München. Ancelottis Nachfolger will die Kommunikation, den Teamspirit und die Taktik verbessern. Und er erzählt von abgelehnten Angeboten.

Mit einem zünftigen "Grüß Gott" hat Jupp Heynckes am Montag offiziell seine Arbeit als Interimstrainer des FC Bayern München aufgenommen. Bei der Vorstellungsrunde erläuterte der 72-Jährige – eingerahmt von Vorstandschef Karl-heinz Rummenigge, Präsident Uli Hoeneß und Sportchef Hasan Salihamidzic – noch einmal seine Beweggründe, aus dem Ruhestand zum vierten Mal auf die Trainerbank des deutschen Fußball-Rekordmeisters zurückzukehren.

Zurück bei seiner alten Liebe: Jupp Heynckes
Zurück bei seiner alten Liebe: Jupp Heynckes © dpa

"Es ist so, dass man im Leben nie vergessen sollte, wer für seine Karriere hilfreich war", sagte Heynckes und meinte damit seine alte Liebe FC Bayern, die durch seine erste Verpflichtung 1987 seine Laufbahn erst richtig in Schwung brachte. Gewartet auf neue Aufgaben habe er allerdings nicht, deshalb auch Angebote als TV-Experte ausgeschlagen. Er habe nicht über andere urteilen wollen und somit auch nichts vermisst. "Wer mich kennt, weiß, dass ich nicht unbedingt die Öffentlichkeit suche", sagte Heynckes.

Hoeneß: Salihamidzic ist "großer Gewinner"

"Es ist nicht mein Traum gewesen, noch einmal auf die Trainerbank zurückzukehren", sagte Bayerns Triple-Macher von 2013. "Ich hatte mich ja eigentlich total zurückgezogen, auch in Kommentaren über die Bayern oder die Bundesliga." Nach langem Abwägen habe er Rummenigge und Hoeneß schließlich sein Wort gegeben. "Ich habe keine persönlichen Ambitionen, wegen meines Alters und dem, was hinter mir liegt", sagte Heynckes. "Es geht nur um den FC Bayern. Da habe ich Riesenambitionen, da bin ich mit dem Herzen dabei. Es ist eine Aufgabe, die mich mittlerweile erfreut."

Dass diese Freude auch bei den Verantwortlichen des strauchelnden Meisters groß ist, war in der Pressekonferenz deutlich spürbar. "Den kennen wir, den mögen wir, wir wissen alle, wie er tickt", sagte Hoeneß über den alten Bekannten. Bei dem Schachzug mit Heynckes hatte der Präsident auch einen weiteren Hintergedanken. "Hasan ist der ganz große Gewinner heute, weil er sich in Ruhe einarbeiten kann und einen Trainer hat, der den FC Bayern kennt", sagte Hoeneß im Hinblick auf Manager-Novize Salihamidzic, der gemeinsam mit Rummenigge "erstmal in Ruhe" über die Zeit nach Heynckes diskutieren werde. Heynckes selbst bezeichnete seinen ehemaligen Spieler als "aktiv, grundehrlichen Charakter und seriös".

Rummenigge: Trainer nicht vor 2018

"Wir haben alle Zeit der Welt", sagte Hoeneß zur Suche eines langfristigen neuen Trainers. Daher solle eine Entscheidung darüber auch erst im kommenden Jahr bekanntgeben werden. "Ich kann heute schon eins ziemlich klar sagen: Dass wir sicherlich im Jahr 2017 nicht verkünden werden, was zum 1. Juli 2018 passiert“, sagte Rummenigge. Heynckes hat als Nachfolger von Carlo Ancelotti einen Vertrag bis zum Ende dieser Saison unterschrieben. "Wir werden uns da ausreichend Zeit lassen, intern beraten, befruchten und dann am Ende des Tages auch gemeinsam entscheiden", sagte Rummenigge.

