Sydney. Am zweiten Weihnachtstag startet der Hamburger Opielok bei dem Langstrecken-Klassiker Rolex-Sydney-Hobart-Race.

Christopher Opielok blickt in Down Under turbulenten Weihnachtstagen entgegen. Der Hamburger Kapitän und Reeder bereitet sich in Sydney auf das Rennen seines Lebens vor. Er wird mit einer elfköpfigen Crew und seiner Rennyacht „Rockall“ am zweiten Weihnachtstag in den Langstrecken-Klassiker Rolex-Sydney-Hobart-Race starten. „Ich will seit 30 Jahren an diesem Rennen teilnehmen. Nun bin ich aufgeregt, habe Adrenalinschübe und freue mich sehr auf das Rennen“, sagt er.

Opielok (54) und sein Helgoländer Segelfreund Martin Klawon gehören zu den wenigen deutschen Seglern, die an der 72. Auflage der legendären Regatta von Sydney nach Hobart auf Tasmanien teilnehmen. Zu den knapp 100 internationalen Teams zählen in diesem Jahr auch die elf Yachten der Clipper-Round-the-World-Race-Flotte, die mit dem Klassiker einen weiteren Abschnitt auf ihrem Kurs um die Welt absolvieren. Vor dem Startschuss liegt erstmals in der Geschichte des Clipper Race mit Chris Kobusch aus Herford ein deutscher Skipper in Führung, der diese Position auf den 1163 Kilometern durch die Tasmanische See verteidigen will.

Dunkle Erinnerungen

Das in Australien auch als „Bluewater Race“ bekannte und seit 1945 ausgetragene Sydney-Hobart-Race weckt stets Erinnerungen an sein dunkelstes Kapitel: 1998 wurde die Regattaflotte von einem Jahrhundert-Orkan mit Böen von bis zu 80 Knoten brutal erwischt. Sechs Segler verloren ihr Leben, fünf Yachten sanken, 55 Aktive mussten in der größten Rettungsaktion der australischen Marine außerhalb von Kriegszeiten geborgen werden. Inzwischen wurden die Sicherheitsbestimmungen deutlich verschärft und auch die Wetterprognosen sind verlässlicher. Für dieses Rennen haben die Meteorologen fast perfekte Winde vorhergesagt. Die Flotte erwartet ein schneller Ritt entlang von Australiens Südostküste über die Bass Strait hinein in die Storm Bay und zum Finalsprint durch den Fluss Derwant in den historischen Hafen von Hobart.

Bier, Barbecue und Geschenke

Opieloks Yacht vom Typ TP52 startet unter der Flagge des Norddeutschen Regatta Vereins. Ihr Eigner hat sie vor wenigen Monaten erworben. Davor hatte sie Juan Carlos, der ehemalige König von Spanien, gesegelt, bevor sie in die USA und nun an den Hamburger verkauft wurde. Doch davor steht die Herausforderung Sydney–Hobart. Und davor das Weihnachtsfest. „Wir feiern es hier nach deutscher Tradition an Heiligabend “, erzählt Opielok. „Wir haben ein Haus für die Mannschaft gemietet. Den Tannenbaum habe ich auch schon besorgt. Es gibt Bier, ein Barbecue und Geschenke für alle.“

Christopher Opielok und Martin
Klawon vor der „Rockall“
Christopher Opielok und Martin Klawon vor der „Rockall“ © Rockall

Gut möglich, dass Klawon in gemütlicher Runde ein Erlebnis vor 36 Jahren Revue passieren lässt. Als gebürtiger Helgoländer hatte er am 22. Dezember 1981 seine kleine Laser-Jolle an einem besonders eisigen Tag am Sahlenburger Strand bei Cuxhaven ins Wasser geschoben, um damit die rund 30 Seemeilen entfernt liegende heimatliche Nordseeinsel zum Fest zu erreichen. Bei Eisgang auf der Elbe schob sich der damals 18-jährige Student mit seiner Nussschale von Boot teilweise mit den Händen zwischen den Schollen hindurch in Richtung Meer. Über normaler Bekleidung trug Klawon einen drei Millimeter dicken Neoprenanzug.

Gerettetes Leben war sein Weihnachtsgeschenk

Bei sich hatte er einen Kompass, ein paar Trockenfrüchte und etwas Brot. Kein Wasser. Im Sommer hatte er die Strecke einmal in acht Stunden geschafft. Für sein „Wintermärchen“ rechnete er mit zehn Stunden. Doch der Weihnachtstörn wurde zum Albtraum. Klawon, den die von einem Freund benachrichtigte Seenotrettung im Eis nicht finden konnte, durchlebte ein 77-stündiges Martyrium inklusive Beinahe-Erfrieren, Eisberg-Kollisionen, verlorener Orientierung und totaler Erschöpfung. Am Ende erreichte er am ersten Weihnachtstag nicht Helgoland, sondern St. Peter-Ording. Das gerettete Leben war sein Weihnachtsgeschenk.

Opielok erwartet zweitägigen Einsatz

So dramatisch soll es auf Kurs Hobart ab Dienstag nicht zugehen. Unter Australiens Sommersonne rechnet der dreimalige Admiral’s-Cup-Teilnehmer Opielok mit einem zweitägigen Einsatz. Silvester will er schon wieder zu Hause in Pöseldorf feiern. An den Stegen des Cruising Yacht Club of Australia bereiten sich mehr als 1000 Seglerinnen und Segler aus aller Welt auf die Bewährungsprobe vor. „Es gibt so viel zu bedenken“, sagt Opielok, „man kann so schnell disqualifiziert oder mit Strafpunkten belegt werden.“ Die Windprognose spricht für einen möglichen Rekord. Das bisher schnellste Rennen dauerte einen Tag, 18 Stunden, 23 Minuten und 12 Sekunden.

Opieloks kleine „Rockall“ kann das Tempo der Riesen nicht halten, wohl aber nach berechneter Zeit einen Spitzenplatz erkämpfen. Den Namen „Rockall“ trägt die Yacht, weil Opieloks Vater und der Vater des deutschen Sydney-Hobart-Starters von 2016, Jens Kellinghusen, schon zusammen segelten. Ihr erstes gemeinsames Boot benannten sie nach dem Granitfelsen Rockall, den sie in der Irischen See passiert hatten. Opielok hält die Tradition aufrecht und startet sogar mit einem am Mastfuß befestigten Glücksschwein ins Rennen. Das kleine rosa Tier hat ihm NRV-Clubkamerad Jens Kellinghusen geschenkt.