Hamburg. Marc Evermann, Präsident des Handball Sport Vereins Hamburg, über die Perspektiven vor dem Rückrundenstart am Sonnabend in Springe.

Den Abend des 9. Februar hat sich Marc Evermann in seinem elektronischen Kalender ganz für Handball reserviert. Der HSV Hamburg (24:4 Punkte) tritt dann beim derzeitigen Tabellenzweiten TSV Altenholz (22:6) zum möglicherweise entscheidenden Spiel um den Aufstieg in die Zweite Bundesliga an. „In den nächsten viereinhalb Wochen können wir hoffentlich alles klarmachen“, sagt der Vereinspräsident. Die Rückrunde der 3. Liga Nord beginnt für den Tabellenführer am Sonnabend im niedersächsischen Springe. Die dortigen Handballfreunde, mit 21:7 Punkten Tabellendritter, sind der zweite große Rivale, der die sportliche Entwicklung der Hamburger um ein weiteres Jahr verzögern könnte.

„Wir müssen weder aus sportlichen noch aus wirtschaftlichen Gründen jetzt aufsteigen, wir sollten die herrschende Euphorie bei unseren Fans und Sponsoren aber auch nicht überstrapazieren“, sagt Evermann im Gespräch mit dem Abendblatt. Im Schnitt 2808 Zuschauer in der Sporthalle Hamburg – und damit bisher 200 mehr als in der Vorsaison –, 9964 beim Weihnachtsspiel gegen den VfL Fredenbeck (36:24) in der Barclaycard Arena, 1409 mehr als 2016, dazu mehr als 100 Partner und VIP-Kunden sind Bestätigung, vieles richtig gemacht zu haben, und Verpflichtung zugleich, das auch in Zukunft zu tun. Erfolg, weiß der Unternehmer, sei im Leistungssport zwar machbar, aber eben nicht verlässlich planbar. „Selbst im Geschäftsleben sind Voraussagen über längere Zeiträume Spekulation, weil sich die Marktverhältnisse ändern oder man den richtigen Zeitpunkt für Innovationen, Expansionen und Investitionen verpasst.“

Erfolgreiche Jugendarbeit

Der Handball Sport Verein (HSV) Hamburg ist für Evermann (46) ein Start-up-Unternehmen, seit anderthalb Jahren auf dem Markt – und dafür schon sehr gut aufgestellt. „Für die 3. Liga ist unser Jahresetat von derzeit 1,6 bis 1,8 Millionen Euro etwas überdimensioniert, aber wir sehen ihn als Fundament für unsere künftige Entwicklung an.“

Dazu war es nötig, zunächst in Strukturen zu investieren, Verbindlichkeiten ab-, eine funktionierende Geschäftsstelle aufzubauen, die Räumlichkeiten in der Volksbank-Arena zu behalten und die erfolgreiche Jugendarbeit, Kosten: rund 400.000 Euro im Jahr, mit erfahrenen Trainern weiterzuführen. Die HSV-A-Jugend gehört in der Bundesliga Nord hinter den Reinickendorfer Füchsen Berlin und dem SC Magdeburg zu den drei Topteams, auch in der nächsten Saison werden Talente den Sprung in die Herrenmannschaft schaffen. Künftige Mehreinnahmen – Evermann rechnet für die Zweite Liga mit Steigerungen um bis zu 30 Prozent – könnten deshalb direkt in das Budget für Spieler und Trainer fließen. Das übergeordnete Vereinsziel bleibt die Rückkehr in die Erste Bundesliga, ein Datum dafür ist im Masterplan bisher nicht hinterlegt.

Nachhaltig wachsen

„Wir wollen langfristig erfolgreich sein, behutsam und nachhaltig wachsen, uns nicht überheben, sympathisch bleiben und dem Handballstandort Hamburg dienen. Der Verein wird sich nicht in persönliche Abhängigkeiten begeben, alles muss solide finanziert sein. Wir werden nur das ausgeben, was wir einnehmen, nur die Spieler verpflichten, die wir bezahlen können.“ Auch wenn Evermann ungern zurückblickt: Die nicht nur ruhmreiche Vergangenheit des ehemaligen deutschen Meister (2011) und Champions-League-Siegers (2013) hat ihn genau dies gelehrt.

Anfang März muss der HSV der Handball-Bundesliga (HBL) seine Planungen für die Zweite Bundesliga vorlegen. Was früher Angst und Schrecken in den Vereinsgremien auslöste, weil der Etat an den finanziellen Zuwendungen und Patronatserklärungen des launischen Mäzens, Sponsors und langjährigen Präsidenten Andreas Rudolph hing, ist heute Routine. Viele Aufgaben sind bereits erledigt, erste Gespräche mit den Sponsoren sind geführt, die Gründung einer von der HBL geforderten Spielbetriebsgesellschaft ist vorbereitet. Der Gesamtetat stiege in der Zweiten Bundesliga wohl auf gut zwei Millionen Euro, die Hälfte davon dürfte für Spielergehälter ausgegeben werden. Damit würde sich der HSV finanziell im gehobenen Mittelfeld der Klasse bewegen.

Langfristiger Vertrag für Leif Tissier

Den kommenden (Zweitliga-)Kader haben Evermann und Sportchef Martin Schwalb (54) schon auf dem Zettel, viele Spieler sollen gehalten werden, einige Verträge laufen noch weiter, das Team soll zudem auf einigen Positionen verstärkt werden. „Wir haben viele Gespräche geführt und werden in die Detailplanung gehen, wenn sich unsere Ligazugehörigkeit für die nächste Saison abzeichnet“, sagt Evermann.

Eine wichtige Personalie ist dabei Spielmacher Leif Tissier. Der 18-Jährige gilt als potenzieller Bundesligaspieler. Der Abiturient entwickelte sich in dieser Saison unter Trainer Torsten Jansen (41) schnell zum Leistungsträger in der Dritten Liga. Der HSV wird ihm in den nächsten Tagen einen langfristigen Vertrag mit Perspektive anbieten, die Rahmendaten kennen Tissier und sein Berater bereits. „Wir rechnen damit, ihn halten zu können“, sagt Evermann.

Talentfindung oben auf der Agenda

Talentfindung- und -förderung stehen beim HSV weiter ganz oben auf der Agenda, die Zusammenarbeit mit Vereinen in und um Hamburg soll ausgebaut werden. Das Angebot an die Kooperationspartner: Der HSV bildet deren beste Jugendliche aus, und jene, die es später nicht in die erste Mannschaft schaffen, kehren als bessere Spieler in den Hamburger Handball zurück.

Eine zweite Herrenmannschaft wird es beim HSV auch in den nächsten Jahren nicht geben. Evermann: „Unser Ziel ist es, gemeinsam mit den anderen Vereinen den Handballstandort Hamburg zu stärken, denn in dieser Stadt, in dieser Region sehen wir großes Potenzial für unseren Sport.“

Der nächste Schritt wäre die Gründung einer Jugend-Akademie, eventuell zusammen mit einer anderen Sportart. Der Hintergrund: Der HSV bietet zwar optimale Trainingsbedingungen, dem Verein und dem Hamburger Handballverband fehlen indes Internatsplätze, um Jugendliche aus ganz Deutschland unterzubringen. Die Nachfrage ist groß. „Gelingt uns der Aufstieg in die Zweite Liga, werden wir diese Überlegungen konkretisieren und uns Partner für dieses Projekt suchen“, sagt Evermann.