Berlin. Rekordmeister liegt nach 2:2 in Berlin schon fünf Punkte hinter Dortmund – Ribéry schwer am Knie verletzt

Oben auf der Tribüne blickte Präsident Uli Hoeneß grimmig drein, unten starrte Interimstrainer Willy Sagnol regungslos auf den Platz, und Sportdirektor Hasan Salihamidzic flüchtete sofort in die Kabine: Auch nach dem Rauswurf von Carlo Ancelotti ist beim kriselnden FC Bayern München die Trotzreaktion ausgeblieben. Der Rekordmeister verspielte beim 2:2 bei Hertha BSC einen 2:0-Vorsprung, wie zuvor schon gegen den VfL Wolfsburg – und hat nun bereits fünf Punkte Rückstand auf Tabellenführer Dortmund.

„Mit dem Ergebnis bin ich überhaupt nicht zufrieden“, sagte Salihamidzic nach dem schlechtesten Saisonstart seit sieben Jahren: „Wir haben das Spiel nicht nach Hause gebracht, das darf einer Mannschaft wie uns nicht passieren.“ Eklatante Abwehrfehler hatten die Berliner Aufholjagd begünstigt. „Ich kann mir nicht erklären, warum wir so viele Konzentrationsfehler haben“, gab Salihamidzic zu. „Ohne Konzentration sind wir nicht mehr die stärkste Mannschaft Deutschlands“, befand Sagnol. Der Interimscoach hatte alle „Ancelotti-Rebellen“ in die Startelf gestellt, zwei von ihnen sorgten für das 1:0: Nach einer Flanke von Jérôme Boateng erzielte dessen Abwehrkollege Mats Hummels per Kopf das Führungstor (10.). Auch Franck Ribéry, Arjen Robben und Thomas Müller, die anderen Kritiker des Ex-Trainers, standen auf dem Feld.

Torjäger Robert Lewandowski sorgte mit seinem Saisontor Nummer acht zwar für das 2:0 (49.), doch die Herthaner nutzten die Schwächen in der Münchner Defensive und kamen durch Tore von Ondrej Duda (51.) und Salomon Kalou (56.) noch zum verdienten Ausgleich. „Das ist ein Bonuspunkt für uns“, sagte Hertha-Mittelfeldspieler Vladimir Da­rida bei Sky: „Wir haben nach 0:2 noch ein 2:2 geschafft. Wir sind zufrieden.“

Bitter für die Bayern: Ribéry musste in der 62. Minute mit einer Knieverletzung ausgewechselt werden. „Das sieht gar nicht gut aus“, sagte Salihamidzic, „er hat sehr starke Schmerzen.“ Ribéry war auf den Ball getreten und hatte sich dabei offenbar am linken Knie verletzt. Der Franzose wurde sofort ins Krankenhaus gebracht. Laut Sagnol könnte es sich nach einer ersten Diagnose um einen Außenbandanriss handeln. Damit müssen die Münchner nach dem Mittelfußbruch von Torwart Manuel Neuer für längere Zeit auf einen weiteren Leistungsträger verzichten.

Nach der 0:3-Pleite in der Champions League bei Paris St. Germain waren die Münchner um Wiedergutmachung bemüht, spielerisch gelang aber längst nicht alles. Der Favorit hatte auch Glück, als Schiedsrichter Harm Osmers beim Stand von 1:0 einen Foulelfmeter für die Berliner (19.) nach Ansicht der Fernsehbilder zurücknahm.

Hoeneß und Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge verfolgten die turbulente Partie gebannt auf der Obertribüne des Olympiastadions. In der Länderspielpause wollen die in die Kritik geratenen Clubbossen die Trainersuche forcieren. Beim nächsten Heimspiel der Münchner gegen den SC Freiburg könnte bereits ein neuer Mann auf der Bayern-Bank sitzen, der zurzeit vereinslose Thomas Tuchel und Hoffenheim-Trainer Julian Nagelsmann gelten dabei als Favoriten. „Sicher gibt es Gespräche“, bestätigte Salihamidzic beim Pay-TV-Sender Sky: „Über Namen reden wir beim FC Bayern aber nicht.“

Thomas Tuchel ist für zahlreiche Experten weiterhin der Favorit auf das Traineramt. „Für mich ist Thomas Tuchel der ideale Kandidat. Er verfolgt die Guardiola-Schule, ist ein unheimlich guter Trainer und ein absoluter Fachmann“, sagte der ehemalige Bayern-Profi Dietmar Hamann in „Wontorra – der Fußball-Talk“ bei Sky: „Mich würde es wundern, wenn ein anderer Mann als Thomas Tuchel präsentiert würde.“

Experten favorisieren Tuchel und Nagelsmann

Auch HSV-Vorstandschef Heribert Bruchhagen glaubt: „Wenn unisono die Meinung vorherrscht, dass er hohe Kompetenz hat, dann ist das doch das turmhohe Argument, das zählen muss.“ Der momentane vereinslose ehemalige HSV-Trainer Armin Veh ist „davon überzeugt, dass Tuchel es wird, obwohl ich es nicht zu 100 Prozent weiß“, wie er im „Doppelpass“ bei Sport1 sagte.

Veh verwies aber auch auf die zwischenmenschlichen Aspekte, die bei Tuchel letztlich zum Ende der Zusammenarbeit in Dortmund führten. „Die Frage bei Thomas ist, ob er etwas gelernt hat aus den zwei Jahren Dortmund. Wenn nicht, bekommt er Probleme“, sagte Veh. Ex-Nationalspieler Marcell Jansen hält Tuchel für so ehrgeizig, dass er manchmal nicht wisse, wie eine Mannschaft funktioniere: „Das ist die große Herausforderung für Tuchel, den nächsten Schritt zu gehen.“

Rekordnationalspieler Lothar Matthäus sieht derweil Hoffenheims Trainer Julian Nagelsmann als dauerhaften Nachfolger des entlassenen Carlo Ancelotti. „Ich glaube, dass Nagelsmann ganz oben steht. Er ist der Wunschkandidat“, sagte Matthäus bei Sky, und ergänzte: „Bis es dazu kommt, muss man eine Übergangslösung finden. Deswegen glaube ich nicht, dass Thomas Tuchel Trainer beim FC Bayern wird. Das wäre dann wieder eine langfristige Lösung.“ Nagelsmann blockte die Frage nach dem Bayern-Interesse am Sonntag ab (siehe Bundesliga-Kolumne).