Hamburg. Bundesliga Die Hamburger verlieren mit 0:3 gegen die Borussia und warten nun seit drei Spielen auf ein eigenes Tor

Ziemlich genau 90 Minuten vor den 90 Minuten war die Welt von Jan-Henrik Wohlert noch mehr als in Ordnung. Der HSV-Anhänger wurde im ersten Stock des Volksparkstadion als 77.000. Vereinsmitglied geehrt, bekam von Vereinspräsident Jens Meier ein Willkommenspaket und zwei Freikarten. „Coole Sache“, sagte der 24 Jahre alte Schleswig-Holsteiner aus Ahrensbök, der auch dem Heimspiel gegen Dortmund überaus optimistisch entgegensah. „Die Borussia ist der perfekte Aufbaugegner“, witzelte Wohlert. „Wir gewinnen 2:1.“ Gut drei Stunden später hatte sich Wohlerts Stimmung dann aber grundlegend geändert. „Ich hatte Hoffnung. Aber Dortmund hat mehr Qualität und ist jetzt zu Recht wieder Tabellenführer“, fasste HSV-Mitglied Nummer 77.000 die 0:3-Niederlage seines Clubs treffend zusammen.

Dabei hatte Wohlert seinen Platz im Block 17C pünktlich zum Anpfiff um 20.30 Uhr noch gar nicht eingenommen, als der Dauerkartenbesitzer bereits die erste schlechte Nachricht des Tages verkraften musste: Neben dem verletzten Offensivtrio (Nicolai Müller, Filip Kostic und Aaron Hunt) musste HSV-Trainer Markus Gisdol ausgerechnet gegen den bisher besten Sturm der Liga auch auf Defensivabräumer Albin Ekdal verzichten. Der Schwede kämpfte bereits seit Tagen mit Rückenproblemen, für ihn durfte erstmals der japanische Mittelfeldfloh Tatsuya Ito, 20, auf der Bank Platz nehmen.

Von dort aus konnte das 1,66 Meter kleine Nachwuchstalent genauso gut wie Superfan Wohlert von der Tribüne aus verfolgen wie sich der HSV von Anfang an nach Kräften bemühte. Ernsthafte Torchancen hatte allerdings lediglich die Dortmunder Abteilung Attacke. Zunächst war es Pulisic (8.), dann Aubameyang (16.) und schließlich auch noch Innenverteidiger Toprak (21.), die allesamt in der Anfangsphase nur knapp das Führungstor verpassten.

Dabei hatte sich Hamburgs Trainer Gisdol gegen Dortmund etwas ganz Besonderes ausgedacht: statt des üblichen 4-2-3-1-Systems setzte der Fußballlehrer gegen den BVB auf eine variable 4-3-3-Taktik mit Neuzugang Sejad Salihovic als Ballverteiler im zentral-defensiven Mittelfeld. Allzu viele Bälle hatte der Bosnier, der erst vor einer Woche seinen Dreivierteljahrsvertrag beim HSV unterzeichnet hatte, allerdings nicht zu verteilen. Und so kam wenig später, was kommen musste.

Nach einem überflüssigen Foul von Lewis Holtby am immer gefährlichen BVB-Neuzugang Yarmolenko zirkelte der Gefoulte höchst selbst den Ball in den HSV-Fünfmeterraum. Dort verlor zunächst Walace das Kopfballduell gegen Toprak, ehe Itos Landsmann Kagawa den Ball aus vier Metern zum verdienten 0:1 unter die Latte drosch (24.).

Der HSV wollte, der BVB konnte. So musste Jubiläumsfan Wohlert eine gute halbe Stunde warten, ehe er die erste echte Hamburger Torchance zu sehen bekam. Erneut war Holtby der Wegbereiter, diesmal aber auf der richtigen Seite. Seine Flanke köpfte André Hahn freistehend genau auf Dortmunds bis dahin wenig geprüften Torhüter Roman Bürki. Viel mehr war hüben dann auch nicht mehr zu bestaunen. Und weil sich drüben Pulisic und Yarmolenko ein Beispiel am glücklosen Hahn nahmen, blieb es bis zur Pause beim aus HSV-Sicht schmeichelhaften 0:1.

Der zweite Durchgang begann mit einer eher ungewöhnlichen Maßnahme. Nicht einmal 120 Sekunden waren gespielt, ehe Trainer Gisdol genug hatte vom zuletzt nur wenig berücksichtigten Kapitän Sakai. Für den Linksverteidiger brachte Gisdol den zuletzt ebenfalls wenig berücksichtigten Brasilianer Douglas Santos, der aber auch keine Impulse nach vorne setzen konnte.

Wie man es besser macht zeigten Die BVB-Ballartisten bei einem Konter nach einer guten Stunde: Pulisic passte auf den herausragenden Yarmolenko, der Neu-Kapitän Mergim Mavraj schwindelig spielte. Seine anschließende Hereingabe musste der bis dahin kaum in Erscheinung getretene Aubameyang nur noch über die Linie drücken. 0:2 nach 63 Minuten – und spätestens jetzt dürfte auch der so hoffnungsvolle Wohlert Böses geahnt haben.

Immerhin: Trotz der ausweglosen Situation gaben sich die Hamburger nicht auf. Der noch vor wenigen Tagen von Gisdol hart kritisierte Waldschmidt kam für den erschöpften Salihovic – und mit ihm so etwas Ähnliches wie ein kleines bisschen Schwung. Dieser reichte allerdings auch nur zu einer weiteren Hahn-50-Prozent-Chance auf der einen und einer weiteren Aubameyang-100-Prozent-Chance auf der anderen Seite. Beide vergaben mehr oder wenig kläglich – ganz im Gegenteil zum gerade einmal 19 Jahre alten BVB-Teenager Pulisic. Der US-Amerikaner sorgte bereits zehn Minuten vor dem Abpfiff für den Schlusspunkt zum 3:0 auf dem Rasen – und für einen eher traurigen Jubilar auf der Tribüne.