Hamburg. Die Buxtehuderin Emily Bölk (19), das neue Gesicht des Frauenhandballs, schreibt für das Abendblatt exklusiv eine WM-Kolumne.

Ich bin ja die Jüngste im Team. Mein Amt ist es, auf die Bälle aufzupassen. Und die Jungen sind als erstes gefragt, wenn noch etwas getragen werden muss. Das wird gemacht, so ist es überall. Aber es läuft sehr harmonisch mit den Älteren. Die sehr erfahrenen Spielerinnen wie Clara Woltering und Anna Loerper nehmen uns total auf Augenhöhe wahr. Wenn wir mal eine freie Minute haben, erzählt Clara mir von ihren Jahren in Montenegro und den zwei Champions-League-Titeln – das ist super interessant. Ich habe mich im Team von Anfang an wohlgefühlt. Egal, mit wem man beim Essen am Tisch sitzt oder Partnerübungen macht, man hat immer etwas zu erzählen und zu lachen. Und wir können diese tolle Ebene auch auf die Platte bringen. Der Bundestrainer Michael Biegler hat aus uns eine Einheit geformt, die menschlich und auch spielerisch ein echtes Team ist.

Meine Zimmerpartnerin ist Alicia Stolle. Sie spielt für die HSG Blomberg-Lippe und ist 21. Wir haben beide im Sommer 2016 in der Nationalmannschaft debütiert und sind sehr gut befreundet. Unsere Wohngemeinschaft gilt als die verpeiltste, weil wir die Jüngsten sind und manchmal auf den letzten Drücker kommen. Aber wir haben auch den Ruf, dass wir bei der Zimmerdekoration ganz weit vorn liegen. Wir haben viele Fotos und Glücksbringer von unseren Freunden mitbekommen und die Bilder an Bändern an der Wand entlang aufgereiht. Zwei Adventskalender dürfen natürlich nicht fehlen. Und der Gemeinschaftsraum, den wir in jedem Hotel während der WM haben, wurde von Alicia und mir mitgestaltet: Wir haben für eine Collage von jeder Spielerin ein Aktions- oder Jubelbild rausgesucht. Unser Gemeinschaftsraum ist total cool. Wir haben dort eine Wii-Spielkonsole, eine Darts-Scheibe und eine kleine Tischtennisplatte. Und da hängt auch Clara Wolterings Abreißkalender mit den Tagen bis zur WM. Noch drei Tage, noch zwei, noch einen Tag... Es ist verrückt, dass es heute losgeht. Ein Großereignis im eigenen Land erlebt man normalerweise nur einmal im Handballerleben.

Bei mir in der Familie wiederholt sich die Geschichte: Meine Mama Andrea war bei der EM 1994 dabei, als Deutschland zu Hause Vize-Europameister wurde. Und sie hat ein Jahr vorher in Norwegen mitgespielt, als die Bundesrepublik ihren bisher einzigen Weltmeistertitel gewann. Mama und ich haben neulich die Spiele der WM 1993 auf YouTube entdeckt und uns das Finale gegen Dänemark, das 22:21 nach Verlängerung, in voller Länge reingezogen. Es war besonders für Mama sehr emotional, weil sie sich selbst noch nie hatte spielen sehen. Ich habe die Medaille schon oft in der Hand gehabt, ich könnte sie mit verbundenen Augen nachzeichnen.

Für meine Familie ist die WM jetzt natürlich auch eine aufregende Sache. Meine Eltern haben für alle fünf Vorrundenspiele in Leipzig Tickets. Meine Schwester Joelle muss leider in die Schule gehen. Deswegen guckt sie vorm Fernseher mit meiner Oma Inge, die selbst DDR-Nationalspielerin war. Für das Final4 in Hamburg haben meine Eltern schon sehr früh Karten bestellt für die gesamte Familie. Die Karten waren ja schnell weg. Natürlich hoffen alle, dass wir Deutschen dort am Ende spielen, aber letztlich kann man mit den Tickets nichts falsch machen. Da wird auf jeden Fall Weltklasse-Handball geboten. In Hamburg, vor den Toren Buxtehudes.