Augsburg/Hamburg. Der HSV verliert gegen biedere Augsburger verdient mit 0:1. Nun droht gegen Schlusslicht Köln wieder einmal ein Schicksalsspiel – auch für Trainer Markus Gisdol

Für einen Moment war die HSV-Welt am Morgen nach dem trostlosen 0:1 in Augsburg wieder in Ordnung. „Ich sehe Licht am Ende des Tunnels“, witzelte ein Medienvertreter im Bauch des Volksparkstadions – und zeigte auf den Spielertunnel, durch den man die 600.000 Euro teure Rasen­beleuchtungsanlage durchschimmern sehen­ konnte. Es dauerte allerdings nur wenige Sekunden, ehe der hell erleuchtete Rollrasen vergessen war und Trainer Markus Gisdol über die Schattenseiten seines Jobs befragt wurde. Inwieweit es ihn persönlich treffe, dass nach der erneuten Niederlage nun auch die Trainerfrage im Raum stehe?, fragte eine kesse Journalistin. „Überhaupt nicht“, antwortete Gisdol freundlich. „Das ist Teil des Geschäfts – und in der Bundesliga kommt das ja häufiger mal vor.“

Es geht also wieder los. 26 Tage hatte die Bundesliga pausiert – ehe das Fußballjahr 2018 so anfing, wie das Fußballjahr 2017 aufgehört hatte: mit einer Hamburger Niederlage. „Man kann eigentlich genau das Gleiche schreiben wie im vergangenen Jahr“, sagte der frühere Augsburger André Hahn. „Wir machen schon wieder die gleichen Fehler.“

Hahns Kurzanalyse hatte den buchstäblichen Nagel auf den Kopf getroffen. So konnte sich sein in dieser Saison offensivschwacher HSV auch gegen ideenlose und biedere Augsburger über 90 Minuten keine einzige echte Torchance herausspielen. „Taktische Disziplin allein reicht nicht – im Spiel nach vorne muss auch ein bisschen mehr individuelle Klasse an den Tag gelegt werden“, kritisierte HSV-Chef Heribert Bruchhagen direkt nach dem Spielschluss, ehe er nach einer Nacht des Drüberschlafens via Sky sogar noch etwas deutlicher wurde: „Kaum ein Spieler hat in der Hinrunde das gezeigt, wovon wir ausgegangen sind. Wir müssen auf jeder Position besser werden – vom Zeugwart bis zum Vorstandsvorsitzenden. “

Und natürlich auch auf der Position des Trainers. „Kontinuität, die bei uns im Vordergrund steht, verträgt sich nicht mit der Trainerfrage“, sagte zwar Bruchhagen, der die Nachfrage, ob Gisdol denn sicher bis zum Saisonende Trainer bleibe, unbeantwortet ließ.

Dass der zunehmend kritisierte Coach für alle Eventualitäten gerüstet ist, bewies Gisdol am frühen Sonntagmorgen. Dick eingepackt gesellte sich der Fußballlehrer beim morgendlichen Lauf durch den Volkspark zu seiner Mannschaft, die er bereits zuvor im anderthalbstündigen Videostudium zum Schwitzen gebracht hatte. „Wir kommen einfach nicht in Torgefahr. Statt der mutigen Variante wählen wir immer die sichere Variante“, sagte Gisdol, der aber besondere Maßnahmen aufgrund der sich zunehmend zuspitzenden Situation ablehnte: „Aktionismus betreiben wir nicht.“

Wirklichen Fußball aber leider auch nicht. „Das reicht einfach nicht“, sprach HSV-Chef Bruchhagen nach dem 0:1 deutlich aus, was Trainer Gisdol („Wir haben ein ausgeglichenes Spiel gesehen“), Sportchef Jens Todt („Kämpferisch war das eine ordentliche Leistung“) und ein Großteil der Spieler (Salihovic: „Wir haben ein ordentliches Spiel gemacht“) zuvor nur durch den Feinwaschgang formulieren wollten.

Dabei ist die Lage des HSV nach dem missglückten Rückrundenauftakt kaum zu beschönigen: Vorletzter, insgesamt gerade mal 15 Tore geschossen und mittlerweile seit fünf Partien ohne Sieg. In Augsburg wurde vor allem mehr als deutlich, wie sehr die Hamburger Mannschaft ins Straucheln gerät, wenn Leistungs­träger ausfallen: Weil Stürmer Fiete Arp mit einer Erkältung flachlag und frühestens nach seiner Deutsch-Abiturprüfung (Thema Gedichte) Mitte der Woche zurückerwartet wird, musste der weiterhin formschwache Bobby Wood einspringen. Und für den am Knöchel verletzten Aaron Hunt, der voraussichtlich auch gegen Schlusslicht Köln ausfällt, setzte Gisdol auf Salihovic als verkappten Zehner. Um es kurz zu machen: Weder der eine noch der andere konnte die harmlose HSV-Offensive beleben. „Die Leistung ist nicht ausreichend, da muss mehr kommen“, sagte Bruchhagen.

Ähnliches hatte Gisdol die gesamte Vorrunde über auch vom im Sommer für 3,5 Millionen Euro verpflichteten Torhüter Julian Pollersbeck gefordert. Weil aber Stammkeeper Christian Mathenia immer wieder patzte, entschied sich das Trainerteam nun im zweiten Anlauf doch für Pollersbeck. „Julian hat seine Sache gut gemacht. Er hatte eine gute Körpersprache“, lobte Gisdol, der seinen Bundesligadebütanten auch von jeder Schuld beim überflüssigen 0:1-Gegentor durch Ja-Cheol Koo (45.) kurz vor dem Seitenwechsel freisprach. U-21-Europameister Pollersbeck konnte sich allerdings nur bedingt über sein Debüt und das Gisdol-Lob freuen: „Es ist schön, das erste Mal in der Bundesliga gespielt zu haben. Aber es ist natürlich nicht so toll, weil wir nicht gewonnen haben.“

Genau das, und da waren sich dann alle Protagonisten einig, soll nun im „Schicksalsspiel“ gegen den wiedererstarkten 1. FC Köln (siehe Seite 22) nachgeholt werden. Die Partie sei „ganz, ganz wichtig“, sagte Bruchhagen, dem Salihovic direkt beipflichtete: „Die drei Punkte müssen wir holen.“

Der Letzte macht ja bekanntlich das Licht aus. Doch sollten den wohlmeinenden Ankündigungen auch gegen Schlusslicht Köln keine Taten (und Punkte) folgen, könnte es schon sehr bald sehr dunkel um den HSV werden. „Das Wasser steht uns bis zum Hals“, sagte Bruchhagen am Sonntag.

Das Ende des Tunnels, Pardon: der Fahnenstange, scheint erreicht.

Wie erwartet hat der frühere Vorstandsvorsitzende Bernd Hoffmann am Sonnabend seine offizielle Kandidatur als Präsident des e.V. eingereicht. Am Dienstag will der Beirat Hoffmanns Präsidententeam bekannt geben.