Hamburg. Die U21 des HSV hat acht Punkte Vorsprung. Ab Winter will sich der Club mit der Dritten Liga auseinandersetzen

Der Herbst ist traditionell eine stürmische Jahreszeit beim HSV. Da fallen im Normalfall die Trainer wie das Laub von den Bäumen. Im Bundesligateam. Und obwohl sich HSV-II-Coach Christian Titz ähnliche Sorgen nach 13 Spielen ohne Niederlage kaum machen muss, sah auch der Neu-Trainer der U21 drei Klassen tiefer für seine Mannschaft stürmische Zeiten vorher. Allerdings nicht seinen Job, sondern das Fußballfeld betreffend. „Wenn das Wetter und die Plätze schlechter werden, dürften auch wir Probleme bekommen, unser Spiel durchzudrücken“, sagte Titz vor ein paar Wochen. Doch nach dem 6:0 gegen Oldenburg ist klar: Der HSV II hat auch im Herbst 2017 so ziemlich alles – außer Probleme.

13 Spiele, elf Siege, zwei Remis, 35 Zähler, 28:5 Tore, beste Abwehr, bester Angriff, acht Punkte Vorsprung als ungeschlagener Spitzenreiter auf den Zweiten VfL Wolfsburg II. Die Wölfe galten eigentlich gemeinsam mit Weiche Flensburg (Dritter mit 26 Zählern) als großer Aufstiegsfavorit. Titz redet nun viel von „Momentaufnahmen“, man denke „von Spiel zu Spiel“. Übliches Tabellenführer-Understatement. Auch Sportdirektor Bernhard Peters will den Ball trotz der Erfolge weiter flach halten: „Über einen möglichen Aufstieg in die Dritte Liga und die entsprechenden Kosten wollen wir frühestens im Winter entscheiden.“ Etwas konkreter wird nur HSV-Sportchef Jens Todt. „Gegen einen Aufstieg unserer zweiten Mannschaft in die Dritte Liga würden wir uns nicht wehren“, sagt er.

Doch ist das realistisch? Und warum ist das Team eigentlich so gut? Die zweite Frage hat als Antwort viele Väter. Trainer Titz forciert schnellen, attraktiven Offensivfußball mit mutigem Gegenpressing und wenigen Ballkontakten. Stürmer Törles Knöll ist mit 14 Treffern in elf Spielen in der Form seines Lebens, führt die Torjägerliste in der Regionalliga Nord an. Die Gespräche über eine Vertragsverlängerung mit dem 20-jährigen Juwel laufen längst. Stephan Ambrosius etabliert sich als überragender Zweikämpfer in der Abwehr. Bakery Jatta, der bei den Profis mittrainiert, gibt dem Team zudem einen großen Schub. „Seine Schnelligkeit und Beweglichkeit macht oft den Unterschied“, so Titz. Auch Luca Waldschmidt hilft ab und an bei der Zweiten aus. Und Matti Steinmann gibt den Denker und Lenker im Mittelfeld.

Steinmann hat bereits erlebt, was aktuell Tatsuya Ito genießen darf. Der kleine, technisch beschlagene Japaner schaffte den Sprung in den Profikader. Zuletzt so durchlässig war der Weg für die HSV-Talente zu den Profis unter Joe Zinnbauer. Er startete in der Saison 2014/15 mit acht Siegen in Folge in die Regionalliga Nord, verhalf Steinmann zu seinem bislang einzigen Bundesligaspiel, einem 0:0 gegen Bayern – nachdem Zinnbauer Mirko Slomka als Trainer des Bundesligateams abgelöst hatte.

Die Situation 2014/15 ist allerdings auch als Warnung zu verstehen. Auch damals beschwichtigten die Verantwortlichen des HSV zunächst, ließen dann aber keinen Zweifel daran: die Zweite dürfe aufsteigen. Die Nachfolgelösungen für Zinnbauer – zunächst Daniel Petrowsky und später gar Rückkehrer Rodolfo Cardoso, der die Mannschaft lange mit eher mäßigem Erfolg trainiert hatte – waren aber eher kleines Karo. Das Team wurde letztlich Dritter.

Im Hier und Jetzt ist die Substanz für den Aufstieg den Rothöschen allemal zuzutrauen. Doch für den Fall des Falles lautet die Frage: Ist der HSV bereit, den Etat massiv zu erhöhen, um die Dritte Liga stemmen zu können? „Man darf nicht vergessen: Unser primäres Ziel ist es, in der U21 Jungs für die Profis auszubilden. Und auch hierbei sind wir auf einem sehr guten Weg“, sagt Peters, der über Aufstieg, Tabellenführung und die Dritte Liga erst im Winter sprechen möchte. Wenn die stürmische Jahreszeit überstanden ist.