Hamburg. Mit dem neuen Cheftrainer Jan Maier soll das Volleyball-Team Hamburg wieder erstklassig werden. Heute Saisonstart der Zweiten Liga Nord

Eine Woche ist es her, dass Jan Maier seine neue Mannschaft mal so richtig erschreckt hat. Beim Vorbereitungsturnier in Berlin missfiel dem neuen Cheftrainer der Zweitligafrauen des Volleyball-Teams Hamburg (VTH) das Spiel ohne Ball so sehr, dass er laut wurde. „Ich versuche stets, so lang wie möglich ruhig zu bleiben. Da muss schon etwas richtig schief laufen, bis ich mal schreie“, sagt der 45-Jährige, „und das hat einige Spielerinnen richtig geschockt!“ Der Effekt: Den beiden Niederlagen, die den Coach wütend gemacht hatten, folgten zwei Siege.

Nun weiß Maier natürlich, dass es nicht immer so leicht sein wird, mit ein bisschen Lautstärke Spielverläufe zu beeinflussen. Aber die Erkenntnis, die der Übungsleiter vor dem Start der Saison 2017/2018, zu dem an diesem Sonnabend (19 Uhr, CU-Arena) BBSC Berlin anreist, gewonnen hat, ist eine wichtige: Er erreicht sein junges Team (Durchschnittsalter 21,6 Jahre), und es hat die Einstellung, sich von Spiel zu Spiel verbessern zu wollen. Auch deshalb geht der neue Mann an der Seitenlinie voller Zuversicht in die Spielzeit. „Es gibt nichts, worüber ich klagen könnte. Wir haben einen guten Kader, optimale Trainingsbedingungen und ein positiv gestimmtes Umfeld. Besser kann ich es mir nicht vorstellen.“ Das Einzige, was ihn störe, seien die Fahrten zwischen seiner Heimat Henstedt-Ulzburg und der Halle in Neugraben. „Aber das habe ich mir ja selbst ausgesucht“, sagt er.

Das stimmt wohl, schließlich hätte Maier weiter beim SC Alstertal-Langenhorn (SCALA) in der Dritten Liga die Arbeit von drei erfolgreichen Jahren weiterführen können. Doch weil er die Chance bekam, einen Dreijahresvertrag beim Hamburger Platzhirsch zu unterschreiben, griff er zu – und hat den Schritt bislang noch keine Minute bereut. Was zum einen daran liegt, dass er seinen Co-Trainer Matthias Krause (45) mitbringen konnte. Zum anderen, und das betont Maier ausdrücklich, an der Perfektion, mit der VTH-Chef Volker Stuhrmann den Spielbetrieb organisiert.

„Volker tut alles, damit sich die Spielerinnen wohlfühlen und ihre Bestleistung entfalten können. Und ich muss mich um nichts anderes kümmern als den Sport. Das ist neu für mich“, sagt Maier. Dass der Macher und Mäzen, der den Verein seit dem Ausstieg von Hauptsponsor und Namensgeber Aurubis und dem Abstieg in die Zweite Liga im Sommer 2016 allein führt und den 200.000-Euro-Etat zum wiederholten Mal mit privatem Geld absichert, entsprechend hohe Erwartungen an die Leistungsbereitschaft und -fähigkeit des Teams stellt, weiß der Coach.

Den Druck versucht er von den Spielerinnen auf sich selbst abzulenken. „Angesichts der Bedingungen, die wir hier haben, liegt es nun an mir, das Optimum aus der Mannschaft herauszuholen“, sagt er. Dass er das kann, bezweifelt Stuhrmann nicht: „Jan Maier ist meine Wunschlösung. Wir wollen unser Ziel, innerhalb von drei Jahren die Rückkehr in die Bundesliga zu schaffen, mit ihm gemeinsam erreichen, weil Kontinuität das ist, was wir jetzt brauchen.“

Beständig war im Süderelberaum in den vergangenen Jahren nur der Wandel. Mannschaften wurden Jahr für Jahr ausgetauscht, Trainer ebenfalls. Im vergangenen Spieljahr, dem ersten im Unterhaus, reichte es nur zu Platz neun, weil der als Cheftrainer eingeplante Fabio Bartolone vor Saisonbeginn schwer erkrankte und sein Nachfolger Ali Hobst im Dezember nach Differenzen mit dem Team seinen Posten räumte. Mit Maier hofft Stuhrmann nun den Mann gefunden zu haben, der Ruhe und Verlässlichkeit bringen kann.

Radzuweit ersetzt Karine Muijlwijk als Spielführerin

Also wieder mal ein Neuanfang beim VTH? Maier sieht das anders, auch wenn er acht neue Spielerinnen einbauen muss, die zum großen Teil keine Zweitligaerfahrung mitbringen. Aber da mit Saskia Radzuweit (26), die die zurückgetretene Karine Muijlwijk als Spielführerin ersetzt, Nina Braack (24), Lisa Schwarz (20), Julia Schneidler (33), Juliane Köhler (21) und Anisa Sarac (22) eine starke Stammsechs geblieben ist, sei die größte Veränderung, „dass da wieder ein anderer an der Linie herumturnt“. Man werde Zeit brauchen zum Einspielen, zumal die Schlüsselposition Zuspiel mit Lisanne Meis (20, kam vom Ligakonkurrenten Gladbeck) und Hannah Ziemer (17/von VG WiWa) neu besetzt wurde. „Aber die Mädels ziehen großartig mit und sind alle heiß darauf, sich zu beweisen“, sagt Maier.

Um sich auf die neue Herausforderung Zweite Bundesliga einzustellen, hat der dreifache Vater, der als 20-Jähriger sein erstes Damenteam betreute, seine berufliche Tätigkeit als IT-Spezialist in einem Mineralölkonzern auf 30 Wochenstunden reduziert. Er hat alle Gegner mithilfe seines Scoutingspezialisten Krause umfassend analysiert, um seine Spielphilosophie umsetzen zu können: ein auf Wahrscheinlichkeiten basierendes System. „Ich möchte, dass wir in der Abwehr dort stehen, wo statistisch gesehen die meisten Bälle hinkommen. Dafür muss ich die Liga kennen“, sagt er.

Seinen Spielerinnen dagegen verzeiht er Fehler, ja, er wehrt sich sogar gegen Perfektionismus. „Wer an seinem Limit spielen will, der muss es auch mal überschreiten dürfen, weil es ansonsten keinen Fortschritt gibt.“ Perfekt sein zu wollen koste zu viel Energie, „80 Prozent Leistungsfähigkeit auszuschöpfen, genügt, um erfolgreich zu sein.“ 60 Prozent dagegen führen zu erhöhter Lautstärke. Aber Jan Maier glaubt, dass er von diesem Mittel nicht oft Gebrauch machen wird.