Dortmund. RB gewinnt ein spektakuläres Topspiel 3:2 in Dortmund und verschafft der Liga neue Spannung

Irgendetwas Großes war geschehen. Darauf deuteten die Reaktionen in Block 48, Reihe 33, des Dortmunder Stadions hin, wo bis eben noch Ralf Rangnick als Teil einer Delegation von RB Leipzig gesessen hatte. Der Sportdirektor sprang im Moment des Abpfiffs auf, herzte, wen er um sich herum zu packen bekam, Jubelschreie drangen aus dem armumschlungenen Knäuel, während auf dem Rasen Trainer Ralph Hasenhüttl umhersprang und kaum mehr einzufangen war. 3:2-Sieg bei Borussia Dortmund, nicht glücklich herbeigemurmelt, sondern mit einem Wagnis verdient. „Was wir hier geleistet haben, wo zweieinhalb Jahre lang niemand gewonnen hat, war sensationell, unfassbar“, sagte der Trainer und hauchte: „Ich bin sehr, sehr stolz.“

Es war durchaus nicht zu verachten, was die Rasenballsportler da an diesem Abend auf die Beine gestellt hatten. Der Vizemeister des vergangenen Jahres beendete die 41 Partien währende Heimserie ungeschlagener Ligaspiele des BVB, er fügte der Borussia noch dazu die erste Saison-Niederlage überhaupt zu und nützte sich selbst dergestalt, dass der Vorsprung des Tabellenführers auf einen Schlag zusammenschmolz. Zwei Punkte liegt Dortmund nun vor den Bayern, dahinter – nur einen weiteren Punkt entfernt – kommt schon Leipzig. „Wir haben die Bundesliga spannend gemacht, wir haben dafür gesorgt, dass vorne alles zusammenrückt“, freute sich Hasenhüttl: „Schön, dass wir bei der Musik dabei sind.“

Die Musik, die Leipzig am Samstagabend auflegte, hatte einen höchst aufregenden Rhythmus. Hasenhüttl verzichtete auf den zuletzt angeschlagenen Nationalstürmer Timo Werner und setzte auch den eigentlich unersetzlichen Emil Forsberg, der unter der Woche noch mit der schwedischen Nationalmannschaft unterwegs war und kaum trainieren konnte, auf die Bank. Dahinter steckte ein Plan. Ein Matchplan. „Wir wollten den BVB in bestimmte Räume locken, um dann zuzugreifen. Wir hatten die ganze Woche Zeit und haben uns im Training etwas zurechtgelegt. Und deshalb brauchte ich Spieler, die die Abläufe unter der Woche verinnerlichen konnten“, sagte Hasenhüttl. Sein defensives Mittelfeld besetzte er mit Naby Keita und Kevin Kampl offensiv wie selten. „Wir haben alles auf eine Karte gesetzt. So offensiv in Dortmund aufzutreten, kann auch schiefgehen. Aber wir wollten ein Spektakel bieten. So ist es gekommen.“

Fünf Tore, zwei Elfmeter, zwei Platzverweise waren die entscheidenden Parameter einer hochintensiven Partie, die Leipzig aber doch für sich entschied. Nach Bundesliga-Niederlagen gegen Augsburg und Schalke waren auch Zweifel an der Leistungsfähigkeit Leipzigs angemeldet worden. In der Champions League soll am Dienstag im Heimspiel gegen den FC Porto der erste Sieg in der Königsklasse her.

Aber ein bisschen wirkte das auch so, als hätten die Leipziger auch in der eigenen Wahrnehmung schon in Dortmund den nächsten Schritt zu königlicher Klasse vollzogen. Einen Sieg auf dem Territorium derer, die in der Gegenwart und der Zukunft wohl die größten nationalen Konkurrenten sind, hatte es bislang noch nicht zu verzeichnen gegeben. Bei Bayern München war RB im vergangenen Jahr mit 0:3 unter die Räder gekommen, in Dortmund kassierte der Club in der vergangenen Saison ein 0:1. Nun also nahmen sie die Punkte aus Westfalen mit. Verdient sogar, das war Hasenhüttl wichtig festzuhalten. „Dass wir auch ohne Werner und Forsberg hier spielen und trotzdem eine schlagkräftige Truppe haben“, sagt der Trainer, „das ist ein Ausrufezeichen.“ Ein großes.

In Dortmund werden hingegen die Kritiker lauter, die behaupten, dass es für diesen BVB unter Trainer Peter Bosz auf allerhöchstem Niveau nicht reichen wird. Argumente für diese Theorie lassen sich im Verlauf der bisherigen Saison einigermaßen mühelos zusammentragen. Gegen Real Madrid (1:3) und Tottenham Hotspur (1:3) gab es in der Champions League in zwei Spielen zwei Niederlagen. Gegen den ersten Gegner aus der Spitzengruppe der Bundesliga setzte es nun erneut drei Gegentreffer.

Zufall, Herr Zorc? Oder steckt der Fehler im System? „Wenn ich das Spiel von Sonnabend analysiere, dann gelange ich schnell zu der Erkenntnis, dass das eine Diskussion ist, die zu 100 Prozent am Thema vorbeigeht“, sagt der Sportdirektor und argumentiert, dass „wir keine Kontertore kassiert haben“. Die Spieler hätten sich „in Zweikämpfen abkochen lassen“, tadelte Zorc: „Wir hatten keine Aktivität und keine Aggressivität auf dem Platz, manchmal sah das fast aus wie bei einem Freundschaftsspiel.“

Und so geht es schon am Montagmorgen mit einem Misserfolgserlebnis nach Zypern, wo am Dienstag gegen Apoel Nikosia (20.45 Uhr/Sky) die nächste Champions-League-Aufgabe wartet – und ein Sieg Pflicht ist. Den Makel, auf höchstem Niveau nicht gewinnen zu können, wird die Borussia beim Außenseiter kaum abstreifen können. Eher schon im nächsten Liga-Heimspiel am 4. November. Dann ist der FC Bayern München zu Gast.