Luxemburg/Hamburg. Die Hamburgerin gewinnt in Luxemburg ihren ersten Titel auf der WTA-Tour. In Moskau triumphiert Julia Görges nach sechs Jahren Pause

Erst nach Mitternacht war Carina Witthöft (22) wieder zu Hause. Mit Mutter und Teilzeittrainerin Gaby war sie in der Nacht zum Sonntag die rund 600 Kilometer aus Luxemburg im Auto nach Wentorf gefahren. Im Gepäck den ersten Turniersieg ihrer Karriere, eine Trophäe in Form einer Meerjungfrauenflosse, ein Preisgeld von 34.677 Euro und viele Emotionen. „Das war der glücklichste Tag in meinen bisherigen Tennisleben“, sagte die Bundesligaspielerin vom Club an der Alster, die in der neuen Weltrangliste auf Platz 51 kletttert.

Nach dem Matchball im Finale zum 6:3, 7:5-Sieg gegen Olympiasiegerin Monica Puig aus Puerto Rico – einem unerreichbaren Service-Winner, passend zu ihrem starken Aufschlagspiel – schlug sie die Hände vor den Mund. Überwältigt von dem Moment. Fünf Jahre nach ihrem ersten WTA-Turnier im schwedischen Bastad konnte sie erstmals einen Titel auf der Damentour gewinnen. Und Mutter Gaby stand bei der Siegerehrung mit der Handykamera unter den Fotografen am Netz, ohne ihre Tränen zurückhalten zu können. „She is crying“, sagte Carina während der Siegerinnenrede ins Mikrofon und dann umarmten sie einander, es war ein inniger Mutter-Tochter-Moment. „Meine Mama war immer für mich da und ich habe ihr viel zu verdanken“, sagte Carina, „unser Verhältnis war früher nicht immer ganz einfach, aber jetzt habe ich mich total für sie gefreut, dass sie im Moment meines ersten Turniersieges bei mir war.“

Witthöfts Erfolg rundete ein großartiges Wochenende für das (nord-)deutsche Damentennis ab. Dreieinhalb Stunden zuvor hatte Julia Görges (28) beim sportlich noch wertvolleren Turnier in Moskau triumphiert. Nach dem 6:1, 6:2 über die aufstrebende Russin Darja Kassatkina (20) im Endspiel des Kreml-Cups fiel sie ihrem Physiotherapeuten und Freund Florian Zitzelsberger lange schluchzend in die Arme. Es war ihr erster Titel seit sechseinhalb Jahren . „Ich habe so hart für diesen Augenblick hier gearbeitet, ich bin jetzt so glücklich und so emotional“, erklärte die Bad Oldesloerin, die lange auf ihren dritten WTA-Titel warten musste. Seit dem Erfolg 2011 in Stuttgart verlor sie sechs Finals in Serie, davon allein drei in diesem Jahr. Diese Negativserie riss nun endlich, auch weil die Norddeutsche mit der Verlegung ihres Lebensmittelpunktes nach Regensburg mit ihrem Trainer und Manager Michael Geserer einen Neuanfang gewagt hat. Als Siegprämie gab es stattliche 147. 500 Dollar. Die einstige Nummer 15 der Welt kehrt nun in die Top 20 zurück und qualifizierte sich für die WTA Elite Trophy im chinesischen Zhuhai - die B-WM am Ende der Saison, wo es für die zwölf Teilnehmerinnen ab dem 31. Oktober um fast 2,3 Millionen Dollar geht. Außerdem rückt sie im Ranking auf Platz 18 vor und löst Angelique Kerber als deutsche Nummer eins ab.

„Die beiden haben unglaubliches Tennis gespielt“, freute sich die deutsche Damen-Chefin Barbara Rittner über den seltenen Doppelerfolg. Insbesondere Görges habe eine so konstante „Traumsaison“ gespielt. Aber auch über die Entwicklung von Carina Witthöft freut sich die Leverkusenerin, die schon früh das Talent der Hamburgerin erkannt hatte. Schon 2012 holte Rittner die damals 17-Jährige in das Porsche Junior Team und ermöglichte ihr damit eine umfassende Förderung. Obwohl Witthöft 2013 erstmals in Wimbledon in der Hauptrunde eines Grand-Slam-Turniers stand, stagnierte die lebenslustige Blondine; der große Durchbruch blieb aus. Rittner empfahl vor zwei Jahren sogar ein neues Umfeld – raus aus dem Elternhaus mit Vater Kai, der auch ihr Manager ist, und der Mutter. Witthöft aber blieb. „Es war immer so, dass ich das Leben auch genießen muss. Ich bin normal zur Schule gegangen, hatte immer ein Superumfeld mit meinen Freunden und meiner Familie“, sagt sie. „Ich brauche es immer wieder, zwischen den Turnieren mal zwei Tage in Hamburg zu sein. Das ist ein Teil von mir. So bin ich sportlich erfolgreich, und so habe ich jetzt auch diesen Titel gewonnen.“

Das ist aber nur ein Teil der Geschichte. Der andere ist auch ein Reifeprozess, der bei der jungen Frau eingesetzt hat. „Manche Dinge brauchen Zeit, auch der Kopf. Da habe ich einen Schritt nach vorne gemacht.“ Gespräche mit Barbara Rittner, die sie im Februar auf Hawaii erstmals ins deutsche Fed-Cup-Team berufen hatte, haben dazu beigetragen. „Sie ist jetzt deutlich kritikfähiger, sie bringt alles mit, um unter die Top-20 zu kommen. Das muss ihr Ziel sein“, sagte Rittner schon im Frühjahr. Damals trennte Witthöft sich auch von ihrem langjährigen Freund und Trainingspartner Philipp Lang, der sie auf vielen Turnieren begleitet hatte.

Jetzt steht für Witthöft erst einmal die Off-Season an. „Ich bin so viel unterwegs im Jahr, ich will nicht wegfahren. Ich genieße es einfach mal, zu Hause zu sein.“ Sie lebt in Wentorf in ihrer eigenen Wohnung gleich neben ihrer Schwester Jennifer (24) - sie freut sich auch auf Zeit mit ihrer Bulldogge „Teddy“. Schon in zwei Wochen beginnt wieder die Vorbereitung auf die neue Saison, in der sie die Top-50 im Visier hat. Nach der nächtlichen Ankunft aus Luxemburg ging es noch mit zwei Freunden in ihre Lieblingsbar, ein bisschen feiern. Die Lebenslust, die bleibt. Und es gab ja einen guten Grund.