Zhuhai. Die Tennisspielerin aus Bad Oldesloe gewinnt die B-WM und klettert auf Weltranglisten-Position 14

Auf Julia Görges wartete nach dem traumhaften Saisonabschluss ein Küsschen von Steffi Graf (48). Die deutsche Tennislegende überreichte Görges als Turnierbotschafterin einen Strauß Blumen – und war sichtlich gerührt vom Triumph ihrer Landsfrau bei der WTA Elite Trophy im chinesischen Zhuhai. Wie auch Görges selbst. „Das war ein ganz besonderer Moment für mich. Es ist unbeschreiblich, was in den vergangenen Wochen passiert ist“, sagte die 29 Jahre alte Bad Oldesloerin bei der Siegerehrung. „Ich kann mir kein besseres Ende der Saison vorstellen.“

Mit einem Sieg beim Topwettbewerb in Moskau hatte sich Görges erst in letzter Minute die Qualifikation für die B-Weltmeisterschaft der zwölf Spielerinnen von Platz neun bis Rang 20 in der Weltrangliste erkämpft. Und dort machte sie einfach weiter mit dem Siegen und Feiern: Ohne Satzverlust holte sie den Titel, schaffte beim 7:5, 6:1 im Finale gegen die Amerikanerin Coco Vandeweghe, die Nummer zwölf der Welt, ein bemerkenswertes Comeback nach 2:5-Rückstand in Satz eins. Den Matchball verwandelte Görges standesgemäß für ihre Dominanz mit einem krachenden Returnwinner.

Becker und Rittner twitterten Glückwünsche

Steffi Graf war im Publikum Zeugin des starken Auftritts der Schleswig-Holsteinerin – und voll des Lobes: „Ein großartiges Match, ein toller Abschluss für Julia. Sie hat in den letzten Wochen ganz tolles Tennis gezeigt.“

Ein dickes Kompliment gab es auch von Barbara Rittner. „Hammergeil, Team Jule!!! Da kommt noch mehr“, twitterte die Chefin im deutschen Damentennis. Auch Boris Becker gratulierte über den Kurznachrichtendienst: „Sagenhaft, Mädchen.“

Noch auf dem Court nach ihrem Triumph bei der mit 2,28 Millionen US-Dollar dotierten WTA Elite Trophy drückte Görges ihren Trainer Michael Geserer sowie ihren Fitnesscoach und Physiotherapeuten Florian Zitzelsberger lange an sich. Ein Bild des „Teams Jule“ mit Symbolcharakter. „Ich möchte meinem Team von Herzen danken. Wegen euch stehe ich hier und schaue auf ein Jahr mit zwei Turniersiegen zurück“, sagte die neue Weltranglisten-14. Sie erreichte damit wenige Tage nach ihrem 29. Geburtstag das höchste Ranking ihrer Karriere. Ihre bisher beste Platzierung – Platz 15 – datierte vom 5. März 2012.

2011 hatte Görges als erste Spielerin aus der neuen Generation des deutschen Damentennis ein großes Turnier, den Porsche Grand Prix in Stuttgart, gewinnen können. „Dass man Stuttgart als Deutsche gewinnt, ist etwas Besonderes, das hatte davor nur Anke Huber geschafft, nicht mal Steffi Graf. Das war etwas Außergewöhnliches zu der Zeit, das in Deutschland einen kleinen Boom ausgelöst hat“, erinnerte sich Görges kürzlich, hob aber auch die Erfolge ihrer deutschen Fedcup-Kolleginnen hervor. „Natürlich hatte Angie Kerber als Nummer eins und mit den zwei Grand-Slam-Titeln ihren Anteil auf einem ganz anderen Niveau .“

Sie selbst hatte die hohen Erwartungen nach dem Stuttgart-Triumph in den darauffolgenden sechseinhalb Jahren nicht erfüllen können, abgesehen von Topleistungen im Fedcup. Andere, wie Kerber und Andrea Petkovic, zogen an ihr vorbei.

Erst als Görges vor zwei Jahren ihr Leben auf den Kopf stellte, kam neue Bewegung in ihre Karriere. Sie beendete die sieben Trainerjahre an der Seite von Sascha Nensel, zog von Hannover nach Regensburg und entschied sich für den leisen, unaufgeregten Geserer. Das „Team Jule“ verstand sich als Langzeitprojekt. Geserer: „Im Tennis wird zu oft hektisch hin und her geschwankt. Mit Personen und Strategien. Das wollten wir nicht.“

Im Vorjahr war Görges noch beim WTA-Tourfinale der besten acht in Singapur als Doppelspielerin dabei und zu Jahresbeginn nur die Nummer 54 im Einzel. Aber sie bestach in dieser Saison durch Konstanz. Schon vor Moskau hatte sie in drei Endspielen gestanden: auf Mallorca, in Bukarest und Washington.

In der russischen Hauptstadt platzte der Knoten nach zuvor sechs verlorenen Finals in Folge. „Es ist das beste Tennis meiner Karriere“, sagte Görges – und mit Blick auf 2018: „Es gibt keine dominierende Spielerin mehr. Jede kann Turniere und Grand Slams gewinnen. Das gibt allen Spielerinnen Mut und Motivation, noch härter zu arbeiten.“ Für diese „andere Jule“, wie sie sich selbst nennt, sind auch Grand-Slam-Siege nicht mehr außer Reichweite.