Hamburg. Das Versprechen lautete „Gerechtigkeit“ – doch Spieler, Fans und Schiedsrichter sind vor allem verunsichert

Der Deutsche Fußball-Bund gerät durch das Chaos, die vielen Unklarheiten und die ständigen Diskussionen beim Thema Videobeweis immer stärker unter Druck. Der planlose Umgang mit einem Projekt, das im Sommer mit großen Hoffnungen gestartet wurde, hat in weniger als drei Monaten eine große Skepsis bei den Vereinen und eine noch größere Verunsicherung bei den Schiedsrichtern ausgelöst. Augsburgs Manager Stefan Reuter fordert einen runden Tisch aller Beteiligten. Gladbachs Trainer Dieter Hecking kritisierte die Debatten über den Videobeweis: „Es wäre gut für den Fußball, aber ich glaube, dass er zur Winterpause eingestellt wird. Wir tun alles dafür, dass er nicht kommt.“

Ganz so weit ist es noch nicht. Die Bundesliga befindet sich in einer einjährigen Testphase. Und eine Entscheidung über die endgültige Einführung des Videobeweises wird im März 2018 auf Fifa-Ebene gefällt.

Aber als wäre die Aufregung nicht schon groß genug, steht seit dem Wochenende auch noch ein massiver Vorwurf im Raum: Die „Bild am Sonntag“ berichtet, dass der Schiedsrichter-Funktionär Hellmut Krug in seiner Funktion als Projektleiter Videobeweis und Supervisor an einem Bundesliga-Spieltag zweimal in die Entscheidung des zuständigen Video-Assistenten eingegriffen haben soll. Beide Entscheidungen kamen im Spiel gegen Wolfsburg dem FC Schalke 04 zugute, aus dessen Stadt Gelsenkirchen auch der frühere Fifa-Referee kommt.

Parteiisch? Schwere Vorwürfe gegen Hellmut Krug

Krug und auch der beteiligte Video-Assistent Marco Fritz wiesen das jedoch zurück. „Bei allen Spielsituationen, die im Review Center in Köln gecheckt werden, liegt die Entscheidung, ob ein Eingriff erfolgt oder nicht, beim Video-Assistenten. Dies war auch in den besagten Szenen der Partie Schalke gegen Wolfsburg so“, sagte Fritz am Sonntag in einer vom DFB verbreiteten Erklärung. Wolfsburgs Sportdirektor Olaf Rebbe äußerte sich vor dem Sonntagabend-Spiel gegen Hertha BSC zurückhaltend. „Generell haben wir großes Vertrauen in den DFB und das Schiedsrichterwesen, dass das lückenlos aufgeklärt wird“, sagte er im TV-Sender Sky.

Aber auch dieses Beispiel zeigt: Verfolgt man die größten Probleme beim Thema Videobeweis zurück, landet man immer bei den Verantwortlichen für das Projekt und damit beim DFB. Am Anfang der Saison funktionierte die Kommunikation zwischen Schiedsrichter und Video-Assistent nicht, auch weil sich die Vorbereitungen als völlig unzureichend erwiesen. In der vergangenen Woche kam dann noch die Verwirrung um die Befugnisse des Video-Schiris hinzu.

Zu Beginn hieß es: Er darf nur eingreifen, wenn der Spielleiter auf dem Feld einen schweren Fehler begangen hat. Dann wurde diese Regelung nach dem fünften Spieltag aufgeweicht, ohne die Vereine zunächst darüber zu informieren. Nach der Aufregung darüber verfügte DFB-Präsident Reinhard Grindel persönlich eine Rolle rückwärts und betonte im ZDF-Sportstudio noch einmal: „Die Entscheidung trifft immer der Schiedsrichter auf dem grünen Rasen.“

Genau gegen dieses Hin und Her begehren die Clubs nun auf. Die Verantwortlichen sollten „nicht nur quatschen, sondern entscheiden“, sagte Frankfurts Sportvorstand Fredi Bobic. „Wir wollen den Videobeweis. Es wird mir aber noch zu viel diskutiert. Es ist ein ständiges Hin und Her.“

Darunter leiden auch die Schiedsrichter selbst. Der Video-Assistent entscheide mittlerweile, „was auf dem Platz passiert, und das ist falsch“, sagte der frühere Fifa-Referee Bernd Heynemann am Sonntag in der TV-Sendung „Doppelpass“ von Sport1. „Es kann nicht sein, dass der Schiedsrichter auf dem Platz die arme Sau ist.“

Auch Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke meinte: „Der Videobeweis soll gemacht werden. Aber es muss auch klar sein, wie er gehandhabt wird. Es muss objektiv sein.“ So könne es jedenfalls nicht weitergehen. „Es muss dringend etwas passieren.“ Auch dass bei Roten Karten eingegriffen werden dürfe, bei Gelb-Roten (wie der fälschlicherweise gegebenen gegen den Stuttgarter Burnic beim Spiel in Hamburg) aber nicht, das versteht kaum einer.

Reuter will runden Tisch in der Länderspielpause

Der Augsburger Manager Stefan Reuter sieht das genauso und fordert den DFB deshalb dazu auf, die zweiwöchige Länderspielpause für einen runden Tisch zu nutzen. „Es ist zwingend erforderlich, dass wir uns da zusammensetzen“, sagte der Weltmeister von 1990. „Ich glaube, dass so was in der gesamten Gruppe diskutiert werden müsste. So wie es aktuell läuft, das macht echt keinen Spaß mehr.“