Frankfurt/M. Beim Neujahrsempfang in Frankfurt rüffelt DFL-Chef Christian Seifert die Bundesliga-Vereine

Es war zeitweise ziemlich still im Palais Thurn und Taxis in Frankfurt, als Christian Seifert, der Geschäftsführer der Deutschen Fußball Liga (DFL), an seinem Stehpult stand. Es hat beim Neujahrsempfang der DFL schon viele kritische und lobende Worte gegeben, aber selten sind der Bundesliga so die Leviten gelesen worden wie diesmal. Statt „Anstoß 2018“ hätte der Titel auch „Denkanstoß 2018“ lauten können – so kräftig fiel der Rüffel aus.

„Trotz des Sieges beim Confed Cup oder dem EM-Triumph der U 21: 2017 war für den professionellen Fußball in vielerlei Hinsicht ein Jahr der verpassten Chancen“, sagte Seifert. So sei es in den internationalen Wettbewerben versäumt worden, „zu belegen, dass die deutsche Bundesliga eine der stärksten Ligen der Welt ist“.

Ohne Zweifel: Den 48-Jährigen haben das Desaster in der Europa League und die Blamagen in der Champions League getroffen. Wer bei globalen Partnern höhere TV-Erlöse fordert, dem gehen die Argumente aus, wenn deutsche Clubs im Europapokal schlechter abschneiden als österreichische oder zypriotische. „Deutschland ist die größte Volkswirtschaft Europas. Der DFB ist der größte Fußballverband der Welt. Wir sind Weltmeister: Mit diesen Voraussetzungen kann es niemals unser Anspruch sein, sich mit Mittelmaß zufriedenzugeben.“

Als Schlussfolgerung stellte der DFL-Chef mehrere Leitlinien vor. Zum einen müsse sich der deutsche Fußball zur Spitze bekennen, die nicht allein der FC Bayern bilden darf. „Nur wenn wir dauerhaft eine intakte Spitze haben, bestehend aus mehreren Clubs, die europaweit mithalten können, erfüllt die Bundesliga dieses Versprechen.“

Zudem hat die DFL den Eindruck, dass sich so mancher der Traditionsclubs in seiner Komfortzone mit den gestiegenen Fernseheinnahmen eingerichtet hat. „Wer glaubt, den Status quo verwalten zu können, wird mittelfristig scheitern. Und wer internationale Zweitklassigkeit nicht so schlimm findet, wird sich schneller, als manche denken, in der internationalen Bedeutungslosigkeit wiederfinden.“

Thesen einer Generalschelte, die Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff als „knackig und stimmig“ empfand und auch in dem scharfen Tonfall treffend bewertete. Auch Schalkes Manager Christian Heidel pflichtete Seifert bei, dem nicht nur die sportlichen Leistungen, sondern auch „unehrliche Debatten“ missfallen. Speziell sein Intimfeind beim FC St. Pauli, der frühere DFL-Angestellte Andreas Rettig, dürfte sich angesprochen fühlen, als es um die Akzeptanz eines „gewissen Maßes an Kommerz“ ging: „Sich waschen, ohne nass zu werden, ist zwar eine deutsche Spezialdisziplin, sie funktioniert aber nicht einmal mehr im Fußball.“

Einfach nur den DFB und die DFL „für all die schlimmen Dinge“ verantwortlich zu machen und dann auf ein krankes System zu folgern sei doppelzüngig, denn: „Ein System, von dem auch viele gut leben, die es kritisieren.“

Im Umgang mit der 50+1 Regel, die sich ausdrücklich nicht auf die Gemengelage bei Hannover 96 bezog, forderte Seifert eine ehrliche Diskussion. Ein soziales Miteinander inklusive Mitbestimmung schließe sich mit dem Einräumen von Investorenrechten doch nicht aus. Eines könne er garantieren: „Niemand will einen komplett freien Markt, in dem sich Investoren austoben und bedienen. Fußball darf kein Spiel ohne Grenzen sein, und erst recht kein Monopoly.“

Zugleich sei ein anderes Eingeständnis folgerichtig: „Die immer wieder zitierte Schere zwischen Profis und Amateuren – sie wird weiter auseinandergehen.“ Seifert bekannte sich im dritten Punkt zur Verantwortung seiner Institution („die DFL ist kein abstraktes Monstrum in Frankfurt“) und regte zum Abschluss den Mut an, zukunftsweisende Entscheidungen zu treffen: „Ein schlichtes ,Weiter so‘ nach dem Motto ,Keine Experimente‘ taugt nicht.“