Hamburg . Für das Weihnachtsspiel am 26. Dezember in der Barclaycard-Arena gegen Fredenbeck sind bereits 8666 Tickets verkauft – mehr als in jedem Drittligaspiel weltweit

Lukas Ossenkopp erinnert sich noch genau, wie das war vor einem Jahr. Als sie da in dem Gang von der Kabine in den Innenraum standen und schon mal rausschauten. Voll besetzte Ränge, die Halle riesig, fröhliche Menschen, große Erwartungen. „Das vergisst du nie, das ist es, wovon man als Spieler träumt“, erinnert sich der
24-Jährige an das Weihnachtsspiel mit den Handballern vom HSV Hamburg am zweiten Feiertag 2016. Jetzt ist es wieder so weit – und am 26. Dezember darf Ossenkopp sein Team sogar als Kapitän gegen den VfL Fredenbeck auf das Feld führen. „Eine große Ehre, und ich freue mich sehr darauf.“

Barclaycard Arena, 15 Uhr, weit mehr als 8000 Zuschauer. Da entwickelt sich so etwas wie ein Kult. „Der Anfang einer kleinen Tradition“, sagt Martin Schwalb. Zum zweiten Mal also füllen die Drittliga-Handballer nach Bescherung, Gänsevöllerei und Besinnlichkeit die gigantische Halle. „Kinder, Eltern, ganze Familien kommen, um den Sport zu genießen“, sagt der HSV-Vizepräsident, „ich habe letztes Jahr von ganz vielen gehört ,wir kommen wieder’, und so kann sich das etablieren.“ Quasi nebenbei wird auch noch ein neuer Weltrekord für ein Handball-Drittligaspiel dabei herauskommen. 8555 Zuschauer sahen vor einem Jahr den 37:32-Sieg gegen DHK Flensborg – und dieses Jahr werden es noch mehr sein: „Wir haben bereits 8666 Tickets verkauft“, sagte Schwalb Freitagmittag. Wahrscheinlich werden es also mehr als 9000 Zuschauer – vielleicht sogar 10.000 – sein, die in die Arena am Volkspark kommen.

Die Idee ist ja auch so naheliegend wie einleuchtend. Irgendwann will doch jeder mal raus nach „Stille Nacht“ und Festtagsbraten, nach Familienharmonie und „Sissi“ im Fernsehen. Da muss doch auch mal Action her. In England wird seit mehr als 150 Jahren am „Boxing Day“ Fußball gespielt, dem Tag, an dem die reichen Briten ihren Hausangestellten oder Bedürftigen Weihnachtsgeschenke in kleinen Schachteln (boxes) überreichten. Von der Premier League bis runter in die unterste Amateurklasse wird dann gekickt. Weihnachten ist arbeitsfrei. Zeit, zum Fußball zu gehen, das ergibt doch Sinn. Und warum soll, was im englischen Fußball funktioniert, nicht auch im Hamburger Handball funktionieren? Vor allem in einer Zeit, in der Weihnachten immer mehr zu einem Event-Freizeit-Kurzurlaub wird.

Eine Bescherung also auch für den Club? Nein, nur emotional, sagt Schwalb. Das Erlebnis also, dieser Hauch von ganz großer Handballwelt, die in dieser Halle ja einmal zu Hause war. Auch in den kommenden Jahren soll es das weiterhin geben. Wenn es der Spielplan erlaubt, was bei einem Aufstieg in die Zweite Liga nicht garantiert wäre. „Bis dahin ist es ein weiter Weg“, sagt Schwalb, „aber eins ist klar: die Gegner haben auch Spaß an dem Spiel.“

Das ist die Hauptsache, denn finanziell bleibt nicht viel übrig. „Eine schwarze Null“, haben sie im vergangenen Jahr geschrieben, sagt Vizepräsident Schwalb. Mehr wird es auch diesmal nicht. „Die Eintrittspreise zwischen acht und maximal 30 Euro sind moderat, die Kosten für die Halle aber deutlich höher als in der Sporthalle Hamburg.“

Egal, das Weihnachtsspiel wird gemacht und zu einem Ereignis, mit Vorprogramm und Showact. Und mit einer besonderen Charity Aktion, passend zum Fest. Die Besucher werden gebeten, Schuhe mitzubringen und vor Ort direkt an die 2015 gegründete Hilfsorganisation Hanseatic Help zu übergeben. Die gibt sie dann zur Unterstützung von obdachlosen, geflüchteten sowie weiteren bedürftigen Menschen an Einrichtungen in Hamburg weiter. „Boxing Day“ eben. „Ob Sport-, Winter- oder Halbschuhe – wir freuen uns über jedes alltagstaugliche Paar. Gerade im Winter sind warme Füße überlebensnotwendig“, erklärt Arnd Boekhoff, Vorstandsmitglied bei Hanseatic Help. „Größe, Look und Marke sind nicht entscheidend. Was zählt ist, dass die Schuhe noch tragbar sind!“ Um auf die Hilfsorganisation aufmerksam zu machen, treten die HSV-Spieler auch mit einem Extra-Trikot mit dem Logo von Hanseatic Help an.

Doch, das Weihnachtsspiel ist viel mehr als „nur“ ein Handballspiel. HSV-Trainer Torsten Jansen kennt das Gefühl, vor solch einer großen Kulisse aufzulaufen aus seiner eigenen Karriere, für die meisten seiner Spieler ist es aber auch beim zweiten Mal etwas Besonderes. Zumal es ja nicht der große Weihnachtsspaß ist, sondern sportlich wichtig. Der HSV will in die Zweite Liga aufsteigen. Da darf es gegen den Tabellen- zehnten Fredenbeck keinen Ausrutscher geben, die Verfolger aus Altenholz und Springe sind dem Spitzenreiter mit zwei beziehungsweise drei Minuspunkten Rückstand auf den Fersen.

Das sportliche Ziel ist klar: Aufstieg in die Zweite Liga

Mit einem Sieg wäre auch die Herbstmeisterschaft gesichert. „Ich habe nicht den Eindruck, dass die Jungs besonders nervös sind, sie sind im Training alle sehr fokussiert“, sagt Trainer Jansen. Nur am Heiligen Abend hat er ihnen frei gegeben, am ersten Weihnachtstag ist Abschlusstraining. „Wir wollen die Erfahrung vom vergangenen Jahr positiv mitnehmen“, sagt Jansen, „ansonsten sind die Bedingungen doch für beide gleich, und auch Fredenbeck bringt ja viele Fans mit.“

Aber es ist ja klar: Je früher der HSV endgültig weiß, wohin es sportlich geht, desto einfacher ist das für die Planungen. „Spielerverträge machen wir erst, wenn wir wissen, in welcher Liga wir nächstes Jahr spielen“, sagt Schwalb. Das gilt auch für Kapitän Ossenkopp, dessen Vertrag zum Saisonende ausläuft und der große Lust hat, auch in der Zweiten Liga beim HSV mit an Bord zu sein. Nicht nur wegen des Weihnachtsspiels, aber auch: „Das ist eine super Sache, die zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind.“