Hamburg. St. Paulis Stürmer könnte in Berlin eine Option sein. Kooperationsprojekt ist beim Niendorfer TSV gestartet

Olaf Janßen gerät geradezu ins Schwärmen, wenn er vom nächsten Gegner seines FC St. Pauli spricht. „Für mich ist Union Berlin im Moment die stärkste Mannschaft der Zweiten Liga“, sagte der Cheftrainer am Donnerstag, zwei Tage vor dem Aufeinandertreffen im bereits ausverkauften Stadion an der Alten Försterei im Berliner Stadtteil Köpenick. „Das Team lässt einem kaum Luft zum Atmen. Es ist in der Defensive so stabil wie wir, hat aber doppelt so viele Tore erzielt“, sagte Janßen weiter.

Doch anstatt voller Respekt vor dem aktuellen Tabellenvierten zu erstarren, verrät Janßen über den Gefühlszustand seiner Mannschaft: „Wir freuen uns tierisch auf das Spiel.“ Ein Grund dafür neben der herausragenden Atmosphäre mit rund 2500 St.-Pauli-Fans ist allein die offensiv ausgerichtete Spielweise der Berliner. Während St. Pauli größere Probleme mit defensiv orientierten Teams hat, so konnten in dieser Saison schon die Spiele bei den mutig nach vorn spielenenden Mannschaften von Bochum, Nürnberg, Kiel und zuletzt Braunschweig gewonnen werden.

„Wir müssen unsere DNA durchsetzen und dürfen nicht vor dem Ball weglaufen, sondern müssen ihn auch haben und selbst mit ihm nach vorn spielen wollen. Dann werden sich Räume ergeben“, sagte Janßen am Donnerstag.

Ein Hoffnungsträger bei diesem Vorhaben könnte dabei in der womöglich entscheidenden Schlussphase Stürmer Aziz Bouhaddouz sein. Der interne Torschützenkönig der vergangenen Saison hat seit drei Tagen wieder mit der Mannschaft trainiert, am Donnerstag mischte er nach überwundener Wadenverletzung auch im Spiel acht gegen acht voll mit. „Er hatte bis jetzt keine Probleme mit der Belastung. Ich weiß aber noch nicht, ob er eine Option für die Bank ist“, sagte Janßen zwar. Dann aber strich er heraus, dass Bouhaddouz mit seiner körperlichen Präsenz und Kopfballstärke die Berliner Defensive vor Probleme stellen könnte. Entscheidend wird sein, wie sich der Marokkaner beim Abschlusstraining fühlt.

Unterdessen ist das Kooperationsprojekt des FC St. Pauli mit 23 Amateurvereinen gestartet. Dabei bietet der Kiezclub auf sportlicher Ebene einen Wissenstransfer an. Am Mittwochabend gab es die erste größere Veranstaltung im Lington’s, dem Vereinsheim des Niendorfer TSV. 16 Trainer, darunter eine Frau, und Abteilungs­leiter Carrel Segner waren vonseiten der Niendorfer gekommen, um sich zum Thema Mentaltraining und Sportpsychologie fortzubilden.

Vom FC St. Pauli waren Roger Stilz, der sportliche Leiter des Nachwuchsleistungszentrums (NLZ), der seit acht Jahren bei St. Pauli beschäftigte Sportpsychologe Michael Schirmer und der seit dem 1. August bei St. Pauli angestellte Mentalcoach Daniel Klewer, ehemals Profitorwart in Rostock und Nürnberg sowie 2007 DFB-Pokalsieger, vor Ort. Sie berichteten erstaunlich offen und mit anschaulichen Bildern und einigen Videos darüber, welche Inhalte im NLZ des Zweitligaclubs das Mentalcoaching umfasst. „Das sportpsychologische Training soll zur Leistungssteigerung, Persönlichkeitsentwicklung und zum psychischen, aber auch physischem Wohlbefinden beitragen. Ziel ist, dass der einzelne Spieler lernt, mit Stress umzugehen und sein volles Leistungspotenzial sowohl im Training als auch im Spiel abrufen kann“, sagte Klewer. Allgemein gelinge es heute nur 20 Prozent aller Athleten, im Wettkampf ihre mögliche Bestleistung zu erzielen.

Im Auditorium waren die Coaches von der U 12 bis zur Oberligamannschaft des Niendorfer TSV vertreten. „Der Abend war für unsere Trainer sehr aufschlussreich. Wir empfinden es als Ehre, dass der FC St. Pauli mit Fachleuten zu uns gekommen ist, die uns ihr Wissen vermittelt haben“, sagte Carrel Segner. „Wir sehen uns im Hamburger Fußballnachwuchs als dritte Kraft hinter den beiden Proficlubs. Diese Position möchten wir stabilisieren“, sagte der Abteilungsleiter weiter.

Aktuell ist der Stadtteilverein mit drei Herrenteams in den drei höchsten Hamburger Spielklassen (Oberliga, Landesliga, Bezirksliga) vertreten, dazu kommt das U-19-Team, das sich in der A-Junioren-Bundesliga als Aufsteiger auf Rang zehn achtbar schlägt. Bei den B- und C-Junioren spielt Niendorf jeweils in der Regionalliga.