Hamburg. Boxbrüder Artem und Robert Harutyunyan starten am Sonnabend ihre Profikarrieren

Neuanfang? Nein, so würden sie es nicht bezeichnen. „Es ist immer noch dieselbe Sportart, nur dass wir jetzt länger und härter trainieren“, sagt Artem Harutyunyan. Ein neues Kapitel in ihrem Leben schlagen sie auf an diesem Sonnabend, so würden sie es formulieren. Auf der Charity-Boxgala des Vereins „Kampf deines Lebens“ (20 Uhr/Sky Sport News HD live und frei empfangbar) bestreiten die Hamburger Brüder vor 400 geladenen Gästen im „Work your Champ“-Gym an der Großen Elbstraße ihre Profidebüts. Artem (27) kämpft im Halbweltergewicht gegen den Spanier Avelino Vazquez, Robert (28) im Leichtgewicht gegen den Ungar n Mark Szoros.

Es ist ein Schritt ins Ungewisse angesichts des Desinteresses, das in Deutschland an ihren Gewichtsklassen herrscht. Aber er schien den im Kleinkindesalter aus Armenien geflohenen Topathleten alternativlos. Sie hätten im olympischen Boxen bleiben können, allerdings wäre die Per­spektive dort nur für Artem interessant gewesen. Seine Bronzemedaille in Rio 2016 rettete dem Deutschen Boxsport-Verband (DBV) die Fördergelder für den Zyklus bis Tokio 2020, seitdem galt er als Gesicht des Teams. Robert jedoch hätte es als Aktiver kaum zu den internationalen Großevents schaffen können. „Der DBV hat sehr großes Interesse gezeigt, mich als Trainer für die Nationalmannschaft einzustellen“, sagt er, „aber diese Zeit ist noch nicht gekommen. Ich will noch kämpfen!“

Sponsoren sorgen für eine finanzielle Grundsicherung

Da die Brüder niemals etwas täten, das dem anderen zum Nachteil gereichen könnte, entschieden sie, gemeinsam den Schritt zu den Profis zu gehen, mit allen Entbehrungen, die er mit sich bringt. Sie müssen zum 1. Dezember die Sportfördergruppe der Bundeswehr verlassen. Als Ersatz sorgen externe Sponsoren, die nicht genannt werden möchten, nun für eine finanzielle Grundsicherung. Für ihren Heimatverein TH Eilbeck dürfen sie auch nicht mehr starten, sind aber zu Ehrenmitgliedern ernannt worden. Und sie haben sich, auch wenn für ihre Gewichtsklassen Nord-/Mittelamerika und Großbritannien das Maß der Dinge sind, für den Verbleib in Hamburg bei Trainer Artur Grigorian entschieden, um nah bei den in der Schanze lebenden Eltern sein zu können. „Hier stimmt die Work-Life-Balance, Arbeit und Privates sind im Gleichgewicht, wir können uns voll auf unseren Job konzentrieren“, sagt Robert. Die Brüder, die lange eine Wohnung teilten, leben mittlerweile mit den Ehefrauen zusammen.

Hamburg soll ihre Basis bleiben, „am liebsten würden wir immer hier kämpfen, aber wir wollen mithelfen, das Boxen in ganz Deutschland wieder groß zu machen, deshalb sind wir für alle Angebote offen“, sagt Robert. Einen Promoter haben sie nicht, können deshalb jedes Angebot annehmen, das ihnen gefällt. Als Manager fungiert Ismail Özen, Ehemann von Versandhaus-Erbin Janina Otto und Gründer des Vereins „Kampf deines Lebens“, der sozial benachteiligten Kindern und Jugendlichen hilft. „Unsere Überzeugungen und Pläne decken sich mit denen von Ismail, deshalb haben wir ihn als Manager gewählt“, sagt Artem.

Ihre von der Stadt geförderte Funktion als Integrationsbotschafter, für die sie angesichts ihrer Lebensgeschichten prädestiniert sind, wollen sie weiterführen. Welches sportliche Ziel sie verfolgen können, bleibe abzuwarten. „Natürlich wollen wir Weltmeister werden. Aber erst einmal müssen wir nun bei den Profis Fuß fassen, bevor wir realistisch einschätzen können, was möglich ist“, sagt Artem. Das letzte Kapitel vor dem ersten aufzuschlagen, das wäre auch nicht ihr Stil.