Hamburg. Vorm Start der Australian Open spricht Tennisprofi Carina Witthöft über mentale Stärke und ihren Reifeprozess

Auf Rang 48 wurde Carina Witthöft ausgewiesen, als am vergangenen Montag die aktuelle Weltrangliste der Damen-Tennisorganisation WTA veröffentlicht wurde. Besser war die 22 Jahre alte Hamburgerin nie platziert, deshalb kann sie als viertbeste Deutsche hinter Julia Görges (Bad Oldesloe/12.), Angelique Kerber (Kiel/22.) und Tatjana Maria (Bad Saulgau/46.) mit großem Selbstbewusstsein zu den Australian Open antreten. Das erste der vier Grand-Slam-Turniere startet am Montag in Melbourne, Witthöft hat mit der Weltranglistenachten Caroline Garcia aus Frankreich ein hartes Auftaktlos gezogen. Dennoch will sie ihr Ziel, erstmals bei einem Majorturnier die zweite Woche zu erreichen, natürlich nicht kampflos aufgeben.

Frau Witthöft, aus Australien wurden in dieser Woche Hitze­rekorde vermeldet. In Sydney, wo Sie am Vorbereitungsturnier für die Australian Open teilnahmen, waren es auf dem Platz zeitweise mehr als 50 Grad. Wie hält man es aus, dabei auch noch Sport zu treiben?

Carina Witthöft: Ach, eigentlich war es nur einen Tag lang so richtig heiß. Und dann wurden die Spiele auch unterbrochen, um die Spieler zu schützen. Seit einigen Tagen bin ich jetzt in Melbourne. Hier sind es nur rund 30 Grad, das ist gut auszuhalten. Ich bin aber froh, dass ich in der Vorbereitung im Fitness- und Athletikbereich gut gearbeitet habe. Das ist die Grundvoraussetzung dafür, auch in der Hitze seine beste Leistung bringen zu können.

Die ersten Turniere dieses Jahres liefen sportlich enttäuschend für Sie, in Brisbane und Sydney war jeweils schon in Runde eins Endstation. Hat Sie das verunsichert, nachdem Sie die Saison 2017 mit Ihrem ersten WTA-Turniersieg in Luxemburg abgeschlossen hatten?

Nein, gar nicht. Das waren sehr stark besetzte Turniere, bei denen ich nicht damit rechnen durfte, unbedingt weit zu kommen. Natürlich bin ich mit dem Abschneiden nicht rundum glücklich. Aber ich kann sagen, dass ich mich sehr gut fühle und mich sehr auf die Australian Open freue.

Es heißt, Melbourne sei Ihr Lieblingsturnier. Warum ist das so?

Weil es eine ganz besondere Atmosphäre hat. Die Stimmung ist unglaublich, die Menschen sind total relaxed, und das überträgt sich auch auf uns Spielerinnen. Ich muss allerdings zugeben, dass das Turnier in Wimbledon in meiner persönlichen Rangliste nur ganz knapp hinter Melbourne steht.

Dennoch sollte das Lieblingsturnier der perfekte Ort sein, um zum ersten Mal die zweite Woche eines Majorturniers zu erreichen.

Das stimmt. Aber ob mir das in diesem Jahr gelingt, kann ich nicht versprechen. Caroline Garcia ist eine sehr starke Gegnerin zum Auftakt, da werde ich alles aus mir herausholen müssen, um zu gewinnen. Dennoch ist das Erreichen der zweiten Woche bei einem Grand Slam eines der Ziele, die ich mir gesteckt habe für diese Saison.

Bundestrainerin Barbara Rittner hält Sie weiterhin für eine Spielerin mit Top-20-Potenzial und traut Ihnen diesen Durchbruch in diesem Jahr zu. Haben Sie sich die Top 20 als Ziel gesteckt? Und was fehlt Ihnen noch, um es auch zu erreichen?

Ich trage meine persönlichen Ziele ungern nach außen. Grundsätzlich bin ich aber nicht in erster Linie ranglistenorientiert. Es mag ein abgedroschener Spruch sein, aber wem es gelingt, seine Leistung konstant auf hohem Level abzurufen, der spielt die nötigen Ergebnisse auch ein. Nicht von selbst natürlich, da steckt viel Arbeit hinter. Aber Konstanz ist das Wort, das am besten beschreibt, was mir noch fehlt.

Konstanz ist ja im Leistungssport oft das Problem. Dass nicht jeder Sportler an jedem Tag 100 Prozent abrufen kann, ist klar. Wie schafft man es aber erstens, seine Topleistung zu bringen, wenn es drauf ankommt, und zweitens, Wege zu finden, auch mal mit weniger als 100 Prozent zu gewinnen?

Tatsächlich ist Konstanz ein riesiges Thema. Hätte ich das ganze Jahr 2017 so gespielt wie zum Abschluss in Luxemburg, dann stünde ich jetzt in den Top Ten. Aber das gilt wohl für die meisten Spielerinnen auf Weltklasseniveau. Bei mir ist es vor allem eine Kopfsache. Ich muss mental in Bestform sein, um auch auf dem Platz mein bestes Spiel abrufen zu können. Mein Fitnesslevel zu halten, ist weniger ein Problem. Oftmals sind es nur Kleinigkeiten, die entscheiden, und daran arbeite ich.

