Málaga. Der von Verletzungen geplagte Innenverteidiger des FC St. Pauli soll heute im Testspiel gegen den VfL Wolfsburg sein Comeback feiern

229 Tage können sich wie eine Ewigkeit anfühlen. Keiner kann das besser nachempfinden als Philipp Ziereis. Umgerechnet war der Innenverteidiger des FC St. Pauli fast 33 Wochen verletzt. Das sind mehr als sieben Monate. Während seiner Pause sind Frühling, Sommer und Herbst vergangen. Doch im zehntägigen Wintertrainingslager (3. bis 12. Januar) in Alhaurín el Grande in der Nähe vom spanischen Málaga soll der 24-Jährige an diesem Freitag sein Comeback geben.

Ziereis könnte beim Testspiel gegen den Bundesligisten VfL Wolfsburg auf der Anlage des Marbella Football Centers (15 Uhr) zum ersten Mal wieder mitspielen. „Philipp hat gezeigt, dass er ein überdurchschnittlicher Zweitligaspieler ist. Wir müssen abwarten, wie er die Belastungen verträgt. Ich gehe davon aus, dass er bei den Testspielen mitwirken kann“, hatte Trainer Markus Kauczinski schon vor der Abreise gesagt. Die ersten Trainingseinheiten in Südspanien hat Ziereis jedenfalls unbeschädigt überstanden. „Es ist ein geiles Gefühl, wieder mit der Mannschaft auf dem Platz zu stehen. Jeder, der in seinem Leben schon einmal so lange verletzt war, kennt es“, sagt der Abwehrspieler.

Rückblick: Es war Ende Mai, der letzte Spieltag der Vorsaison, als sich der gebürtige Schwarzhofener gegen den VfL Bochum im Zweikampf mit Gegenspieler Peniel Mlapa einen Muskelsehnenriss im Oberschenkel zuzog – eine äußerst seltene Verletzung bei Fußballern. Bei der anschließenden Operation wurde Ziereis ein Titananker ins Becken gebohrt. Die Sehne, die den Oberschenkelmuskel nach oben ziehen soll, wurde drangehängt. Die Folge: Ziereis musste eine lange Auszeit nehmen. Sein letztes Spiel über 90 Minuten hat er im vergangenen Jahr im April gegen Fortuna Düsseldorf bestritten.

Aber was macht so ein verletzter Profifußballer den ganzen Tag? Hockt er vor dem Fernseher, spielt Playstation und wird auch noch dafür bezahlt? „Wer verletzt ist, hat weniger Freizeit als ein fitter Spieler“, erklärt Ziereis – und erzählt von seiner Leidenszeit. Die Regeneration erfolgte dreigeteilt. Die ersten sechs Wochen nach der Operation konnte er sich kaum bewegen. „Ich musste eine Schiene tragen und an Krücken laufen. Ich konnte weder Auto fahren noch einkaufen oder kochen. Eigentlich durfte ich nicht einmal sitzen“, erzählt der Fußballprofi. Deswegen habe er diese Zeit zu Hause bei seinen Eltern verbracht. „Sie waren eine große Unterstützung für mich.“

Die zweite Phase absolvierte Ziereis in der Reha in Donaustauf rund 50 Kilometer von seinem Elternhaus entfernt. „Jeden Tag habe ich sechs bis acht Stunden geackert“, sagt er. Von wegen Entspannung. In seinem Alltag wechselten sich Training, Behandlung und Ruhepausen ab. Mit der Mannschaft hat er währenddessen über WhatsApp Kontakt gehalten. Insbesondere die erfahrenen Spieler wie Bernd Nehrig oder Philipp Heerwagen standen ihm mit Rat und Tat zur Seite.

Auch als Ziereis im dritten Schritt nach Hamburg zurückkehrte, investierte er die meiste Zeit ins Aufbautraining. Weil es absehbar war, dass er 2017 kein Pflichtspiel mehr bestreiten würde, ließ er sich gegen Ende des Jahres seine Mandeln herausnehmen und die Nasenscheidewand begradigen. Eines stellt er aber klar: „Auf der Couch vor dem Fernseher habe ich nur am Abend gelegen.“

Mit gerade einmal Mitte 20 hat der 1,89-Meter-Mann in seiner Karriere mit erstaunlich viel Verletzungspech zu kämpfen. Nicht einmal „Transfermarkt.de“ hat jede Läsion erfasst. Denn die Liste ist lang. Sie reicht vom Außenbandriss im Knie über muskuläre Pro­bleme bis hin zur rätselhaften Viruserkrankung. Vor genau einem Jahr musste Ziereis wegen letztgenannter Infektion das Wintertrainingslager in Andalusien bereits nach wenigen Tagen verlassen. Alle Verletzungspausen zusammengerechnet hat er dem FC St. Pauli rund ein Jahr gefehlt.

An ein Karriereende hat er aber keine Gedanken verschwendet. Nicht eine Sekunde, beteuert er. „Vor 20 Jahren wäre vermutlich alles vorbei gewesen. Aber durch den medizinischen Fortschritt habe ich nie an meiner Rückkehr gezweifelt“, sagt Ziereis. Sein Abitur hat er in Regensburg absolviert, danach ist er Profi geworden. Ein zweites Standbein hat er sich noch nicht überlegt. „Aber irgendwann wird der Tag kommen, an dem ich es muss“, sagt er. Hoffentlich nicht allzu bald. Erst einmal steht sein Comeback im Fokus.