Hamburg. FC St. Pauli kann mit einem Sieg gegen Düsseldorf zur Fortuna aufschließen. Personallage bleibt angespannt

Den vergangenen Dienstag wird Richard Neudecker so schnell nicht vergessen. Der 20 Jahre alte Mittelfeldspieler stand beim 1:0-Sieg im Nordderby bei Holstein Kiel erstmals seit seinem Wechsel von 1860 München im Sommer 2016 in der Startelf des FC St. Pauli. Vorbei war die Leidenszeit, die ihn zuvor fast anderthalb Jahre gekostet hatte. Eine langwierige Schambeinentzündung hatte das Toptalent außer Gefecht gesetzt. Spielpraxis holte sich der 20-Jährige in der U23.

Doch nun, so scheint es, ist er angekommen in der Zweiten Liga. In Kiel gehörte Neudecker zu den besten Spielern und bereitete den Siegtreffer von Johannes Flum mit einem Traumpass mustergültig vor. „Geiler geht es nicht. Ich bin einfach nur über-happy, dass ich wieder spielen durfte. In der Regionalliga geht es zwar auch zur Sache, aber nach einem Zweitligaspiel bin ich da doch etwas kaputter“, sagte Neudecker, der mit seinen Kollegen an diesem Sonnabend (13 Uhr/Sky und Liveticker bei abendblatt.de) auf Fortuna Düsseldorf trifft.

Auch Trainer Olaf Janßen freut sich, in Abwesenheit des verletzten Spielmachers Christopher Buchtmann eine weitere spielstarke Alternative im Mittelfeld zu haben. Mit seinem tiefen Körperschwerpunkt, der engen Ballführung und der Spielintelligenz ist Neudecker schwer für den Gegner zu kontrollieren. „Richie kann es aber noch viel besser“, sagt Janßen: „Neudecker ist in einer körperlichen Verfassung wie noch nie zuvor. Aber auch da ist er noch nicht am Ende seiner Entwicklung. Im Zentrum hat er auf jeden Fall seine beste Wirkung“, ergänzt Janßen.

Ob Neudecker auch gegen den Tabellenzweiten seine Wirkung zeigen kann, ist noch nicht sicher. Eine kleine Blessur aus dem Kiel-Spiel macht dem Bayern noch zu schaffen. Für St. Pauli wäre ein Ausfall ein herber Verlust, zumal das Lazarett auch nach dem Nordderby nicht kleiner geworden ist. Im Gegenteil: Mit Allrounder Jeremy Dudziak (Knieprellung), Offensivtalent Maurice Litka (Zeh) und Waldemar Sobota (Sprunggelenk) drohen weitere Ausfälle. Für Abwehrspieler Marc Hornschuh (Rücken) und Mats Möller Daehli (muskuläre Probleme) kommt ein Einsatz gegen die Fortuna definitiv noch zu früh. „Wir machen, was wir in den vergangenen Wochen auch gemacht haben. Wir werden die Knochen zusammensammeln und sehen, wer fit ist, um am Sonnabend 90 Minuten auf dem Platz zu stehen“, gibt sich Janßen ganz pragmatisch. Schließlich ziehen sich die Personalsorgen wie ein roter Faden durch die Saison.

Doch Jammern zählt nicht. Vielmehr hebt der Trainer die bisherige Punkteausbeute hervor. „Sie sehen hier einen überglücklichen Trainer, der sehr stolz ist, unter den gegebenen Umständen bisher 13 Punkte geholt zu haben“, erklärt Janßen: „Spielerisch ist eine Entwicklung zu sehen. Das passiert aber nicht von heute auf morgen, und ich glaube, wir sind auf dem richtigen Weg“, versicherte der Trainer, mahnte im gleichen Moment aber auch, mit einer Portion Demut an das Duell mit Düsseldorf heranzugehen: „Sich nun vorzunehmen, dem Tabellenzweiten am Sonnabend Knoten in die Beine zu spielen, wäre ein bisschen am Ziel vorbeigeschossen.“

Schließlich trifft St. Pauli auf die derzeit konstanteste Mannschaft der Zweiten Liga. Trainer-Routinier Friedhelm Funkel (63) ist von seiner Philosophie des Defensivfußballs abgerückt und hat mit einer deutlich jüngeren und spielstärkeren Mannschaft den Sprung an die Tabellenspitze geschafft. Mit 13 Treffern stellt der Traditionsclub die drittbeste Offensive der Liga.

Für St. Pauli ist es der nächste Härtetest innerhalb von vier Tagen. „Mit Funkel und Peter Herrmann sitzt eine Menge Bundesliga-Erfahrung auf Düsseldorfer Seite. Das zeigt sich auch in ihrer Mannschaft. Sie spielen sehr abgezockt und haben viele erfahrene Spieler. Außerdem können sie viel rotieren und haben eine Menge Variationsmöglichkeiten. Darauf müssen wir uns einstellen“, sagt Janßen, der seinen Trainerkollegen auf der anderen Seite bestens kennt.

Die beiden Trainer spielten gemeinsam für Uerdingen

Mit 16 Jahren durfte der heute 50-Jährige als Schüler in der ersten Mannschaft von Bayer 05 Uerdingen mittrainieren. Sein Teamkollege damals: Friedhelm Funkel. Doch nun will er seinen einstigen Teamkollegen ärgern. Hoffnung macht die Statistik. Gegen keinen Gegner hat die Fortuna eine schlechtere Bilanz vorzuweisen als gegen St. Pauli. Elf von 22 Duellen gingen verloren. Mit einem Sieg könnte der Kiezclub nach Punkten zum Tabellenzweiten aufschließen.

Es wäre auch für Richard Neudecker die Krönung einer Woche, die er ganz sicher noch lange in Erinnerung behalten würde.