Wie? Ihre Mutter galt stets als Ihre Mentaltrainerin.

Das ist sie auch weiterhin, ich vertraue ihr und arbeite in diesem Bereich dauerhaft mit ihr. Wie genau, das ist geheim.

Ihre Mutter ist in Melbourne nicht dabei, Sie sind nur mit Ihrem neuen Team um Cheftrainer Bijan Wardjawand unterwegs. Hat er auch Einfluss auf das Mentale?

Bijan und ich müssen uns erst noch weiter kennenlernen, er hat in der Vorbereitung andere Prioritäten gesetzt. Wir haben sehr viel an meiner Fitness gearbeitet, aber auch meine Aggressivität und die Variabilität geschult. Ein ganz wichtiger Punkt ist, dass ich mit Jonas Lütjen einen festen Hitting Partner habe, der sich auf mich konzentriert. Das wird mich auch weiterbringen.

Für den Kopf, heißt es, können Turniersiege entscheidende Wirkung haben. Was hat Ihr erster WTA-Titel, den Sie zum Saisonausklang 2017 in Luxemburg gewannen, bei Ihnen ausgelöst?

Natürlich ist der erste große Titel ein riesiger Schritt. Er hat mir eine Menge Selbstvertrauen gebracht, gleichzeitig war er aber auch ein Ansporn, jetzt erst recht dranzubleiben, damit es nicht der letzte Titel bleibt.

Spüren Sie gewachsenen Respekt unter den Kontrahentinnen?

Das ist schwer einzuschätzen, denn direkt nach Luxemburg war ja erst einmal Pause, und bei den beiden ersten Turnieren in diesem Jahr habe ich nicht wirklich respekteinflößend gespielt. Aber ich kenne das von mir, dass ich Spielerinnen, die einen Titel holen, automatisch mehr Respekt zolle, weil ich weiß, was man leisten muss, um ein Turnier zu gewinnen. Ich denke, das wird anderen mit mir ähnlich gehen. Aber gespürt habe ich es noch nicht.

Es hieß in den vergangenen Monaten immer wieder, Sie seien reifer geworden, würden sich mehr auf Ihren Beruf konzentrieren. Woran machen Sie fest, dass dieser Eindruck stimmt?

Ich glaube, es ist ein dauerhafter Prozess, dass man mit jedem Turnier und mit jedem Jahr auf der WTA-Tour reifer wird. Die Erfahrungen, die ich sammle, geben mir Sicherheit. Bei mir ist es so, dass mein Spiel mit Selbstsicherheit steht oder fällt. Auch wenn man sich in seinen Fähigkeiten nicht verändert, hat man nach einer Siegesserie natürlich eine ganz andere Präsenz als nach acht Erstrundenniederlagen. Dieser Reifeprozess ist ein stetiger Prozess, und ich denke, dass es das ist, was Außenstehende an mir festgestellt haben.

Was eine Siegesserie auslösen kann, sieht man aktuell wieder an Angelique Kerber, die in diesem Jahr in acht Einzelmatches noch unbesiegt ist und an diesem Sonnabend in Sydney im Finale steht. Was trauen Sie Kerber nach dem enttäuschenden Jahr 2017 zu?

Ich konnte mich in Sydney kurz mit ihr unterhalten und muss sagen, dass sie nicht nur auf dem Platz einen enorm gefestigten und starken Eindruck macht. Sie gehört in Melbourne sicherlich zu denen, die den Titel holen können. Aber auch Simona Halep, Garbine Muguruza oder Karolina Pliskova muss man nennen. Eine Topfavoritin gibt es nicht.

Julia Görges hat in den vergangenen Monaten ebenfalls einen enormen Schritt gemacht, ist als Weltranglistenzwölfte jetzt die beste Deutsche. Erstaunt es Sie, dass seit Jahren immer mindestens eine deutsche Spielerin über sich hinauswächst? Und wie wichtig ist das als Ansporn für die anderen deutschen Spielerinnen?

Jules Erfolg zeigt, wie hoch die Leistungsdichte bei uns ist. Ich freue mich sehr für sie und glaube, dass es für sie noch weiter nach oben gehen kann. Und natürlich ist ihr Weg auch eine Motivation für uns anderen, weil es wieder einmal zeigt, dass man belohnt wird, wenn man an sich glaubt und an sich arbeitet.

Nun haben Görges und Kerber beide ihren Einsatz im Fedcup-Erstrundenmatch in Weißrussland am 10./11. Februar abgesagt. Ginge es nach der Rangliste, wären Sie die neue Frontfrau. Bereit?

Wir werden in Melbourne Gespräche mit Barbara Rittner und dem neuen Fedcup-Teamchef Jens Gerlach führen. Bevor das nicht geschehen ist und wir über die Nominierung nichts wissen, möchte ich mich zu dem Thema nicht weiter äußern.

Spielen würden Sie aber?

Wenn ich nominiert werde, dann werde ich auch spielen. Für mich wäre das eine Herzensangelegenheit.