Hamburg. ... hinten und vorne. Oder: Wie man innerhalb von einer Woche zweimal 0:0 spielt und trotzdem alles anders sein soll als sechs Tage zuvor

Stefan Walther

Die Laune am Morgen nach dem 0:0 war auf dem Tiefpunkt. In HSV-Trainer Markus Gisdol brodelte es, Abwehrmann Kyriakos Papadopoulos ging auch verbal in die Defensive („Wir als HSV spielen lieber so und holen die Punkte – als schönen Fußball abzuliefern, gelobt zu werden und mit einer Niederlage nach Hause zu fahren“), und der sonst so höfliche Gotoku Sakai benutzte gar Wörter, von denen man nicht dachte, dass er sie überhaupt kennen würde: „Es ist mir scheißegal, ob jemand unsere Art von Fußball kritisiert.“

Eine gute Woche ist all das her. 0:0 hatte der HSV in Freiburg gespielt. Und sechs Tage später? Spielt der HSV erneut 0:0. Gegen den VfL Wolfsburg. Wieder keine Tore, wieder nur ein Punkt. Und wieder kein wirklicher Fußballleckerbissen. Und doch war am Tag nach dem 0:0 gegen Wolfsburg alles anders als am Tag nach dem Freiburg-0:0.

„Sind denn alle schon im Urlaub?“, fragte Trainer Gisdol am Sonntag, als er grinsend durch den Bauch des Volksparkstadions spazierte. „Wenn wir verlieren, sind 20 Kamerateams da. Und heute nur zwei?!?“ Gisdol gluckste wie ein Schuljunge nach einem geglückten Bubenstreich. „Stellt euch mal vor, wir hätten gewonnen. Dann wäre wahrscheinlich nur noch eine Kamera hier.“

Die Laune am Morgen nach dem VfL-0:0 hätte jedenfalls nicht besser sein können. „Unser Plan ist aufgegangen. Wir haben eine stabile Abwehrleistung gezeigt und sehr ordentlich nach vorne gespielt“, freute sich Gisdol, ehe er doch das Haar in der Festtagssuppe zum zweiten Advent fand: „Das einzige Manko ist, dass wir nur einen und nicht drei Punkte geholt haben.“

Es gehört zu den wunderbaren Besonderheiten des Fußballs, dass eine Mannschaft unter dem Strich zweimal in Folge genau den gleichen Ertrag erzielt, die Bewertung aber so grundverschieden ausfällt. „Wir haben ein richtig gutes Heimspiel gezeigt“, freute sich etwa Sportchef Jens Todt, der von seiner Dienstreise nach Buenos Aires zwar keinen neuen Argentinier, aber doch einen beeindruckenden Teint mitgebracht hatte. „Das war eine deutliche Steigerung im Vergleich zum Freiburg-Spiel. Unsere Viererkette war herausragend.“

Tatsächlich hatte Hamburgs Defensive um Papadopoulos und Mergim Mavraj geschafft, was in dieser Saison wohl noch keine andere Bundesliga-Abwehrreihe geschafft hatte: Die viel gelobte VfL-Offensive um Nationalstürmer Mario Gomez hatte sich in 90 Minuten nicht eine einzige Torchance erkämpfen können. „Ich musste heute keinen einzigen Ball halten“, lobte Torhüter Christian Mathenia, der auf Nachfrage zugab, dass er sich durch Gymnastikübungen bei winterlichen Frösteltemperaturen warmhalten musste.

Richtig heiß wurde es ohnehin erst nach der Partie, als Gomez im Duell gegen Papadopoulos in die verbale Verlängerung ging. „Das ist für mich kein Sportsmann! Ich habe wahnsinnig viel Sinn für Fair Play, aber bei ihm ist das so minimal ausgeprägt, dass es gar nicht vorhanden ist“, schimpfte Gomez, der im Spiel zuvor kaum einen Zweikampf für sich entscheiden konnte und sich sogar zu einer Tätlichkeit gegen den Hamburger Griechen hinreißen ließ. „Ich habe mich selbst gewundert, dass mir das passiert. Aber ich habe dem Schiri auch gesagt, dass es pervers ist, dass Papadopoulos das ganze Spiel über geschützt wird. Man trifft ihn am Bein, er hält sich das Gesicht. Man trifft ihn am Ohr, er tut so, als ob er sich den Knöchel gebrochen hat. Das Perverse ist, dass er jedes Mal damit durchkommt.“

Mit seiner überraschenden Fundamentalkritik durchkommen sollte Gomez dagegen nicht. „Mario sollte sich mit seiner Kritik zurückhalten“, sagte Gisdol, der von seinem Wolfsburger Trainerkollegen Martin Schmidt sogar verbale Unterstützung erhielt: „Papadopoulos ist ein Innenverteidiger, den jede Mannschaft gerne hätte. Das Duell gegen Gomez hat er sicher gewonnen.“

Möglich war diese Post-Partie-Plänkelei ohnehin nur deswegen, weil die großen Aufreger in diesem Nordderby ausblieben. So waren sich im Anschluss des Spiels alle einig, dass der HSV mit 13:2 Torschüssen zwar drückend überlegend war, aus dieser Überlegenheit aber einfach zu wenig machte. „Am Ende haben wir leider wieder kein Tor geschossen, aber Dienstag haben wir die Chance, das zu ändern“, sagte Stürmer Fiete Arp, der daran erinnerte, dass kaum Zeit bliebe, sich über das erneute 0:0 zu ärgern. Morgen (20.30 Uhr/Sky und im Liveticker bei abendblatt.de) kommt bereits Eintracht Frankfurt in den Volkspark – und man darf äußerst gespannt sein, wie die Laune am Tag nach der Partie sein wird. Drei 0:0-Unentschieden in Folge hat es in der HSV-Historie im Übrigen noch nie gegeben.