Peter-Michael Reichel und seine Tochter Sandra entscheiden 2018 über den Tennis-Klassiker am Rothenbaum

Peter-Michael Reichel war acht Jahre alt, als er in der Wohnstube des elterlichen Zweitwohnsitzes in Kitzbühel die Internationalen Tennismeisterschaften von Deutschland zum ersten Mal in der ARD verfolgte. „Für mich gab es als Kind die French Open, Wimbledon und den Rothenbaum“, erzählt der 65 Jahre alte Österreicher. Als die Lizenz auf dem Markt war für das traditionsreichste Tennisturnier Deutschlands, bei dem in den ersten fünf Jahren von 1892 bis 1896 nur Deutsche und Österreicher spielberechtigt waren, konnte Reichel nicht anders, als mitzubieten. Ehrensache, ein Kindheitstraum.

Der Deutsche Tennis Bund bescheinigte dem Gründer des Linzer Damenturniers und Europa-Repräsentanten der Damentennis-Organisation WTA „das beste Gesamtpaket“; der DTB erteilte Reichel am 24. September den Zuschlag. 2019 lösen er und seine Tochter Sandra (46), die Turnierdirektorin des Linzer Klassikers und des jungen WTA-Turniers in Nürnberg, Wim­bledon-Sieger Michael Stich nach zehn Jahren als Rothenbaum-Veranstalter ab. „Wir haben den größten Respekt vor Michael Stich. Wir wünschen ihm nur das Allerbeste für sein letztes Turnier im Juli und wollen unsere Pläne erst danach vorstellen“, sagt Peter-Michael Reichel.

Das Vater-Tochter-Doppel gab am 13. Dezember auf der Hamburger Sportgala seinen Einstand auf dem gesellschaftlichen Parkett der Hansestadt (sehr bodenständig und als wissbegierige Zuhörer bis nachts um 1 Uhr). Die Reichels folgten einer kurzfristigen Einladung des Sportsenators Andy Grote. Dass sie sofort zusagten, „obwohl sie sicher Menschen mit vollen Terminkalendern sind“ (Sportstaatsrat Christoph Holstein), wurde als Statement registriert. Wie auch Peter-Michael Reichels mediale Worte zur Standortfrage: „Wir wollen alles dafür tun, dass wir langfristig in Hamburg das so traditionsreiche Turnier auch weiterhin am Rothenbaum halten können.“ Holstein repostete den Satz auf seiner Facebookseite und schrieb dazu: „Wir arbeiten dran ...“ Die bisher konstruktiven Gespräche der Stadt mit den Reichels werden 2018 fortgesetzt.

Sandra Reichel war 2017 zweimal in Hamburg, ihr Vater sogar fünfmal. Sie, die in ihrer oberösterreichischen Heimat Wels lebt, und ihr Vater, der seit zwei Jahren mit seiner Frau Eva-Maria in Andermatt in den Schweizer Alpen wohnt, sind Hamburg-Fans. Sie war verzaubert vom Binnenalster-Blick aus dem Vierjahreszeiten. Er schwärmt: „Hamburg ist eine ganz großartige Stadt von Weltrang. Eine Tennisstadt, eine Fußballstadt, eine HafenCity und eine Stadt mit Niveau.“

Kein Zweifel, die Reichels blieben gerne mit der Lizenz in Hamburg. Aber: Die Gemengelage um die Rothenbaum-Zukunft ist komplex. Vater Reichel verschaffte sich selbst bei einem Inkognito-Turnierbesuch im Juli einen Eindruck von der maroden Anlage („Es ist einiges zu tun“). Probleme bereitet der Pächter, Club an der Alster, dessen Hockey- und Tennissparte völlig zerstritten sind. Die Hockeyleute wollen die neue Multifunktionsarena, die Tennisspieler nicht, sie wollen den Vorsitzenden Thomas Wiedermann absetzen. Frust herrscht darüber, dass 200.000 Euro für eine Anlagen-Expertise ausgegeben wurden, die nichts gebracht habe, und zugleich der Etat der Tennis-Bundesligadamen gekürzt wurde. Die außerordentliche Mitgliederversammlung wurde mehrfach verschoben. Derzeit blockiert Alster alle anderen Parteien. Und was macht der DTB? Er wirkt in seinem Verhandlungspoker mit der Stadt in der Standortfrage allzu plump. „Andere Städte haben auch hübsche Töchter“, sagte DTB-Präsident Ulrich Klaus am 7. Dezember beim DTB-Stammtisch. Dabei ist Vizepräsident Dirk Hordorff, beim DTB der stärkste Mann, gebürtiger Hamburger. Aber eben auch ein gewiefter Geschäftsmann.

Die Stadt wird keine finanziellen Zusagen machen, ehe es keine Entscheidung bei Alster gibt. Die Reichels denken, so viel steht fest, in großen Dimensionen. „Wir wollen, dass die Hamburger Lizenz wiedererleuchtet im Tennis-Weltkalender“, sagt Peter-Michael Reichel. Ein Herren-Turnier der ATP-500er-Kategorie ist auch für die Reichels Neuland. Was befähigt sie zum Rothenbaum-Relaunch? Er ist durch seine WTA-Rolle einer der höchsten Sportfunktionäre Österreichs und bestens vernetzt in der Tenniswelt. Beim ATP-Tour-Finale in London traf er Boris Becker zum Abendessen. Nebenbei rief er 2017 das Klassik-Festival in Andermatt ins Leben. Von 2000 bis 2013 hatte er als Präsident und Anteilseigner des Traditionsclubs LASK Linz den Sprung in den Fußball gewagt. Die „Oberösterreichischen Nachrichten“ überschrieben ein Porträt zum 65. Geburtstag von „PMR“ mit dem Titel: „Im Unruhestand“.

Bei dem Duo ist er der Visionär und die Tochter diejenige, die die Visionen vom Kopf auf die Beine stellt. Mit Charme, Fleiß und ihrem Team der Matchmaker-Agentur. Ihr Motto: „Geht nicht gibt’s nicht.“

Sandra Reichel wollte selbst Profi werden, stand auf Platz 25 der U-18-Weltrangliste und Rang 432 der Damen. Damit sie nicht nur reisen musste, veranstaltete ihr Vater, der Macher, 1989 kurzerhand ein 5000-Dollar-Damenturnier in Wels. Daraus ging Linz hervor. Sie sagt: „Ausschließlich Tennis zu spielen ­gefiel mir nicht. Ich hatte den Drang, zu organisieren. Ich wollte auf die andere ­Seite.“

Ihre WTA-Events haben gemein, dass sie bei vielen Spielerinnen wegen der persönlichen Atmosphäre als Lieblingsturniere gelten. Außerdem ist Sandra Reichel eine Perfektionistin, die nachts noch in den Stadionkatakomben Blumenkübel umherwuchtet, wenn sie an den falschen Stellen stehen. Natürlich würde der Rothenbaum von ihrer Erfahrung profitieren, wenn ab 2019 – wie angedacht – auch ein WTA-Turnier nach Hamburg kommt.

Noch ist das alles eine Vision. Mit Hürden. Aber das sehen beide als sportliche Herausforderung.