Hamburg. Amateurfußball-Bilanz In der ersten Saisonhälfte glänzten HSV II, Dassendorf und Victoria – Norderstedt flog trotz Sieges aus dem Pokal

Die letzte Nachholpartie ist gespielt (in der Landesliga Hansa verlor FC Elazig Spor gen Rahlstedter SC 2:3), ab heute befinden sich auch die Hamburger Amateurkicker in der Winterpause, die bis 3. Februar (in der Regionalliga trifft HSV II auf Norderstedt) nur durch wenige Nachholspiele im Januar unterbrochen wird. Die erste Saisonhälfte bot eine Menge: sportliche Höhe- und Tiefpunkte, aber auch verbale Aussetzer. Das Abendblatt blickt zurück auf …

...­ erfolgreiche Rothosen: Wer den HSV siegen sehen will, geht am besten zur „Zweiten“. Trainer Christian Titz verordnete Gegenpressing, wenig Ball­kontakte und totale Dominanz. Resultat: 18 Partien, 41 Punkte, Tabellenführung in der Regionalliga Nord. Angreifer Törles Knöll führt die Torjägerliste an, knipste 14-mal in 15 Einsätzen. Setzte sich ganz oben aber nicht durch. Der japanische Flügelflitzer Tatsuya Ito hingegen schon. Er erhielt einen Profivertrag. Ob die U 21 in die Dritte Liga aufsteigen darf, will der HSV im Winter bekanntngeben. Knackpunkt sind die steigenden Kosten eine Etage höher. Es wäre wohl gut angelegtes Geld für den hungrigen Nachwuchs des Bundesliga-Dinos.

... leidensfähige Kultclub-Fans: Acht Anläufe, acht Niederlagen, 4:22 Tore – Aufsteiger und Schlusslicht Altona 93 verbuchte keinen seiner zehn Punkte in der Regionalliga Nord an der heimischen Adolf-Jäger-Kampfbahn. Der größte Heimfluch der Vereinsgeschichte hielt die treuen Fans vom Stadionbesuch nicht ab. 1198 Anhänger strömten im Schnitt pro Spiel an die AJK. Macht Rang drei in der Zuschauertabelle hinter dem VfB Lübeck und dem VfB Oldenburg. Bemerkenswert: Ende Oktober stellte der Vorstand Trainer Berkan Algan eine Jobgarantie auch im Fall des Abstiegs aus. Altona 93 bleibt der etwas andere Amateurclub.

... den größten Pokalirrtum 2017: Eintracht Norderstedts Präsidentensohn Philipp Koch spielte trotz eines Platzverweises beim Regionalligaspiel in Flensburg drei Tage später in der vierten Runde des Oddset-Pokals beim Oberligisten Niendorf munter mit. Die Gastgeber legten Protest gegen das 4:6 nach Elfmeterschießen ein, doch Eintrachts Clubboss Reenald Koch verwies auf die Zusage von Uwe Dittmer, seines Zeichens Sportgerichtsvorsitzender des Norddeutschen Fußball-Verbands. Pech nur: Dittmer war gar nicht befugt, im Alleingang eine Spielgenehmigung zu erteilen, die ganz offensichtlich dem Regelwerk widersprach. „Der Kreuzbube“ – also Dittmer – „sticht alle anderen Buben“, hatte Reenald Koch vor den Verhandlungen prognostiziert. Beim Hamburger Fußball-Verband (HFV) zeigten die „anderen Buben“ – HFV-Sportrichter Christian Koops und HFV-Verbandsrichter Thomas Zeißing –, welche Asse sie auf dem Gebiet der Rechtsprechung sind. Die Eintracht flog als Titelverteidiger am Grünen Tisch aus dem Pokal. Ein Novum in der Geschichte des Hamburger Amateurfußballs.

... die perfekte Hinrunde: Rekorde seien ihm „egal“, befand Dassendorfs Trainer Peter Martens vor dem Spiel gegen Türkiye am 7. Oktober. Nach dem 3:1 und dem elften Sieg in Serie vom Start weg, mit dem die TuS die bisherige Bestmarke des SC Concordia (zehn Siege zu Beginn der Saison 1993/94) pulverisierte, hörte er sich anders an. Man wolle die Serie „ausbauen, damit keiner in die Verlegenheit komme sie anzugreifen“. Jene Verlegenheit wird den anderen Oberligisten wohl erspart bleiben. Der Oberliga-Champion der vergangenen vier Saisons gewann alle 17 Hinrundenspiele – ein Wert für die Ewigkeit.

