwei Stammkräfte wie Peter und Nenad wird es nicht leichter. Wir haben dennoch in jedem der acht Kämpfe eine Gewinnchance. Jeder einzelne wird schwer, ich sehe aber keine Gewichtsklasse, in der wir von vornherein auf verlorenem Posten stehen“, sagt Teammanager Christian Morales, der mit seinem als General Manager fungierenden Cousin Raiko Morales erneut große Teile des hoch fünfstelligen Etats absichert. Als Ersatz für Kadiru hat er Collin Biesenberger (Lindenberg) verpflichtet. Für Stancic wird, da auch die ungarische Neuerwerbung Roland Galos wegen Verpflichtungen im Nationalteam fehlt, Morad Möllenbeck (Mülheim/Ruhr) antreten.

Peter Kadiru ist klug genug, den Konflikt zwischen Hamburg und Schwerin nicht zusätzlich anzuheizen. „Ich hätte gern geboxt, aber ich akzeptiere die Entscheidung“, sagt der amtierende deutsche Meister. Für ihn sei es weiterhin eine große Ehre, seine Heimatstadt in der Bundesliga anführen zu dürfen. Er werde versuchen, so oft wie möglich für die Riesen anzutreten. Da aber im März die ­U-22-Europameisterschaften in Rumänien anstehen, wo er als Titelverteidiger antritt, dürften die Heimkämpfe gegen den deutschen Vizemeister Hertha BSC und UBV Schwedt (siehe Infokasten) ebenfalls ohne ihn über die Bühne gehen.

Für die Giants ist Kadirus Absenz eine erhebliche Schwächung. In der Form, die ihm im Dezember in Lübeck seinen ersten deutschen Meistertitel im Seniorenbereich einbrachte, hätte der schlagstarke Normalausleger auch dem Europameister Probleme bereiten können. Seine Fortschritte im vergangenen Jahr sieht der Topathlet vor allem im athletischen Bereich. „Ich bin schneller geworden, habe aber auch mehr Übersicht. Wenn ich mir meine Kämpfe von vor drei Jahren anschaue, sehe ich große Veränderungen“, sagt er. „Allerdings weiß ich, dass ich noch härter schlagen und mehr Reife in mein Boxen hineinbringen muss, um im Seniorenbereich Fuß zu fassen.“

Da in diesem Jahr weder EM oder WM anstehen, wolle er über Bundesliga und internationale Turniere wie den Chemiepokal im Juni in Halle (Saale) Erfahrungen sammeln, um 2019 sein großes Ziel, die Qualifikation für die Olympischen Spiele 2020 in Japans Hauptstadt Tokio, zu erreichen. Ein Wechsel ins Profilager – „Gespräche gab es schon, aber noch keine konkreten Angebote“ – wird frühestens nach Tokio ein Thema. „Zunächst will ich in diesem Jahr mit den Giants deutscher Meister werden“, sagt er.

Auch wenn Hertha BSC mit den deutschen Auswahlboxern Abass Baraou, Murat Yildirim und Omar El-Hag erneut das Maß der Dinge in der Nordstaffel sein dürfte, was der 16:8-Kantersieg zum Saisonauftakt am vergangenen Wochenende gegen Schwedt unterstrich: Nach dem zweiten Rang in ihrer Premierensaison streben die Hamburger 2018 nach Höherem. „Wir haben schon im vergangenen Jahr mit zwei Unentschieden gezeigt, dass wir mit den Berlinern mithalten können. Deshalb ist unser Ziel, im Norden Erster zu werden und das Finale zu erreichen“, sagt Cheftrainer Anatoli Hoppe (38).

Drei Neuzugänge verstärken den Kader von Trainer Hoppe

Aushängeschilder seines in allen acht Gewichtsklassen doppelt besetzten Kaders sind neben Kadiru Edison Zani (Klasse bis 64 kg) und Ammar Abbas (bis 91 kg). Die wichtigsten Neuzugänge sind neben Galos der Wolfsburger Dominik Hirsch, der in der 56-Kilo-Klasse den zum deutschen Meister Nordhausen gewechselten Younes Zarraa ersetzt, und der deutsche Studentenmeister Martin Houben (Münster/bis 81 kg). Da außer Zarraa keine Leistungsträger die Giants verließen, glaubt Hoppe, eine noch stärkere Mannschaft als im vergangenen Jahr zu haben. Davon ist auch Kadiru überzeugt: „Der Kader ist besser geworden, dazu kommt, dass uns die Erfahrungen aus unserer ersten Saison helfen werden“, sagt er.

2017 dauerte es bis zum vierten Kampf, ehe der erste Bundesligasieg geschafft war. Das soll in dieser Saison schneller gehen, auch wenn sich niemand von der 11:13-Auftaktpleite Schwerins gegen Hannover blenden lässt. „Schwerin ist immer gefährlich“, sagt Hoppe, „aber wir sind heiß und wollen uns eine gute Ausgangsposition sichern.“ Nicht nur Peter Kadiru wird genau hinschauen, ob das gelingt.