KÖln. Toni Kroos kehrt gegen Frankreich ins Team zurück – der 27-Jährige ist unumstrittener Spielgestalter

Viel mehr als eine Bretterbude ist es nicht. Serviert wird das große Kölsch dort in der Flasche. Einsfünfzig. Wenn es gut läuft, sind noch Frikadellen da. Die städtischen Tennisplätze am Stadtwald in Köln werden gern von Studenten frequentiert. Und gelegentlich eben auch von einem jungen Mann namens Toni Kroos. In Köln hat der 27-Jährige seine eher heimliche zweite Heimat gefunden. Eine, die sicherlich auch schickere Anlagen für ihn bereit- gehalten hätte, wo gut verdienende Tennis-Accessoires-Verwender auf dem Platz stehen. Aber dort, wo Kroos spielt, ist er das, was er auf dem Fußballplatz nicht ist: einer von vielen, normal, gewöhnlich.

Es gäbe nicht viele, wiederholte Bundestrainer Joachim Löw zuletzt, die ihr Plätzchen für die WM 2018 schon jetzt, mehr als ein halbes Jahr vor dem Turnier, sicher hätten, aber über einen wie Kroos „müssen wir nicht reden“, er gehöre zu „unserer Achse und zu den Führungsspielern“. Indiskutabel gut ist dieser Kroos, und wenn am Dienstagabend (20.45 Uhr/ARD live) das letzte Länderspiel des Jahres der deutschen Mannschaft gegen Frankreich in jenem Köln ansteht, dann wird Kroos nach überstandener Magenverstimmung in der Startformation stehen. Und das deutsche Spiel wieder so gestalten, wie nur er es bei aller Konkurrenz kann.

Kroos ist der, der die Räume im Spiel nach vorn auswählt, der seinen Mitspielern Pässe in die Füße spielt, die dort mit bemerkenswerter Sicherheit auch ankommen. Kurz, lang, hoch, flach, schnell, langsam. Kroos ist der König des Passes. In der Nationalelf, aber auch bei seinem Arbeitgeber, bei Real Madrid, den Königlichen, dem nobelsten Club dieses Planeten.

Kroos spielte so viele Pässe wie der Kader von Andorra

In den vergangenen vier Jahren war der Deutsche der Spieler in der Champions League, der die meisten Pässe an den Mann brachte. In der abgelaufenen WM-Qualifikationsphase spielte kein anderer Profi, egal welcher Nationalität, mehr Pässe als Toni Kroos (826). 776 davon kamen laut dem offiziellen Statistikbüro Opta an. Das sind mehr, als der gesamte Kader von Andorra (754) in dieser Zeit zusammenkombinierte. Herausragende Daten, die Kroos zu dem machen, was er ist: einer der Besten in der Welt. Seit er das allen bewiesen hat, vielleicht auch sich selbst, wirkt er gelöster, gelassener.

Früher umgab ihn ein doch recht spröder Charme, schon seit einiger Zeit ist er geradezu unterhaltsam. Ob er sich an den deutschen WM-Triumph 1990 erinnern könne, wurde er vor wenigen Tagen in einer kleinen Talkrunde mit Nationalmannschaftskollegen gefragt. Da könne er ja nun richtig weit ausholen, sagte er, schließlich sei er zu diesem Zeitpunkt, anders als seine noch jüngeren Vorredner, schon ein halbes Jahr alt gewesen. Gelächter. Eine Pointe, zielgenau wie einer seiner Pässe. Nächstes Beispiel?

Kroos sitzt am Montag in der ersten Etage des Mannschaftshotels in Köln. Breite Fensterfront, Blick auf Rhein und Dom. Am Abend konnte Italien seine letzte Chance auf die WM im entscheidenden Spiel gegen Schweden verspielen. Ein Konkurrent um den Titel weniger. Sie haben doch sicher am Abend Schweden die Daumen gedrückt, Herr Kroos?

„Eine starke Nation mehr oder weniger – darauf kommt es nicht an“, sagt er: „Ich finde das auch nicht so spannend, muss ich ehrlich sagen.“ Um zu sagen, was man denkt, muss man sich emanzipieren von dem, was andere mutmaßlich hören wollen. Kroos hat das längst getan. Und vermutlich ist es ihm tatsächlich egal, ob Italien nun dabei ist oder nicht. Weil er weiß, dass Deutschland, dass er stark genug ist, es mit jedem Gegner aufzunehmen.

Ein Filmproduzent will Kroos’ Leben ins Kino bringen

Dreimal hat er bereits die Champions League gewonnen, einmal mit dem FC Bayern München (2013), zweimal zuletzt mit Real Madrid (2016 und 2017). Kein Deutscher hat diesen Pokal häufiger geholt. Weltmeister ist er 2014 geworden. Nun soll sein Leben sogar ins Kino kommen. Filmproduzent Leopold Hoesch, bekannt durch die Dokumentation über die Karriere des Basketball-Stars Dirk Nowitzki („Der perfekte Wurf“) will ein Werk über ihn auf die Leinwand bringen. „Er ist an mich herangetreten. Ein paar Szenen sind schon probeweise gefilmt worden“, berichtet Kroos nicht ohne Stolz: „Ich freue mich, zum Kreis der wenigen Sportler zu zählen, deren Leben verfilmt wird.“ Offizieller Drehbeginn ist im Dezember.

Ein Drehort dürfte auch Köln sein. Die Stadt wuchs ihm ans Herz, als er einst für Leverkusen spielte und in der großen Nachbarstadt wohnte. Sie hat ihn nicht mehr losgelassen, er zog sie München und auch seiner Heimat Greifswald vor. „Vom Gefühl und vom Anschluss her habe ich mich hier in Köln ein bisschen wohler gefühlt“, sagt er. Ein Haus hat er sich deshalb dort gekauft. Und Tennis geht er gern spielen. Aber für den Fall, dass er es auf einen Karriereausklang beim derzeit doch arg darbenden FC abgesehen haben sollte, schwant ihm selber, dass sich Profi und Verein in eine grundsätzlich andere Richtung bewegen. „Ich habe hier meinen Zweitwohnsitz. Mit dem Erstwohnsitz wird es wohl nichts mehr werden, höchstens vielleicht nach der Karriere.“

DFB: Trapp – Kimmich, Hummels, Süle – Rudy, Khedira, Kroos, Plattenhardt – Stindl, Özil – Wagner.
Frankreich: Mandanda – Jallet, Varane, Umtiti, Digne – Rabiot, Tolisso, Matuidi – Griezmann, Lacazette, Mbappé.