Mexiko-Stadt. Der beliebteste Fußballer des Landes, Rafael Márquez, steht unter Verdacht, der Drogenmafia geholfen zu haben

Es war eine Rückkehr, als sei er nie fort gewesen. Am 28. Oktober führte Rafael Márquez in Mexikos erster Liga sein Team Atlas Guadalajara gegen Querétaro als Kapitän aufs Feld, spielte wie immer effektiv und unauffällig. Seine 38 Jahre merkte man Márquez auch in dieser Begegnung nicht an. Dass etwas anders war als sonst, ließ sich lediglich an der Herzlichkeit ablesen, mit der nach der Partie Mitspieler und Gegner Márquez in den Arm nahmen.

Fast zweieinhalb Monate hatte der Spielführer der mexikanischen Nationalmannschaft keinen Fußball gespielt, sondern an einer anderen Front gekämpft. Denn am 10. August rückten US-Fahnder den Spieler in die Nähe des organisierten Verbrechens. Márquez soll für den Rauschgifthändler Raúl Flores Hernández in großem Stil Geld gewaschen haben. Das Finanzministerium in Washington fror Márquez’ Konten in den USA ein, beschlagnahmte seine Güter und annullierte sein Visum. Der Vorwurf: In neun Firmen und Stiftungen des Kickers soll schmutziges Geld von Flores stecken.

Márquez, der in Europa beim AS Monaco (1999–2003), dem FC Barcelona (2003–2010) und Hellas Verona (2014–2016) spielte, ist einer der wenigen mexikanischen Profis, die im Ausland langfristig reüssiert haben. Dementsprechend himmelt das fußballverrückte Land den Spieler an, der daheim in Anlehnung an Franz Beckenbauer nur ehrfürchtig „Kaiser“ genannt wird.

Der Fall Márquez wirft den Fokus auf ein Thema, über das in Mexiko kaum jemand redet: Steckt schmutziges Geld auch im Fußball? Edgardo Buscaglia hat keinen Zweifel: „Der Fußball in Mexiko ist ein Paradies für Geldwäsche“, sagt der Experte von der New Yorker Columbia-Universität.

Der Fußball bewegt in Mexiko so viel Geld wie nirgends anders in Lateinamerika. Aber die Clubs, die oft großen Unternehmen oder Milliardären gehören, werden staatlich kaum stärker reguliert als kleine Dorfvereine. „Anders als bei Banken, Wechselstuben, Wettbüros, Immobilienmaklern und Spielcasinos finden die Geschäfte im Fußball praktisch ohne Finanzaufsicht statt“, erklärt Buscaglia. Dabei sei der Kauf und Verkauf von Spielern nur ein Teil, in dem Geld bewegt werde. Die Clubs sind im Bau- und Textilsektor und im Dienstleistungsbereich tätig. All das sind schönste Spielplätze für Geldwäsche. „Wenn man bedenkt, dass Mexiko nach China und Russland weltweit die drittgrößte Ökonomie mit schmutzigem Geld ist, kann man leicht ahnen, wie es in den Finanzen des Fußballs aussieht“, unterstreicht er.

Es ist in Mexiko ein offenes Geheimnis, dass die Organisierte Kriminalität alle gesellschaftlichen Bereiche durchdrungen hat. Nach Schätzungen des mexikanischen Finanzministeriums und der Bankenaufsicht CNBV wurden allein vergangenes Jahr 50 Milliarden Dollar im Land gewaschen. Man muss davon ausgehen, dass ein Teil davon in den Fußball-Kreislauf injiziert wurde.

Die Financial Action Task Force on Money Laundering (FATF), eine Organisation von G 7 und OECD zum Kampf gegen Geldwäsche, hat schon 2009 darauf hingewiesen, dass der Fußball besonders anfällig für kriminelle Aktivitäten sei. „Fußballvereine sind in den Augen Krimineller das perfekte Instrument zur Geldwäsche“, heißt es in dem Bericht. Nach Recherchen des mexikanischen Sportportals „Cámara Húngara“ auf Basis der FATF-Untersuchung liegen 54 Prozent der mexikanischen Erst-, Zweit- und Drittligaclubs in Gegenden, die unter dem Einfluss der Organisierten Kriminalität stehen.

Rafael Márquez will 2018 seine fünfte WM spielen

Die mexikanische Clubstruktur gleicht dem US-Sport. Ein Großteil der 18 Erstligateams sind Aktiva von Großunternehmen oder Spielzeuge von Superreichen. Mexikanische Fußballclubs werden gerne von einer Stadt in eine andere verlegt, wenn dort mehr Geld zu verdienen ist. In Mexikos zweiter und dritter Liga wechseln pro Jahr durchschnittlich zehn Teams ihren Sitz. Sie folgen dem Ruf des Geldes – sauber oder schmutzig.

Auch in der ersten Liga gibt es Vereine, bei denen die Nähe zu dubiosen bis kriminellen Geldgebern offensichtlich ist. Guillermo Cantú, Generalsekretär des Fußballverbands Femexfut, sieht das natürlich anders: Der Verband prüfe immer genau, wer die Eigentümer der Clubs sind. „Wir haben da hohe Hürden“, versichert Cantú.

Der Fall Rafael Márquez ist ein besonderer. Kein Fußballer hatte ein solches Image als Superstar und Saubermann. Bei keinem Spieler waren die Vorwürfe so konkret und detailliert. 2018 würde Márquez für Mexiko gerne seine fünfte WM spielen – der Trainer schließt das nicht aus. Doch der Verband hat vier Vorbereitungsspiele in den USA vereinbart. Die müssen ohne den Kapitän stattfinden – er darf US-Boden nicht betreten.