Buxtehude. Nur noch 22 Tage bis zur Frauenhandball-WM in Deutschland. Die Final4-Tickets für Hamburg sind fast ausverkauft

Emily Bölk (19) entdeckte vor kurzem mit ihrer Mutter Andrea (48) auf YouTube die Spiele der Frauenhandball-WM 1993 in Norwegen. „Wir haben uns das Finale gegen Dänemark in voller Länge reingezogen. Es war besonders für Mama sehr emotional, weil sie sich selbst noch nie hatte spielen sehen“, erzählt die Tochter am Mittwoch in Buxtehude, 23 Tage vor dem Start der Heim-WM. 1993 hatte Andrea Bölk den einzigen WM-Titel mit der Frauen-Nationalmannschaft der BRD gewonnen. „Der Handball war sehr anders, aber ich habe mir das gern angeguckt“, sagt Emily Bölk über das dramatische 22:21 nach Verlängerung.

Vom 1. bis 17. Dezember bei der WM im eigenen Land mit dem Final4 in der Hamburger Barclaycard-Arena, „vor den Toren Buxtehudes“ (Bölk), wollen die DHB-Damen wieder Geschichte schreiben. „Wenn wir das Halbfinale nicht erreichen, wären wir enttäuscht, weil wir seit eineinhalb Jahren alles auf dieses Projekt ausgerichtet haben“, sagt Lone Fischer. Die Linksaußen (40 Länderspiele/74 Tore) gehört wie die Rückraumlinke Bölk (18/44) zu einem Quartett des Bundesligisten Buxtehuder SV im vorläufigen 28er-WM-Kader von Bundestrainer Michael Biegler. Beide gelten als gesetzt. Auch die Rückraumrechte Friederike Gubernatis (13/9), vor einem Monat für die verletzte Thüringerin Anne Hubinger nachnominiert, hat gute Chancen aufs WM-Ticket.

Nur für Rechtsaußen Maike Schirmer (7/7) wird es wohl nicht reichen. Für das auf 24 Frauen reduzierte Aufgebot der am 12. November beginnenden WM-Vorbereitungslehrgänge in Rotenburg/Fulda und Leverkusen sowie die zwei letzten Tests in Bratislava gegen die Slowakei (24. November) und in Dresden gegen Island (25. November) ist Schirmer nur Reservistin auf Abruf. Am Mittwoch beim letzten Pressetermin der Buxtehuder Nationalspielerinnen vor der WM fehlte sie berufsbedingt – und irgendwie symbolisch.

Für den Abschlusslehrgang in Leipzig ab 27. November, dem Austragungsort des Eröffnungsspiels gegen Kamerun, wird sich Biegler auf seine 20 „Ladys“ festlegen, die dann auch während der WM zusammenbleiben. Zwar werden nur 16 nominiert, aber zwei Frauen können im Turnierverlauf getauscht werden. „,Beagle’ möchte, dass die Spielerinnen dann vor Ort und im Trainingsrhythmus sind und die Abläufe kennen“, erläutert Bölk. Sie und Fischer sprechen begeistert vom ehemaligen HSV-Männercoach. „Er ist ein spezieller Typ. Nach außen hat er eine Ausstrahlung als harter Hund, aber er kann sehr witzig sein“, sagt Fischer. „Und er hatte von Anfang an einen Plan für das WM-Projekt. Er hat aus uns ein Team geformt, das menschlich und spielerisch ein echtes Team ist. Und wir haben Konzepte und Strukturen, an die wir uns im Spiel halten.“ Biegler erlebte bereits als Polens Männernationalcoach eine Heim-EM, wo die Polen als Siebter hinter den hohen Erwartungen blieben. „Er hat uns viel von diesen Erfahrungen erzählt und uns darauf vorbereitet, was auch an Medienandrang auf uns zukommt“, sagt Bölk. Ganz bewusst habe der 56-Jährige den Tag des Handballs am 19. März in der Barclaycard-Arena angesetzt. Bölk: „Er wollte, dass wir schon diese Bilder im Kopf haben.“

Die Final4-Tickets sind fast ausverkauft. Zurzeit sind keine mehr verfügbar. In eineinhalb Wochen sollen Rückläufer anderer Verbände kommen. „Der Druck auf die Veranstaltung ist groß. Wir haben schon eine Warteliste“, sagt eine Sprecherin des lokalen Organisationskomitees.

Auf der BSV-Geschäftsstelle steht noch ein altes, schon gewelltes Schild. Darauf steht: „Wir grüßen die Weltmeisterinnen.“ Gemeint waren Andrea Bölk und Heike Axmann 1993. Emily Bölk hat eine Idee: „Das könnten wir ja recyclen.“ (ira)