Hamburg/Jerez de la Frontera. Der HSV flog ohne den Brasilianer nach Jerez ins Trainingslager. Todt kündigt Strafe an

Als der HSV-Mannschaftsbus um 13.45 Uhr am Neujahrsmittag am Flughafen Fuhlsbüttel vorfuhr, standen die ersten Autogrammjäger längst bereit. Ein Fußballer nach dem anderen stieg aus dem Bus, unterschrieb hier ein Foto und dort ein hingehaltenes Trikot, um anschließend am Schalter 2 von Terminal 1 für den Charterflieger ins Trainingslager einzuchecken. Nach einer Viertelstunde hatten 27 der 28 HSV-Profis das Prozedere im Airport Helmut Schmidt über sich ergehen lassen. Nur eine Unterschrift fehlte den Sammlern: Walaces.

„Walace hat seinen Urlaub eigenmächtig verlängert und dafür persönliche Gründe angeführt, die wir so nicht akzeptieren“, klärte wenig später Sportchef Jens Todt mit betretener Miene auf. Er sei mit Walace und dessen Berater im ständigen Austausch und würde davon ausgehen, dass der Brasilianer nun am 3. Januar direkt ins Trainingslager im spanischen Jerez de la Frontera einfliegt. Trotzdem könne er das Vergehen des Südamerikaners natürlich nicht akzeptieren. „Wir werden dieses Verhalten angemessen ahnden.“

Den letzten Silvesterknaller hatte sich der HSV also für Neujahr aufgespart. Denn über die „persönlichen Gründe“, die auch Walace’ Berater Rogério Braun gegenüber dem Abendblatt einräumte, konnte man am ersten Tag des neuen Jahres lediglich spekulieren. Ein Strandfoto aus der Nacht, auf dem der Mittelfeldabräumer im weißen Tankshirt, mit ausgebreiteten Armen und Victory-Zeichen grinsend am Strand posierte, liegt jedenfalls den Schluss nahe, dass es ihm nicht allzu schlecht gehen kann. „Walace hatte ein persönliches Problem und konnte deswegen nicht fliegen. Er wird sich sobald wie möglich den Clubverantwortlichen präsentieren“, relativierte Braun, der seinen Mandanten nun am Mittwoch im Flieger nach Andalusien begleiten soll.

Ob Walace, der mit Anfragen von Atlético Mineiro, Flamingo und Palmeiras kokettiert, aber tatsächlich noch in dieser Woche ins Trainingslager nachreist, bleibt fraglich. Schnell fühlte sich der eine oder andere HSV-Verantwortliche an den Fall Zé Roberto erinnert, der vor sieben Jahren die Vorbereitung im türkischen Belek schwänzte. Zé Robertos Begründung damals: persönliche Probleme.

Immerhin: Seinerzeit sprach sich Zé Roberto am Telefon mit dem damaligen Trainer Bruno Labbadia aus, flog mit einiger Verspätung aus Brasilien nach Hamburg und zog die Rückrunde durch. „Ich habe gehört, dass Walace in einigen Tagen nachkommen will“, sagte Kapitän Gotoku Sakai, der sich seinen Mannschaftskollegen dann zur Brust nehmen will: „Sein Verhalten ist nicht gut. Wir werden das innerhalb der Mannschaft mit den Führungsspielern besprechen“, sagte der Japaner. „Aber erst mal müssen wir abwarten, dass er kommt. Dann werden wir sprechen.“

So schlecht das neue Jahr 2018 für den HSV startete, so vielversprechend hörte das alte Jahr 2017 auf. Denn als der Ärger um Walace noch gar nicht abzusehen war, verkündete der Club nicht ohne Stolz, dass man den ersten Neuzugang verpflichtet habe. Allerdings keinen Spieler, sondern einen neuen Chefscout und Kaderplaner. „Johannes Spors gehört zu den absoluten Topleuten der Branche“, freute sich Todt zwei Tage später am Flughafen, als alle Walace-Fragen beantwortet waren und der Sportchef zum – aus seiner Sicht – angenehmen Teil der Frage-und-Antwort-Runde am Check-in übergehen konnte. „Johannes Spors hat in den vergangenen zwei Jahren bei RB Leipzig eine der besten und größten Scoutingabteilungen geleitet“, sagte Todt. „Wir sind total froh, dass er zu uns kommt.“

Die Freude beruht offenbar auf Gegenseitigkeit. „Ich freue mich, dass ich beim HSV, also bei einem richtig großen Club, auch strukturelle Arbeit leisten darf“, sagte Spors im Gespräch mit dem Abendblatt. Der Ex-Leipziger, der seine Karriere als Fußballanalyst bereits mit 25 Jahren bei 1899 Hoffenheim startete, soll aber nicht nur Nachfolger von Benjamin Schmedes werden, der im Dezember als Sportchef zum VfL Osnabrück gewechselt war. Spors soll den gesamten Scoutingbereich umstrukturieren und zudem als Kaderplaner fungieren. „Es geht auch darum, Spieler und ihre Berater von Hamburg und vom HSV zu überzeugen. Bei einem Spieler wie Leipzigs Jean-Kévin Augustin kann so ein Prozess schon mal anderthalb Jahre dauern.“ Am 1. Februar will der 35 Jahre alte Fußballanalytiker sein Amt beim HSV antreten.

Ob Spors dann auch noch Walace beim HSV treffen wird, bleibt abzuwarten. Zwar betonte Sportchef Todt, dass man den Brasilianer auf keinen Fall abgeben wolle. Aber Aussagen wie diese dürfen getrost als „marktspezifische Folklore“ abgetan werden. Sicher ist nur eines: Fortsetzung folgt ...