Hamburg. Hamed Attarbashi, Trainer der Hamburg Towers, über Ziele des Basketball-Zweitligaclubs – und seine persönliche Zukunft.

Normalerweise isst Hamed Attarbashi um diese Zeit nichts. Der Basketballtrainer der Hamburg
Towers macht das 16-Stunden-Fasten – meist von 20 bis 12 Uhr. Beim Gespräch mit dem Abendblatt im Levantehaus an der Mönckebergstraße ist es 9 Uhr morgens. Attarbashi bestellt Kräuterrührei. „Ausnahmsweise“, sagt er. Im Gegensatz zum Trainer hat sich der Club keine Diät verordnet. Der Etat ist von 1,5 auf 1,85 Millionen Euro gestiegen, die Ausgaben für den Kader wurden erstmals erhöht. Vor dem Start in die vierte Spielzeit der Towers in der Zweiten Bundesliga ProA am Sonnabend in Hanau sagt Attarbashi (41): „Wir werden eine gute Saison spielen. Wichtig ist, dass wir verletzungsfrei bleiben.“

Herr Attarbashi, Ihr Sportchef Marvin Willoughby will die Towers „in drei, vier Jahren unter den ersten acht der Ersten Bundesliga“ sehen. War das mit Ihnen abgesprochen?

Hamed Attarbashi: Auch ich bin ein Freund ambitionierter Ziele, die sind schließlich Ansporn für uns alle. Klar ist aber auch: Mit dem aktuellen Etat werden wir das nicht schaffen, da müssen wir noch einiges drauflegen.

Die Towers haben stets gesagt, erst muss das Umfeld erstligatauglich sein, dann die Mannschaft. Ist der erste Schritt getan?

Mir laufen auf unserer Geschäftsstelle im Wilhelmsburger Inselpark ständig neue Leute über den Weg, die diese und jene Aufgabe haben. Ich weiß gar nicht, wie die alle heißen. Bei uns sind viele Abläufe inzwischen sehr professionell geworden. Wir haben zum Beispiel mit Carina Oesting jetzt eine Teambetreuerin, die mir viel Organisatorisches abnimmt. Ich kann mich dadurch besser auf das Training und die Spielvorbereitungen konzentrieren.

Haben Sie in der Zwischenzeit die Ursachen der häufigen Verletzungen und Erkrankungen Ihrer Spieler in der vergangenen Saison herausfinden können?

Es gab nicht den einen Grund. Das waren ja auch keine Muskelverletzungen, die auf falsches Training zurückzuführen wären. Wir haben ein paar der täglichen Abläufe umgestellt, achten jetzt noch stärker auf Regeneration und Prävention. Jeden Montag setzen wir uns mit unseren Physiotherapeuten und Ärzten zusammen, gehen die Belastungssteuerung jedes Einzelnen durch. Die Spieler erhalten in dieser Saison noch mehr Pflege als bisher. Das hat sich bislang ausgezahlt. Wir sind bis auf ein paar Kleinigkeiten, die im Leistungssport nun mal nicht auszuschließen sind, gut durch unsere intensive Saisonvorbereitung gekommen.

Sie haben in der Vergangenheit oft Profis zu günstigen Konditionen verpflichtet, die eine schwere oder längere Verletzung hinter sich hatten oder diese gerade auskurierten. Da durften Sie die vielen Ausfälle doch nicht überraschen.

Wir mussten wegen unseres im Vergleich zur Konkurrenz schmalen Etats zum Teil riskante Transfers tätigen, hatten damit aber bis auf die vergangene Saison gute Erfahrungen gemacht. Für die anstehende Spielzeit konnten wir nun zum ersten Mal die Ausgaben für die Mannschaft erhöhen, konnten dadurch Spielmacher Anthony Canty halten und Jonathon Williams zurückholen. Erstmals haben wir zehn Spieler unter Vertrag, die nur für uns auflaufen, die nur bei uns trainieren, die keine Doppellizenz haben und für keinen anderen Club spielen können. Das ist ein Quantensprung.

Also steigen Sie auf.

Im Gegensatz zu den ersten drei Spieljahren sage ich diesmal: Wir müssen unter die ersten acht kommen, also in die Play-off-Runde, alles andere wäre eine herbe Enttäuschung. In den Play-offs ist bekanntlich alles möglich. Wir haben eine gute Mannschaft, die beste bisher der Towers. Ich bin fest davon überzeugt, wenn alle halbwegs gesund bleiben, haben wir die Chance, eine herausragende Saison zu spielen. Und ich hätte auch nichts gegen den Aufstieg, doch da sollten wir realistisch bleiben.

Wie gehen Sie mit den gewachsenen Erwartungen an Sie und das Team um?

Gelassen.

