Hamburg. Der Sportchef des FC St. Pauli nimmt nach dem 0:4 in Fürth Mannschaft und Trainer Olaf Janßen in die Pflicht

Uwe Stöver hatte wahrlich schon angenehmere und erholsamere Nächte erlebt als die nach dem indiskutablen 0:4 des FC St. Pauli bei der Spielvereinigung Greuther Fürth. Auch am Tag nach dem Debakel brodelte es in dem 50-Jährigen. Stöver hatte Rede­bedarf. Vor dem Training nahm sich der Sportdirektor im Trainingstrakt an der Kollaustraße die Mannschaft zur Brust, anschließend sprach der ehemalige Profi auch im Medienraum Klartext: „Das ist keine Ergebniskrise. Es ist eine Krise, wenn du sechs Spiele nicht gewinnst. Wir sind an einem Punkt angekommen, wo es darum geht, den Fakten ins Auge zu schauen. Und die heißen: Sechs Spiele ohne Sieg, in jedem Spiel mindestens ein Gegentor bis hin zum gestrigen Tag, als wir vier Stück bekommen haben und damit noch gut bedient waren“, sagte Stöver mit Nachdruck.

Die Bankrotterklärung von Fürth war für die Verantwortlichen der berühmt-berüchtigte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Die Entwicklung von einem ambitionierten Aufstiegskandidaten hin zu einer Mannschaft, die nur noch drei Punkte vom Relegationsplatz 16 entfernt ist, lässt die Alarm­glocken schrillen.

Spieler sollen persönliche Animositäten hinten anstellen

Seit Wochen ist keinerlei Entwicklung bei St. Pauli zu sehen. Immer und immer wieder treten die gleichen Probleme zutage. Schwache Chancenverwertung, fehlende Zweikampfstärke gegen aggressiv spielende Mannschaften und individuelle Fehler. Lösungsansätze sind nicht erkennbar. Ein Vorwurf, den sich auch Trainer Olaf Janßen gefallen lassen muss. Es wirkt so, als würde die Mannschaft ihren Übungsleiter häufig nur bedingt verstehen.

Beispiele: Vor dem Spiel gegen Regensburg hatte Janßen sein Team vor dem hohen Pressing gewarnt, trotzdem ließ sich das Team davon übertölpeln. Ebenso hatte er zu mehr Wachsamkeit bei Standardsituationen aufgerufen. Was passierte? Der Aufsteiger traf nach einer Ecke. Und auch Fürth wurde mit all seinen Stärken und Schwächen bis ins letzte Detail seziert. Doch St. Pauli schaffte es nicht, den ebenfalls verunsicherten Franken in der Anfangsphase den Schneid abzukaufen. Stattdessen präsentierte sich der ohnehin sozial engagierte Kiezclub als netter Aufbaugegner. „Von der ersten bis zur letzten Minute haben wir nicht ins Spiel gefunden, obwohl wir wussten, auf was für einen Gegner wir treffen. Wir hatten nicht die Präsenz, die nötig ist, um in dieser Liga ein Spiel zu gewinnen“, echauffierte sich Stöver.

Auch die ständigen System- und Personalwechsel sorgen nicht für Stabilität im derzeit so fragilen Konstrukt beim FC St. Pauli. Häufig korrigiert Janßen bereits während des Spiels seinen vorgegebenen Matchplan. „Es ist das eine oder andere probiert worden. Personell und in der Ausrichtung, was das System angeht, aber es hat nicht zu positiven Ergebnissen geführt“, kritisierte Stöver, der betont, dass er mit diesen Worten nicht den Trainer zum Abschuss freigibt. „Es geht darum, an Stellschrauben zu drehen, wieder gute Entscheidungen zu treffen. Das hat etwas mit der Gesamtheit zu tun, nicht mit einzelnen Personen.“

Der Sportdirektor nimmt vielmehr die Spieler in die Pflicht. Nachdem Janßen in der Halbzeitpause des Fürth-Spiels bereits die Charakterfrage an sein Team gestellt hatte, stimmte Stöver am Montag ähnliche Töne an. „Jetzt zeigt sich die wahre Qualität einer Mannschaft. Wenn alles gut läuft, ist es einfach, aber im Moment läuft es nicht rund“, erklärte der Sportchef.

Die verbleibenden drei Spiele bis zur Winterpause bei Arminia Bielefeld sowie daheim gegen den MSV Duisburg und den VfL Bochum werden richtungsweisend für den weiteren Saisonverlauf. Kann man den freien Fall stoppen, oder droht wie in der vergangenen Saison das Horrorszenario Abstiegskampf? „Bei der Konstellation der letzten drei Spieltage müssen wir aufpassen, nicht durchgereicht zu werden“, warnte Stöver. Deshalb sollen sich die Profis einzig und allein mit der aktuellen sportlichen Talfahrt beschäftigen und Nebenkriegs-schauplätze ausblenden.

„Es geht darum, dass wir wieder als Gruppe funktionieren und jeder Einzelne persönliche Animositäten hinten anstellt. Das haben wir an die Mannschaft herangetragen“, so die unmissverständliche Botschaft des Sportchefs. Soll heißen: Dinge wie auslaufende Verträge sollen bis zur Winterpause nur eine untergeordnete Rolle spielen.

Nachdem am Montag neben dem Auslaufen vor allem Gespräche und Videoanalyse auf dem Programm standen, beginnt heute die Vorbereitung auf die Partie am Freitag in Bielefeld. Ein öffentliches Training und zwei geheime Einheiten hat Trainer Janßen Zeit, die richtigen Stellschrauben zu finden. „Die Zeit des Träumens und des Orientierens nach oben ist vorbei“, sagte Stöver. Jetzt muss die Botschaft nur noch in der Mannschaft ankommen, sonst drohen dem Sportchef weitere unruhige Nächte.