Bergen. Dem Titelverteidiger fehlen bei Straßenrad-WM als Neuntem 18 Sekunden auf Bronzerang

Tony Martin stieg auf dem 399 Meter hohen Mount Floyen von der Kletterpartie gezeichnet völlig erschöpft vom Rad. Eine Steigung von 9,1 Prozent und acht Serpentinen auf einer Länge von 3400 Metern waren die Parameter, die dem Titelverteidiger schon vor dem Start durch den Kopf spukten. „Dieser Schlussanstieg hat mich vom Start weg verfolgt. Nun bin ich enttäuscht. Das muss ich jetzt erst einmal verarbeiten“, sagte der Cottbuser, nachdem er beim 31 Kilometer langen Zeitfahren der Straßen-WM im norwegischen Bergen auf dem neunten Platz gelandet war und die erhoffte Bronzemedaille um 18 Sekunden verpasst hatte.

40.000 Zuschauer verwandelten die Strecke in eine Partymeile, auf der Zeitfahr-Olympiasieger und Giro-Gesamtgewinner Tom Dumoulin die große Show ablieferte und souverän den Titel eroberte. 57 Sekunden vor dem einstigen Skispringer Primoz Roglic aus Slowenien triumphierte der Niederländer. Auch Tour-de-France-Gewinner Chris Froome (Großbritannien) war als Dritter mit einem Rückstand von 1:21 Minuten chancenlos.

Martin, der in seiner Karriere schon vier WM-Titel im Kampf gegen die Uhr erobern konnte, war als letzter Starter ins Rennen gegangen, als die zu Beginn des Zeitfahrens noch nasse Strecke abgetrocknet war. Aber ausgerechnet, als der gebürtige Cottbuser die ersten Kilometer absolviert hatte, setzte wieder der Regen ein. Nach 11,8 Kilometern lag der 32-Jährige mit einem Rückstand von 18 Sekunden auf Dumoulin aber zumindest in Schlagdistanz auf den Bronzeplatz. Knapp elf Kilometer vor dem Ziel schob sich der Wahl-Schweizer sogar an die zweite Position.

Seine Strategie war trotzdem nicht aufgegangen. „Ich hatte mir vorgenommen, nach anderthalb Runden die Bestzeit zu fahren“, sagte Martin, der sich so die Chancen auf Bronze offenhalten wollte. Aber der für ein WM-Zeitfahren ungewöhnlich steile Berg ging dem deutschen Meister einfach nicht aus dem Kopf. „Je näher ich dem Berg kam, umso mehr habe ich meine Spannung verloren“, sagte er.

Angetrieben vom frenetischen Jubel der Fans, die beim Anstieg den Fahrern teilweise nur noch eine schmale Gasse überließen, kletterte Martin den Berg hinauf. Um das Podium zu erobern, war er aber zu zögerlich. „Ich hatte nicht den Mut, volles Risiko zu gehen“, sagte er.

Dagegen war der Hamburger Nikias Arndt trotz klar verpasster Medaille alles andere als am Boden zerstört. „Ich bin sehr zufrieden, vor allem bis zum Berg lief es super. Dort habe ich mehr verloren als gedacht. Aber am Berg war eine geile Stimmung“, sagte der Profi vom Team Sunweb, der mit 2:16 Minuten Rückstand den 19. Platz belegte, aber am Sonntag im abschließenden Straßenrennen eine weitere WM-Chance erhält.