Melbourne. Mitfavoritin Julia Görges verliert bei den Australian Open in Runde zwei. Nur Kerber und Petkovic noch dabei

Es war ein Tag, an dem sich am anderen Ende der Welt Wundersames im Tenniszirkus der Damen tat. Die dänische Weltranglistenzweite Caroline Wozniacki lag in ihrem Match gegen die krasse Außenseiterin Jana Fett (Kroatien/WTA 119) 1:5 und 15:40 im dritten Satz zurück, ehe sie die Australian Open um eine der erstaunlichsten Entfesselungsnummern der jüngeren Geschichte bereicherte – und noch 2:6, 6:3 und 7:5 gewann.

Zudem war da auch noch die 15 Jahre alte Ukrainerin Marta Kostjuk, eine der großen Verheißungen für die Zukunft, die im Hier und Jetzt des ersten Grand-Slam-Turnieres des Jahres mit beachtlicher Coolness und Raffinesse mit 6:3 und 7:5 gegen die Polin Olivia Rogowska in die dritte Melbourne-Runde vorpreschte – als jüngste Spielerin seit Martina Hingis anno 1996. Kostjuk ist die Nummer 521 der weiblichen Tennis-Hackordnung.

Ein kleines Wunder hätte auch Julia Görges an diesem 17. Januar gebraucht, ein Wunder, um ihre unerklärliche Labilität und Fahrigkeit zu überwinden. Seit 15 Spielen und zweieinhalb Monaten war sie ungeschlagen gewesen, hatte drei Turniere hintereinander gewonnen und war sogar zur Mitfavoritin auf den Sieg in Melbourne aufgestiegen. Aber was Görges gegen die unbequeme Französin Alize Cornet in der Margaret-Court-Arena zeigte, war nicht etwa eine Bestätigung ihres beeindruckenden Aufschwungs und der neuen Konstanz. Es war stattdessen das Tennis von gestern, ein Rückfall in alte, schwächere, unruhige Zeiten. 4:6 und 3:6 verlor sie schließlich in 91 eher quälenden Zweitrundenminuten, symptomatisch war die letzte Vorhand der Deutschen, die krachend im Aus landete. „Ich hatte nicht ausreichend Mittel, um heute zu gewinnen. Es war insgesamt nicht genug“, sagte Görges frustriert.

Power mit Präzision – das war so etwas wie das Schlagwort, das Markenzeichen des beeindruckenden Karrieredrehs von Görges. Bis auf Platz zwölf der WTA-Charts hatte es die inzwischen in Regensburg lebende Schleswig-Holsteinerin getragen, allemal verdient als Ausdruck ihrer Stabilitätsoffensive und des Wohlgefühls im Team Görges mit Trainer Michael Geserer und Physiotherapeut Florian Zitzelsberger. Noch zu Jahresbeginn hatte die 29-Jährige einen Traumstart in die Saison in Auckland erlebt und mit dem Pokalcoup die verständlichen Sorgen abgeschüttelt, ob das Tennishoch aus der Saison 2017 anhalten würde.

Görges kam also mit Rückenwind nach Melbourne, sie schien auch auf einer der größten Tennisbühnen zu Höherem berufen – zum ersten Mal in ihrer schon mehr als zehn Jahre währenden Karriere. Aber der erste markante Widerstand bei diesen Australian Open, in Person der versierten Matchspielerin Cornet, war bereits zu viel für die deutsche Nummer eins. Fünfmal hatte sie Cornet in den vergangenen Jahren geschlagen, überall auf der Welt, ob in Bad Gastein, Wuhan oder Stuttgart, aber in dieser zweiten Grand-Slam-Runde wirkte Görges merkwürdig beklommen, oft verkrampft, nie richtig frei in ihrem Spiel. Schlüsselszenen entschied fast ausnahmslos Cornet für sich, nicht immer allerdings aus eigener Kraft.

Es gab zumindest im zweiten Satz Gelegenheiten für die Deutsche, um mit einem Break einen Umschwung herbeizuführen, aber sie verstrichen ungenutzt. Weil Görges die Zielstrebigkeit fehlte. Und weil Cornet mit aller Willenskraft und Leidenschaft ihre Führung verteidigte, mehr Biss zeigte bei den Big Points. „Das waren einfach viel zu viele Fehler bei Julia. Und eine zu unbeständige Vorstellung“, urteilte TV-Experte Boris Becker. Da auch Mona Barthel (Neumünster) mit 3:6, 6:4, 3:6 gegen die Estin Anett Kontaveit ausschied, ruhen und verbleiben nun alle Hoffnungen auf Angelique Kerber und Andrea Petkovic.