Hamburg. Finanzvorstand Frank Wettstein erläutert den Jahresabschluss: 13 Millionen Euro Fehlbetrag, höchste Personalkosten aller Zeiten

Frank Wettstein wollte etwas erklären. Den Jahresabschluss der HSV Fußball AG für die Saison 2016/17 hat das Unternehmen am Dienstag offiziell veröffentlicht, nachdem er vorläufige Ergebnisse schon Ende Oktober vermeldet hatte. Da stehen tatsächlich Zahlen drin, die Fragen aufwerfen. Wie der Jahresfehlbetrag von 13,384 Millionen Euro zum Beispiel. Also bat der HSV zu einem Gespräch in den VIP-Bereich der Osttribüne im Volksparkstadion. Kronleuchter über einem langen Tisch, neugierige Zuhörer und ein Vortrag von Wettstein. „Der HSV bleibt eine Sanierungsaufgabe“, erklärte der Chef der Zahlen. Kein Sanierungsfall, sondern eben eine Aufgabe. Die kann man lösen. Das ist Wettsteins Job.

Das Zahlenwerk ist zunächst ein Schrecknis mit alarmierenden Kernziffern. 74 Millionen Euro Gesamtpersonalkosten. So teuer waren die kickenden, verwaltenden und managenden Angestellten noch nie in der Geschichte des Clubs. Der ursprüngliche Plan, die Kaderkosten zu reduzieren, ist grandios gescheitert. Natürlich hat das Gründe: Der Trainerwechsel von Bruno Labbadia zu Markus Gisdol samt der meisten Assistenten belastet diesen Etat ebenso wie der Wechsel von Dietmar Beiersdorfer zu Heribert Bruchhagen auf dem Vorstandsstuhl. In den Spielerkader wurde nach Platz zehn in der Saison 2015/16 noch einmal erheblich investiert – in der Hoffnung, dass sportliche Besserung eintreten würde. Das Ergebnis ist bekannt. Der Spielerkader war 52,6 Millionen Euro teuer. Die geplante Reduzierung vor dieser Saison auf etwa 48 Millionen Euro ist gescheitert. Die Spielergehälter stiegen in diesem Jahr weltweit stark an, auch in der Bundesliga werden selbst Durchschnittskicker immer teurer. So gibt der HSV für den aktuellen Kader rund 54 Millionen Euro aus.

Der HSV betont, die Liquidität sei die ganze Saison gesichert

105 Millionen Euro Verbindlichkeiten – eine weitere Zahl des Schreckens. Fast 30 Millionen mehr als im Jahr davor. Ja, aber, sagte Wettstein, 19,2 Millionen davon seien ein Darlehen zur Transferfinanzierung von Klaus-Michael Kühne. Und da gebe es ja einen Forderungsverzicht, wenn der HSV nach dieser Saison keinen internationalen Wettbewerb erreicht. Was wahrscheinlich ist. Wettstein: „So ist die Gesamtsumme der Verbindlichkeiten bei 85 Millionen anzusiedeln. Das ist immer noch zu viel. Das ist für uns beherrschbar, aber per­spektivisch werden wir an der Reduzierung arbeiten müssen.“

Ein Gedankenspiel dafür ist die mögliche Veräußerung des Stadionnamens, an dem Klaus-Michael Kühne bis 30. Juni 2019 die Rechte hat. Ob es danach weiterhin Volksparkstadion heißt, oder doch XYZ-Arena, je nachdem wer da einsteigt, weiß man noch nicht. Die Suche nach einem strategischen Partner, der sich beim HSV finanziell engagiert, ist jedenfalls bereits im Gange. Vielleicht möchte der ja auch Kühne Teile seiner 20-Prozent-Beteiligung abnehmen. Ein Verkauf von weiteren AG-Anteilen sei jedenfalls nicht vorgesehen. Heißt es jetzt.

Ein wesentlicher Teil der finanziellen Gesundung hängt natürlich vom sportlichen Erfolg ab. Das ist keine wirkliche Neuigkeit. Mit Platz zwölf hat Wettstein für die laufende Saison geplant. Möglich ist das noch, schwer wird es wieder. Der Verteilerschlüssel für die Fernseheinnahmen an die Bundesligisten bedeutet für jeden Platz im TV-Ranking mehr oder weniger rund 2,5 Millionen pro Jahr. Wäre heute die Saison beendet, würde der HSV Platz 14 in der TV-Tabelle belegen (die sich über einen mehrjährigen Zeitraum berechnet). Das hieße rund 38 Millionen Euro Ausschüttung. Der VfL Wolfsburg auf Platz zehn wäre mit 48 Millionen dabei und Tabellenführer Bayern München mit 63 Millionen. „Die Medienerlöse dominieren die Bundesliga mittlerweile dermaßen, dass wir nicht drum herumkommen, entweder den sportlichen Erfolg zu verbessern oder den Aufwand, den wir dafür betreiben, zu reduzieren“, erklärt Wettstein.

Ziel soll es sein, für die laufende Saison ein ausgeglichenes Ergebnis zu erreichen. Trotz des Aus in der ersten Runde des DFB-Pokals. „Da sind uns schon viele Striche durch die Rechnung gemacht worden.“ Dennoch habe der Club auch Geld auf der hohen Kante. „Wir haben tagesaktuell ein ausreichendes Polster zur Verfügung, das uns durch diese Saison ohne weitere Liquiditätsbedarfe fortschreiten lässt“, formulierte Wettstein. Was auch für das Lizensierungsverfahren für die nächste Spielzeit von großer Bedeutung ist – falls der HSV nicht absteigt.

Die Umsatzerlöse beliefen sich auf 122 Millionen Euro. „Wir haben uns bei den Umsatzerlösen, die nicht unmittelbar mit dem sportlichen Erfolg verbunden sind, in allen Kategorien in den letzten drei Jahren verbessert“, betonte der Finanzchef. Natürlich schwingt da ein Stück weit Eigenlob mit. Am 15. November 2014 hatte er seinen Job beim HSV angetreten. Die Lage soll mehr oder weniger desolat gewesen sein. „Der HSV ist eine Sanierungsaufgabe. Das gilt in wirtschaftlicher Hinsicht und insbesondere auch im Bereich der Organisation und Prozesse“, sagte Wettstein. „Wir haben große Schritte erreicht, sind aber mit Blick auf den Jahresabschluss sicher noch nicht am Ziel angekommen. Das Jahresergebnis isoliert betrachtet ist auf keinen Fall zufriedenstellend.“