Schwerin. Supermittelgewichtler überrascht bei Punktsieg in der Muhammad-Ali-Trophy gegen Rob Brant mit seiner Physis

Es mag abgegriffen sein, dieses Sprichwort vom guten Pferd, das nur so hoch springt, wie es muss. Aber nachdem Jürgen Brähmer in der Nacht zu Sonnabend in der Schweriner Kongresshalle das Viertelfinale der World Boxing Super Series gegen Rob Brant (USA) einstimmig (119:109, 118:110, 116:112) nach Punkten gewonnen hatte, kam es einem unweigerlich in den Kopf. Etwas zerbeult sah es aus, das Paradepferd des Sauerland-Boxstalls, doch wer weiß, dass Brähmers anfällige Gesichtshaut schon reißt, wenn man ihn nur scharf anschaut, der musste sich über die Kampfspuren rund um die Augen des Siegers nicht wundern.

Wundern durften sich die 5000 Fans vielmehr darüber, mit welcher Souveränität der 39-Jährige sich gegen den zwölf Jahre jüngeren und in 22 Profikämpfen unbesiegten Herausforderer durchzusetzen vermochte. Vor allem konditionell war Brähmer, der ein Jahr nicht im Ring gestanden und einen Bandscheibenvorfall sowie eine Muskelverletzung im Arm-Schulter-Bereich auskuriert hatte, seinem Kontrahenten überlegen, und das überraschte dann doch. Immerhin war die Physis in einigen vorangegangenen Kämpfen das Problem des ehemaligen Halbschwergewichtsweltmeisters gewesen. Dass er sich in seiner ursprünglichen Gewichtsklasse, dem Supermittelgewicht, in die er zur Teilnahme an dem in zunächst zwei Gewichtsklassen ins Leben gerufenen Turnier hatte absteigen müssen, zu Hause fühlt, konnte jeder sehen. „Körperlich habe ich mich so gut wie noch nie gefühlt. Natürlich war da noch etwas Ringrost, ich war anfangs auch zu fest, weil ich es besonders gut machen wollte. Aber nach hinten heraus habe ich es mit meiner Erfahrung nach Hause geboxt“, sagte Brähmer.

Der Vergleich mit dem Pferd drängte sich auf, weil Brähmer kein Risiko eingehen musste, um Brant zu besiegen. Es fehlte dem Kampf an Spannung, weil der US-Amerikaner nach mutigem Beginn feststellen musste, einen Gegner mit der Qualität und Erfahrung, die der in 52 Profikämpfen nun 49-mal siegreiche Deutsche verkörpert, noch nie vor den Fäusten gehabt zu haben. Deshalb lautete die wichtigste Erkenntnis, dass auch im Spätherbst der Karriere das Leistungslimit noch nicht ausgereizt ist. „Ein bisschen kommt noch, das war noch nicht alles“, sagte Jürgen Brähmer. Und das wird auch nötig sein, will er Anfang 2018 sein Halbfinale gegen den Engländer Callum Smith (27) gewinnen, für das Kalle Sauerland Irlands Hauptstadt Dublin als Austragungsort favorisiert. Wenn es ihm gelingt, die physische Stärke zu konservieren, dann dürfen vom Paradepferd Jürgen Brähmer noch große Sprünge erwartet werden.