Belfast. Geschwingkeitsrekord und Tore – der Stürmer produziert positive Schlagzeilen

Im Falle leibhaftiger Gefahr besteht zumindest bei Leroy Sané Hoffnung. Das ist seit den vergangenen Tagen bekannt, weil sich die britische Boulevardzeitung um eine recht bizarre Recherche bemühte und zutage förderte, dass der Fußball-Profi von Manchester City einer Begegnung mit einem Braunbären, einer schwarzen Mamba oder auch einem Tyrannosaurus Rex mit heiler Haut entkommen könnte. Und zwar indem er einfach wegliefe.

Das genannte Getier, von der Natur durchaus mit Schnelligkeit bedacht, käme nach britischer Datenlage nicht hinter dem Mann her, der am vergangenen Wochenende einen Rekord in der englischen Premier League aufgestellt hatte: 35,48 Kilometer pro Stunde schnell lief er bei einem seiner Sprints. Der Alltagsnutzen dieser Erkenntnis darf wegen der doch geringen Wahrscheinlichkeit an Begegnungen mit Dinosauriern oder Giftschlangen in Zweifel gezogen werden. Und doch ist das eine bedeutsame Anekdote. Denn sie erzählt etwas über Leroy Sané und seine derzeitige Wahrnehmung. Im Sommer war er der, der sich die selbstverliebte Tätowierung stechen ließ. Der den Confed-Cup verpasste. Der nicht hart genug arbeitete.

Am Mittwoch kehrte er mit dem Flugzeug ins vereinigte Königreich zurück. Zusammen mit der deutschen Nationalmannschaft reiste er nach Belfast, wo am Donnerstagabend (20.45 Uhr/RTL) im Windsor Park das neunte WM-Qualifikationsspiel stattfindet. Bislang stehen acht Siege zu Buche. Gegner Nordirland ist noch der hart­näckigste Verfolger in der Tabelle. Ein Unentschieden reicht dem Team von Bundestrainer Joachim Löw schon, um die Startberechtigung für Russland 2018 zweifelsfrei zu erlangen. Dabei helfen könnte Sané, was nicht zwingend eine Selbstverständlichkeit ist.

Unzweifelhaft gehört der gebürtige Essener zu den größten Talenten des Landes. In letzter Sekunde schaffte er den Sprung zur EM 2016 in Frankreich. Seither wird er noch mehr begutachtet und beratschlagt. Seinen Vereinswechsel von Schalke 04 zu Manchester City nach dem Turnier kommentierte der ebenfalls an einer Verpflichtung interessierte FC Bayern München in Person von Karl-Heinz Rummenigge bissig. „Ein junger Spieler muss sich entscheiden, ob er seine Karriere finanziell oder sportlich planen will“, sagte der Vorstandsboss. Und auch von Teilen der Führung der Nationalmannschaft heißt es, dass sie es begrüßt hätten, wenn Sané sich in Deutschland weiterentwickelt hätte.

Seitdem pendelt Sané zwischen den Welten. Nach der EM spielte er kaum mehr eine große Rolle, wenn sich der elitäre Zirkel des deutschen Fußballs versammelte: Mal war er verletzt, mal verzichtete Löw freiwillig auf dessen Dienste und degradierte ihn zum Mitglied der U 21 oder – wie zuletzt im September – zum Fernsehzuschauer.

Eine Tätowierung auf seinem Rücken zeigt seinen Torjubel

Am Confed Cup im Juni hätte Sané eigentlich teilnehmen sollen, doch der Profi entschied sich, sich einer Nasenoperation zu unterziehen. Ein weiterer Eingriff wurde am Rücken vorgenommen. Rein äußerlich. Eine großflächige Tätowierung. Motiv: Leroy Sané beim Torjubel. Das sorgte sogar im Egoismusbetrieb Fußball für Aufsehen. Raheem Sterling, prominenter Kollege aus der Liga, verlachte Sané öffentlich für das narzisstische Werk.

Gravierender als das aber war, dass der 21-Jährige in nicht gerade prächtiger Verfassung aus dem Sommerurlaub kam, wie Pep Guardiola offenbarte. „Er hat keine gute Vorbereitung absolviert, er war nicht gut in den Testspielen, er hatte es nicht verdient zu spielen“, erklärte der 46 Jahre alte Star-Trainer seinen Verzicht auf Sané zu Beginn der Saison. Dessen letztes Länderspiel war zudem im März in Aserbaidschan zu besichtigen.

Doch die erzieherischen Maß­nahmen scheinen gefruchtet zu haben. Sané ist zurück auf dem rechten Weg.

Löw überzeugte sich zuletzt selbst live im Stadion davon. Zwei Tore gegen Liverpool spülten ihn für jenes Spiel gegen Crystal Palace in die Startelf. Er traf erneut und bereitete zwei Treffer vor für den Tabellenführer. „Er ist bei Manchester gereift und hat sich sehr, sehr gut entwickelt“, lobt Bundestrainer Joachim Löw einen Tag vor dem Spiel gegen die Nordiren. „In der Premier League, wo sehr körperbetont gespielt wird, hat er sich eine gewisse Durchsetzungsfähigkeit angeeignet.“

Und darüber hinaus kann er, was nur wenige können, „in manchen Spielen den Unterschied ausmachen mit seiner Geschwindigkeit. Wenn er sich so weiterentwickelt, macht er uns sehr viel Freude in Zukunft.“ Vielleicht schon gegen Nordirland, sehr wahrscheinlich aber auch bei der WM 2018.