Neues Bayern-Quartett: Rummenigge, Heynckes, Salihamidzic, Hoeneß
Neues Bayern-Quartett: Rummenigge, Heynckes, Salihamidzic, Hoeneß © dpa

Heynckes stieß ins selbe Horn – und gab dabei einen Wink, welches Profil er selbst für die Nachfolgersuche anlegen würde. "Sie gewinnen Zeit, um im Sommer einen adäquaten deutschen Trainer zu finden, hoffe ich. Wir haben einige gute junge Trainer", sagte Heynckes, der seine eigenes Jobprofil so umschrieb: "Meine Aufgabe beim FC Bayern ist es, die Situation zu entkrampfen, zu entschleunigen, zu beruhigen." Die Spieler müssten wieder einen normalen Rhythmus und eine normale Ansprache erhalten. Zu taktischen Vorgaben sagte er: "Keine Mannschaft der Welt kann über 90 Minuten Pressing spielen, man muss die Balance finden."

Leise Kritik an Ancelotti?

Langfristige Ziele wollte er dabei nicht formulieren. Bei der Frage nach der Vorgabe etwa für die Champions League zupfte sich Heynckes ausgiebig am Ohr und sagte dann: "Erstmal ist es meine Aufgabe, wieder Ordnung zu schaffen und nicht, über Ziele zu philosophieren." Gleichwohl sei es ein Anliegen, trotz bereits fünf Punkten Rückstands auf Tabellenführer Borussia Dortmund in der Bundesliga erfolgreich zu sein. "So, wie sie Fußball spielen, ist es aber sehr schwierig, sie von da oben wegzuholen", gestand Heynckes mit Blick auf den BVB. "In den Gesprächen mit Jupp war immer klar: Das wichtigste ist die Deutsche Meisterschaft", sagte Rummenigge wiederum.

Heynckes weiteren Ausführungen ließen letztlich durchaus tief blicken auf den Zustand der Mannschaft unter seinem Vorgänger Ancelotti. Er müsse die vorhandene Klasse seiner Spieler "wieder herauskitzeln", sagte der Rheinländer: "Wir müssen erst einmal wieder gemeinsam arbeiten, ein Team muss wieder auf dem Platz stehen. Jeder muss wieder den Glauben an die eigenen Fähigkeiten erlangen." Vieles hänge von Gesprächen und der Kommunikation insgesamt ab, aber auch von der Arbeit auf dem Trainingsplatz. "Ich möchte immer wieder Trainingsreize setzen und taktische Dinge einstudieren, das ist fundamental", sagte Heynckes.

Heynckes sagte einst Barcelona ab

Dem Italiener Ancelotti sollen unter anderem Vorwürfe über mangelnde Kommunikation und Trainingsarbeit zum Verhängnis geworden sein. Zumindest zwei Sprachbarrieren werden nun abgebaut. Schließlich ist der deutsche Muttersprachler Heynckes auch des Spanischen mächtig – was der ehemalige Coach von Athletic Bilbao, CD Teneriffa und Real Madrid bei seiner Vorstellung direkt unter Beweis stellte, als er einem Journalisten aus Südamerika Rede und Antwort stand. Immerhin gibt es bei den Bayern noch immer einen Block aus fünf spanischsprachigen Profis, von denen Heynckes Arturo Vidal bereits aus gemeinsamen Leverkusener Zeiten kennt.

Apropos Spanien: Eine Anekdote hatte Heynckes dann auch noch parat. 1996 habe er ein "ganz konkretes Angebot vom FC Barcelona" abgelehnt. "Weil ich in meiner ganzen Karriere noch nie Verträge gebrochen habe", sagte Heynckes, und damit bin ich immer gut gefahren." Worte, die um ihn herum auf dem Pressepodium zufrieden zur Kenntnis genommen wurden. Und von Rummenigge gab es schließlich weiteren Vorschlusslorbeer für die auf acht Monate begrenzte Zusammenarbeit. "Wer Hund und Katze befriedet, der ist auch in der Lage, den FC Bayern zu trainieren, sagte Münchens Vorstandschef über Tier- und Bayernfreund Heynckes.