Hamburg. Die Rollstuhl-Basketballer des Hamburger SV leben in Wohnungen auf dem Gelände des BG Klinikums. Besuch in einer besonderen WG.

Asael ist noch nicht da. Die anderen schon, warten in der Wohnung von Alireza Ahmadi. Was ist da los? Durchgesumpft? Ne, das wohl nicht. Wir sind ja bei Leistungssportlern. Mannschaftskapitän Kai Möller greift schließlich zum Handy: „Wo bist du?“ Verpennt. Fünf Minuten später schlurft der Israeli Asael Shabo in Wohnung drei. Großes Hallo – da ist noch was fällig in der Rollstuhlbasketball-WG. Wie gut, dass hier alle so nah beieinanderwohnen. „Das ist in Deutschland einmalig“, sagt Möller, „hier haben wir alles, was wir brauchen.“

In zwei von Mercedes-Benz gestellten Kleinbussen geht es am Nachmittag zum Training in den Inselpark. Vorbereitung auf das wichtige Heimspiel an diesem Sonnabend (16 Uhr) gegen den Tabellennachbarn BSC Rollers Zwickau, der wie der HSV zehn Punkte hat, aber Platz vier belegt. Play-off-Platz, da wollen auch die Hamburger hin. „Wir müssen konstanter spielen, weniger Fehler machen“, sagt Nationalmannschaftskapitänin Mareike Miller. Das klingt wie bei den Vereinskollegen vom Fußball.

BG Klinikum sieht sich als Partner des Teams

Auf dem Gelände des BG Klinikums Boberg ist praktisch die gesamte Bundesligamannschaft der BG Baskets im HSV untergebracht. Sieben Spieler haben in Haus G eigene Wohnungen, ein Schlafzimmer, Wohnzimmer, Küche, Bad. Zweckmäßig eingerichtet, kein Luxus, aber alles da. Und natürlich barrierefrei. „Ich finde das gut, wir fühlen uns sehr wohl“, sagt der Iraner Alireza Ahmadi, der sich Appartement 3 mit seiner Frau Jila Davoudi teilt. Aber gehen sich die Spieler nicht auf die Nerven, wenn sie ständig aufeinanderhocken? „Nein, das geht schon“, sagt Ahmadi, „jeder hat ja auch die Möglichkeit, sich zurückzuziehen.“ Möller ergänzt: „Alle Wohnungen sind abschließbar“ – und lacht.

Die Möglichkeit, in der Freizeit zusammen abzuhängen, Playstation, Fernsehen, auch mal rauszugehen, ist trotzdem da und gut. Schließlich sind die meisten Profis nur relativ kurzfristig im Team und der Stadt. Oft haben sie nur Einjahresverträge, der US-Amerikaner Evan Thorn ist sogar schon Ende 2017 vertragsgemäß wieder in seine Heimat zurückgekehrt. Nur Möller, Anne Patz­wald und der noch verletzte Karlis Podnieks gehören nach dem Umbruch im Sommer wie in der vergangenen Saison zur Mannschaft. „Ich fühle mich hier inzwischen wirklich wie zu Hause“, sagt Forward Möller (26), der aus Schleswig stammt.

Die Unterkunft, die Verpflegung in der Kantine, Nutzung der Sporttherapie, Schwimmen und Sauna, einmal in der Woche Physiotherapie – alles ist auf dem BG Gelände möglich. Für all das kommt das Klinikum auf. „Wir sehen uns nicht als Sponsor, sondern als medizinischer Partner des Teams“, betont Hubert Erhard, der Vorsitzende der Geschäftsführung des Klinikums. Er hatte die enge Zusammenarbeit mit dem HSV-Team nach dem Paralympics-Gold der deutschen Frauen 2012 in die Wege geleitet.

Leistungssportler als Vorbild für Patienten

„Unser Gedanke war, die Leistungssportler als Vorbilder für unsere Patienten zu etablieren.“ Das scheint auch zu funktionieren. Beim Krafttraining arbeiten die Sportler neben ganz normalen Reha-Patienten, „da kommt man ins Gespräch“, sagt Möller. Anne Patzwald arbeitet am Vormittag als Ergotherapeutin mit Verunfallten. „Natürlich fallen viele Patienten nach einem schweren Unfall in ein psychisches Loch“, weiß Therapiedirektor Rolf Keppeler, „da ist es gut für sie zu sehen, welche Freude und Kraft die Sportler ausstrahlen.“

Die Klinik will genau deshalb die Zusammenarbeit mit dem HSV auch in den kommenden Jahren fortsetzen. Die finanziellen Sponsorenleistungen werden geringer ausfallen, dafür sollen die Klinikressourcen noch stärker eingesetzt und die Spieler direkt in die Patientenbetreuung eingebunden werden. Denn die Hamburger Klinik ist von ihrer Muttergesellschaft aufgefordert zu sparen.

Bislang hat das BG Klinikum den größten Teil des Etats von etwa 300.000 Euro getragen. Das ist bald vorbei. Etwa 50.000 Euro gibt der HSV für sein „Topteam“ jährlich aus. Um eine konkurrenzfähige Mannschaft zu erhalten, müssen also recht bald neue Partner gefunden werden. „Wir suchen intensiv und werden auch auf die Sponsoren der WM zugehen“, sagt Kumar Tschana, der Leiter Amateursport beim HSV, „spätestens im März müssen wir wissen, wie und auf welchem Niveau es weitergehen wird.“

Daran, dass es weitergeht, lässt Tschana aber keinen Zweifel. Gespräche mit Trainer Holger Glinicki und den Spielern sind bald notwendig. Die WM im August in Hamburg ist ein Leuchtturmprojekt, das ebenso Aufmerksamkeit für Rollstuhlbasketball schaffen kann wie das Filmprojekt „Vierzehneinhalb“ von Regisseur Guido Weihermüller, der das Team regelmäßig mit Filmclips im Internet (www.vierzehneinhab.de) begleitet.

Für eine erfolgreiche Sponsorensuche dürfte aber auch sportlicher Erfolg helfen. Also die Play-off-Teilnahme. „Die Liga ist nach den beiden absoluten Topteams Wetzlar und Thüringen sehr stark und ziemlich ausgeglichen“, weiß Mareike Miller, „die Spiele gegen Zwickau und dann in Köln sind deshalb extrem wichtig.“ Für das Projekt BG Baskets ebenso wie für die Stimmung in der Spieler-WG am Boberg.