Elmenhorst. Die 13 Jahre alte Boxerin ist in ihrer Altersklasse Deutsche Vizemeisterin. Dabei traineirt sie erst seit zwei Jahren.

Wäre da nicht das große Poster von Muhammad Ali über ihrem Bett, würde wohl niemand vermuten, dass Vanessa Fuß ein ungewöhnliches Hobby hat. „Der war schon ziemlich cool“, sagt die 13-Jährige mit Blick auf das Foto. Gemeinsam mit Vater Olaf sitzt sie oft im Wohnzimmer auf dem Sofa und schaut sich alte Kämpfe des Ausnahmeboxers im Fernsehen an. Die Beweglichkeit und Geschwindigkeit des Box-Idols aus den 1960er-Jahren begeistern den Teenager aus Elmenhorst noch heute.

„Auch Vanessa ist schnell und ihre Schläge treffen auf den Punkt“, sagt der stolze Vater. Im Oktober hat Vanessa bei den Deutschen Meisterschaften der Frauen und weiblichen Jugendklassen im olympischen Boxen in Cottbus in der Altersklasse „Kadettinnen“ die Silbermedaille in der Gewichtsklasse bis 54 Kilogramm gewonnen. In dieser Klasse geht ein Kampf über drei Runden à jeweils zwei Minuten.

Teenagerin boxt erst seit zwei Jahren

Der zweite Platz war ein großer Erfolg, denn Vanessa boxt erst seit zwei Jahren. Der Teenager lacht und sagt selbstbewusst: „Das war mein achter Wettkampf. Im nächsten Jahr möchte ich den Meistertitel gewinnen.“

Die Chancen dafür stehen gut, denn sowohl Vater Olaf als auch Trainer Frank Rieth von der Hamburger Sportschule Agon bescheinigen Vanessa „außerordentlich viel Talent“. In ihrer Altersklasse hat die Schülerin der Dietrich-Bonhoeffer-Schule in Bargteheide in kurzer Zeit viel erreicht: Berliner Meisterin, Gewinnerin des internationalen Frauenturniers in Bensheim, Hamburger Vize-Meisterin und jetzt auch deutsche Vize-Meisterin.

Vanessa trainiert auch zu Hause im Keller

Um diese Leistung zu erbringen, trainiert Vanessa bis zu fünf Mal in der Woche. Zwei bis dreimal davon in der Boxschule. Gerade das Training mit Gleichaltrigen und die sozialen Kontakte sind ihr wichtig. „Es gibt leider nur ein weiteres Mädchen im Jugendbereich“, bedauert Vanessa. Ihre Sparringskämpfe gehen daher häufig gegen jüngere Jungen des Vereins.

Die anderen Trainingseinheiten absolviert die Achtklässlerin im Keller der Doppelhaushälfte der Familie. Dort hat Vater Olaf, der eine C-Trainerlizenz hat, einen kleinen aber ausgetüftelten Fitnessraum errichtet. Auf Sandsäcke, Hanteln, Klimmzugstange und Springseil muss nicht verzichtet werden. Dazu gibt es eine Spezialanfertigung: Nach dem Prinzip des Punchingballs hat Olaf Fuß einen freischwingenden Tennisball zwischen zwei Seilen befestigt. „Damit verbessert Vanessa ihre Ziel- und Treffsicherheit und gleichzeitig ihre Schlaggeschwindigkeit“, sagt der 52-Jährige. Das zahlt sich aus. 190 Schläge auf den Sandsack in 30 Sekunden. „Das war Rekord bei einem Gewinnspiel. Ich habe ein neues Paar Turnschuhe gewonnen“, sprudelt es aus der Schülerin heraus.

Mutter ist vom Willen der Tochter beeindruckt

Was im heimischen Keller fehlt ist ein Boxring. Das 90-minütige Vater-Tochter-Training beschreiben beide als „komprimiertes Hardcore-Training“. Kraft und Schnelligkeit übt das Duo, indem es sich über eine halbe Stunde lang einen zwei Kilogramm schweren Medizinball zuwirft.

Anschließend folgt Schulterticken, eine Art Boxen, bei dem aber nur die Schulter des Gegners berührt werden darf. Noch 30 Minuten Seilspringen und Balanceübungen und das Trainingsprogramm ist abgeschlossen. „Das ist nichts für Schwächlinge“, sagt Mutter Cordula, die vom Willen und der Ausdauer ihrer Tochter beeindruckt ist.

Vater Olaf hat früher selbst geboxt

Vanessa weiß, was sie will. „Eigentlich möchte ich Profiboxerin werden, aber davon können nur die wenigsten leben“, so die Jugendliche, „Frauen-Boxen ist nicht so populär.“ Deshalb geht die Schule vor. Als dort bekannt wurde, dass Vanessa Box-Sport betreibt, bekam sie anfangs böse Kommentare wie „Mannsweib“ zu hören. Je erfolgreicher sie kämpft, desto mehr Respekt zollen ihr die Mitschüler. „Gerade die Jungen waren am Anfang doof. Aber das war bestimmt nur versteckte Bewunderung“, weiß sie heute.

Dass die 13-Jährige sich so selbstbewusst präsentiert, war nicht immer so. „Boxen ist ein großartiger Sport, der von den Athleten viel Disziplin und gegenseitigen Respekt abverlangt“, sagt Vater Olaf. Er weiß wovon er spricht, hat er doch früher selbst geboxt. Angst, dass sich ihre Tochter verletzten könnte, haben die stolzen Eltern keine. Die Devise von Familie Fuß lautet: „Wichtig ist, kontrolliert zu boxen. Lieber einen Schritt zurückgehen, als sich verprügeln zu lassen.“ Das besprechen Vater und Tochter auch, wenn sie später die Videoaufnahmen von Vanessas Kämpfen analysieren.

Wenn nicht trainiert oder gekämpft wird, zeichnet Vanessa gern, trifft sich mit ihren Freundinnen und schaut Filme auf YouTube an. Diese unterscheiden sich dann allerdings doch von denen anderer Teenager. Vanessa schaut am liebsten Videos über die irische Boxerin und fünffache Weltmeisterin Katie ­Taylor.