Hamburg. DTB-Präsidium tagte am Abend – Favorit für die Nachfolge soll der Österreicher Reichel sein – Bundesausschuss fordert Transparenz

Michael Stich wird im kommenden Jahr einen Grund zum Feiern haben. Sein Triumph am Rothenbaum – der bislang letzte eines deutschen Tennisprofis – jährt sich zum 25. Mal. Dennoch droht das Jubiläum ein trauriges zu werden für den heutigen Turnierdirektor. Glaubt man dem Flurfunk in der Tennisszene, dürfte 2018 das letzte Rothenbaum-Jahr unter der Ägide des Wimbledonsiegers von 1991 sein. Das Präsidium des Deutschen Tennis-Bundes (DTB), das am Mittwochabend in Frankfurt am Main tagte, will, so lauten die Gerüchte, die Lizenz für das Hamburger Herrenturnier vom Jahr 2019 an bis 2023 an den Mitbewerber Peter-Michael Reichel vergeben.

Einen entsprechenden Beschluss soll am Sonnabend der Bundesausschuss (BA), in dem die Präsidenten der 18 Landesverbände (LV) sitzen, absegnen. Bestätigen will das freilich niemand im DTB. „Die Entscheidung des Präsidiums wird am Sonnabend dem BA vorgelegt, vorher werden wir uns an Spekulationen nicht beteiligen“, sagt DTB-Vizepräsident Dirk Hordorff, der als heimlicher Herrscher des Verbands die Verhandlungen mit den anfangs vier Bewerbern – neben Stich und Reichel noch der Düsseldorfer Dietloff von Arnim, der Aachener Eventexperte Michael Mronz hatte seine Bewerbung kürzlich zurückgezogen – geführt hat.

Besonders scharf dementiert Hordorff Gerüchte, dass Ex-Profi Rainer Schüttler (41) unter Reichel neuer Turnierdirektor werden könnte. „Wenn das der Fall wäre, hätte ich aus Gründen des Interessenskonflikts sofort meine Tätigkeit eingestellt, auch wenn wir keine Geschäftsbeziehung haben“, sagt der 61-Jährige, der Schüttler viele Jahre als Trainer und Manager begleitete. Aktuell hält der Korbacher gemeinsam mit dem früheren Boris-Becker-Manager Ion Tiriac die Lizenz des ATP-Turniers in Genf (Schweiz).

Reichel (64), einer der wichtigsten Sportfunktionäre Österreichs, ist seit Sommer 2015 Vorsitzender aller Turniere der WTA-Damentour weltweit. Als Veranstalter und Lizenzinhaber der Turniere in Linz und Nürnberg würde er das vom DTB gewünschte Damenturnier nach Hamburg bringen, zudem soll er für das Herrenevent einen Titelsponsor an der Hand haben, den die HSE seit der Trennung vom Sportwettenanbieter bet-at-home 2015 vergeblich sucht – auch weil ihr die Planungssicherheit fehlt.

Während Stich sich nicht äußern will, bleibt HSE-Geschäftsführer Detlef Hammer gelassen. „Wir gehen davon aus, dass das, was uns in Gesprächen mit dem DTB vermittelt wurde, weiterhin gilt, und wir gute Chancen haben, das Turnier auch in Zukunft auszurichten“, sagt er. Die vom DTB gewünschte Verfünffachung der Lizenzgebühr auf gut 500.000 Euro pro Jahr sei von allen Bewerbern akzeptiert worden. „Finanziell dürften sich die Angebote nicht gravierend unterscheiden“, sagt Hammer, der weiterhin darauf setzt, dass der Verband die Bedeutung der Person Stich für das Turnier erkennt.

Fragwürdig ist, auf welcher Grundlage der BA eine Entscheidung dieser Tragweite fällen soll. Bislang liegen den Mitgliedern keine Informationen über die drei Bewerbungen vor. Geplant ist, dass das Präsidium am Sonnabend seine Auswahl erläutert, ohne detailliert auf die Mitbewerber einzugehen. „Wir werden aber alle Fragen beantworten, die der BA hat“, verspricht Hordorff. Frank Intert, Präsident in Schleswig-Holstein, setzt auf diese Transparenz: „Wenn ich bezweifeln muss, dass die Informationen vollständig sind, kann ich keine Zustimmung erteilen.“ Als erklärter Stich-Freund habe er angeregt, in einer Art Vorkaufsrecht der HSE die Möglichkeit einzuräumen, auf das beste Gegenangebot noch einmal zu reagieren. „Das wäre fair gewesen, denn schließlich hat die Lizenz nur dank der Arbeit der HSE wieder eine Wertigkeit für den Verband.“ Der Vorschlag habe jedoch keine Mehrheit gefunden.

Was passiert, wenn der BA den Präsidiumsbeschluss ablehnt, darüber gibt es unterschiedliche Ansichten. Während DTB-Chef Ulrich Klaus davon ausgeht, „dass letztlich das Präsidium entscheidet“, sind BA-Sprecher Robert Hampe und Hordorff einig darüber, dass dann das Präsidium neu über das Thema befinden muss. Ob der BA einstimmig oder mit einfacher Mehrheit zustimmen muss, wusste auch niemand eindeutig zu sagen. Viele Fragen offen also beim DTB – mindestens bis zum Sonnabend.