Sie haben Canty und Williams überzeugt, weiter beziehungsweise wieder für die Towers zu spielen? Geld oder sportliche Per­spektive – was waren Ihre Argumente?

Der Standort Hamburg spielt bei den Verhandlungen eine wichtige Rolle, wir haben uns aber auch einen guten Ruf gerade bei deutschen Profis erworben, dass sie sich hier entwickeln, besser werden können. Canty und Williams hätten woanders mehr Geld verdient.

Was machen die Towers denn anders, besser als vergleichbare Clubs?

Wir unterscheiden uns vor allem bei der Intensität der individuellen Betreuung. Die Spieler können bei uns auch als Persönlichkeit reifen. Das fängst beim Einzeltraining an, geht über die medizinische, physiotherapeutische Betreuung bis hin zur Arbeits- oder Ausbildungsplatzsuche, auch für die Partnerin.

Das erste Mal ist bei den Towers eine gewisse Kontinuität zu erkennen, Sie haben nicht wieder drei Viertel des Kaders ausgetauscht. Haben Sie Ihr Wunschteam gefunden?

Im Rahmen unserer Möglichkeiten, ja. Unser strategisches Ziel war es immer, eine Mannschaft kontinuierlich aufzubauen. Diese Chance haben wir diesmal. Die Verzahnung mit unseren Nachwuchs-Bundesligamannschaften, den Piraten, und unserem Kooperationspartner Rist Wedel in der Zweiten Bundesliga ProB hat sich noch einmal verbessert. Wir trainieren sehr viel zusammen, machen viel Einzeltraining, sprechen alles akribisch miteinander ab. Da wächst inzwischen vieles zusammen, was vor Jahren noch undenkbar schien. Davon werden wir alle profitieren.

Als sich die Towers vor vier Jahren gründeten, hieß es, wir wollen die Abwanderung der Hamburger Talente stoppen. Mit Louis Olinde hat vor einem Jahr das größte die Stadt verlassen. Müssen Sie nicht auch deshalb so schnell wie möglich aufsteigen?

Wenn Louis Olinde vom deutschen Meister Bamberg ein Vierjahresvertrag angeboten wird, haben Sie als Zweitligaclub keine Argumente mehr. Wäre er nach Vechta gegangen, hätten wir einiges falsch gemacht. Wenn wir aufsteigen, sind unsere Chancen, Talente in der Stadt zu halten, sicherlich größer. Andererseits ist es auch eine Auszeichnung für die Arbeit der Towers, solch einen Spieler ausgebildet zu haben. Das Beispiel Olinde zeigt doch: Kommst du zu den Towers, stehen dir alle Türen für deine Karriere offen.

Ihnen auch? Sind Sie bei den Towers ein besserer Trainer geworden?

Die Towers sind meine erste Station als Cheftrainer einer Männermannschaft. Das hätte auch in die Hose gehen können. Gerade in der vergangenen Serie, als wir Neunter wurden, habe ich viel gelernt. Vielleicht haben wir dem Team zu viel zugemutet, es überfordert mit neuen Spielsystemen, angesichts dessen, dass die meisten neu waren und wir im Training selten komplett. Gegen Ende der Saison hätten wir ja beinahe noch die Play-offs erreicht. Andererseits entwickelt sich der Basketball, du musst selbst raus aus der Routine, neue Ideen ins Training einfließen lassen, neue Herausforderungen suchen, damit du wach und aufmerksam bleibst.

Wie bilden Sie sich fort?

Ich nutze so oft wie möglich die Gelegenheit, um bei anderen Vereinen zu hospitieren. Das ist etwas ganz anderes, als wenn du wissenschaftliche Literatur studierst. Du lernst alle Abläufe kennen, wie wann was ins Gesamtsystem passt, wie Prozesse gesteuert werden. Das sind zum Teil Kleinigkeiten, die aber in der Gesamtschau große Wirkung zeigen.

Ihr Vertrag läuft Mitte 2018 aus. Gab es schon Gespräche über eine Verlängerung?

Nein.

Würden Sie denn gern bleiben?

Die Aufgabe macht mir großen Spaß, wir sind am Anfang einer Entwicklung. Jetzt konzentrieren wir uns aber erst mal auf diese Saison, dann sehen wir weiter.

Würde es Sie nicht reizen, demnächst einen Erstligaclub zu trainieren?

Es geht für mich nicht darum, Erst,- Zweit- oder Drittligatrainer zu sein oder viel Geld zu verdienen. Das ist schön, aber für mein Wohlbefinden nicht ausschlaggebend. Die Arbeitsbedingungen müssen stimmen, die Atmosphäre im Verein, du musst die Chance haben, deine Ideen umzusetzen, gestalten zu können, dich weiterzuentwickeln. Wie bei den Towers eben.