... den verbalen Fehlgriff einer Legende: Ungewollt zum Nebendarsteller wurde die TuS Dassendorf hingegen auf der Pressekonferenz nach dem 2:1 gegen Teutonia 05 am 22. September. TuS-Sportchef Jan Schönteich beendete die Pressekonferenz, doch Teutonias Manager, Trainer-Legende Bert Ehm, hatte noch etwas zu sagen: „Sieg Heil.“ Der mehr als missglückte Scherz stürzte den Club von der Kreuzkirche in Turbulenzen, bundesweit wurde über den „Fall Ehm“ berichtet. Wenige Tage nach dem Fauxpas entschuldigte sich der 70-jährige Ehm. Teutonia 05 trennte sich von ihm, der Verband sperrte Ehm bis drei Monate vor Saisonende für alle Funktionen, brummte ihm eine Geldbuße von 600 Euro auf. Der Rest der Strafe (Sperre bis Saisonende plus weitere 400 Euro) wurde zur Bewährung ausgesetzt.

...­ das Zitat der Hinrunde: „Die Hinserie ist schon fast zu Ende, und wir haben immer noch keine 40 Punkte.“ Nach dem 2:1 im Oberligaspiel gegen Buchholz am 16. Spieltag, mit dem sich Niendorf die Zähler 32 bis 34 sicherte, saß Niendorfs Manager Marcus Scholz gegenüber seinem Trainer Ali Farhadi der Schalk im Nacken. Nach Jahren des Klassenkampfes legte ganz Niendorf im zweiten Halbjahr unglaublich los. Die erste Mannschaft Dritter in der Oberliga, Niendorf II Dritter in der Landesliga Hammonia, die U 19 in der Bundesliga über dem Strich. Hut ab vor dem Talentbecken am Sachsenweg. Ebenfalls exzellent in der Oberliga Hamburg: Aufsteiger Sasel als Fünfter und der FC Süderelbe, eigentlich klarer Abstiegskandidat, auf Rang acht. Eine bodenlose Enttäuschung: Geheimfavorit FC Türkiye als Letzter mit elf Punkten. Wenigstens die Trainerwahl zum Abschluss des Jahres wirkt an der Landesgrenze überzeugend. Kultcoach Michael Fischer kehrt zurück nach Hamburg. Viele gute Sprüche sind 2018 also garantiert.

... die Auswärtsgötter der Oberliga: Punkten statt jammern! So hieß das Motto des SC Victoria in der ersten Halb­serie. Durch die Verlegung des neuen Kunstrasens im Stadion Hoheluft bestritten die Blau-Gelben die kompletten ersten 17 Partien auswärts. Bilanz: satte 33 Punkte. „Wir lernen jede Woche ein anderes Stadion kennen. Das hat was“, fand Trainer Jean-Pierre Richter. Wenn sich Spätstarter Nick Scharkowski nun in der Rückserie daheim genauso wohlfühlt, steht einem neuen Torjägerrekord nichts im Weg. Der 25-Jährige traf bisher in 19 Oberligaspielen 18-mal.

... den Kragenplatzer par excellence: Geliefert von Felix Karch. Nach dem 2:5 am zehnten Spieltag gegen Osdorf war der HSV-III-Coach nicht mehr zu halten – und ging zum Frontalangriff auf seine Mannschaft über. Die spiele „Ditschi-Datschi“, sei nicht fit, denn „bei unseren Spielern spannen die Trikots am meisten“, und überhaupt: „Die meisten Spieler gehen nach dem Training oder nach den Partien direkt nach Hause, ziehen sich um, gehen Shisha rauchen, denken, sie sind die Geilsten, und erzählen jedem: Ich spiele beim HSV in der Oberliga.“ Das saß! Im Gegensatz zum Krisenmanagement des Vereins. Karchs Entlassung wurde der Mannschaft eineinhalb Stunden vor dem nächsten Heimspiel gegen Victoria mitgeteilt. Marcus Rabenhorst und Christian Rahn übernahmen das Team.

... ein wegweisendes Urteil: Ganz anders lief es bei Oberligist HSV Barmbek-Uhlenhorst. Dort setzte Präsident Frank Meyer seinem Trainer Frank Pieper im Anschluss an das 1:5 gegen Teutonia schon nach dem zweiten Spieltag öffentlich ein Ultimatum von fünf Spieltagen. Pieper holte neun Punkte, beide rauften sich zusammen. Nun verkündete der Verein an diesem Wochenende den Rücktritt des Trainerteams zum Saisonende. Abseits des Trainertheaters machte sich Meyer verdient um den Hamburger Amateurfußball. Er klagte gegen die Verlegung des Rückspiels bei Teutonia 05. Das war unter dubiosen Umständen mehrmals verschoben worden, da Teutonia Futsaler in seinen Reihen hat. Meyer blieb standhaft und errang vor dem Verbandsgericht einen großen Sieg. Verlegungen von Amateurspielen zugunsten der Hallensportart Futsal sind rechtswidrig, so der Richterspruch. Besser hätte dieses Jahr gar nicht enden können.