Istanbul. Nach dem 84:81 gegen Frankreich trifft die deutsche Mannschaft am Dienstag auf Titelverteidiger Spanien

Es gab eine Szene aus dem Abschlusstraining vor dem Achtelfinale gegen Frankreich, die die Rollenverteilung bei den deutschen Basketballern deutlich demonstrierte. Dennis Schröder saß in der Kabine, Journalisten befragten den Star aus der nordamerikanischen Profiliga NBA. Lucca Staiger, ein weiterer Nationalspieler, stand etwas abseits und fragte schelmisch grinsend in die Runde: „Wollt ihr auch noch einen Kommentar von mir?“ Nein, den wollte gerade keiner, während der Anführer spricht. Schröder ist eben der Star der Show.

Beim überraschenden 84:81 (34:40)-Sieg im Achtelfinale gegen den Weltranglistenvierten Frankreich offenbarte sich in Istanbul dann einmal mehr, dass der 23 Jahre alte Braunschweiger zwar die schillerndste Figur abseits des Feldes und der wichtigste Akteur auf dem Feld sein mag – und dafür zahlreiche von ihm beim Verband eingeforderte Privilegien genießt –, dass aber auch er allein keine Spiele gewinnen kann. Diesmal sorgten auch andere maßgeblich dafür, dass Deutschland nach zehn Jahren wieder im Viertelfinale der Europameisterschaft steht und dort am Dienstag – wie 2007 – im Viertelfinale auf Titelverteidiger Spanien trifft, das Gastgeber Türkei mit 73:56 (33:25) ausschaltete. Damals gab es eine krachende 55:83-Niederlage. „Gegen Spanien“, sagte Schröder, „wird es noch eine Nummer härter.“

Grund für den Erfolg über Frankreich waren auch die Ersatzspieler, die bisher wenig, enttäuschend oder zu inkonstant spielten. Spieler eben wie Lucca Staiger. „Ich bin wirklich stolz auf die Art und Weise, wie die Jungs spielen. Sie glauben immer an sich. Und das ist unsere große Stärke“, sagte Bundestrainer Chris Fleming nach der Partie, in der sich wie selten zuvor in diesem Turnier gezeigt hatte, dass seine Teamzusammensetzung gut durchdacht ist. Schröder war gegen die Franzosen anfangs fast unsichtbar. Thomas Heurtel, Antoine Diot und Nando de Colo ließen den deutschen Star nicht zur Entfaltung kommen. Und selbst wenn er sich einmal losreißen konnte, wollten die Würfe einfach nicht fallen. Bis zur 18. Minute blieb Schröder, in der Vorrunde zweitbester Punktesammler des Turniers, ohne Zähler.

Es hätte ein sportliches Debakel geben können, wenn nicht jene nach vorne getreten wären, die sonst eher im Schatten der Leistungsträger Schröder, Daniel Theis und Johannes Voigt­mann stehen. Staiger vom deutschen Meister Brose Bamberg, in den fünf Vorrundenspielen mit nur fünf Punkten und vielen Fehlversuchen aufgefallen, versenkte diesmal seine Dreipunktewürfe und kam am Ende auf zehn Zähler. Danilo Barthel, als Leistungsträger der Basketballer des FC Bayern München bisher bei der EM auch nicht immer überzeugend, sorgte mit einem krachenden Dunking zu Beginn für ein Ausrufezeichen. Und auch der oft unscheinbare Johannes Thiemann von den Riesen Ludwigsburg sammelte in der kritischen Phase Rebounds und sechs Zähler. Schadensbegrenzung zur Halbzeitpause. Aber auch die Grundlage, um das Spiel zu wenden.

Und genau darin liegt die Stärke dieses deutschen Teams: Während die Franzosen eine Auswahl großartiger Einzelakteure stellten, spielten die individuell limitierten Deutschen teamorientierter. Selbst Schröder, bei der Heim-EM 2015 in Berlin noch für seine oft zu eigensinnige Spielweise kritisiert, sucht immer zuerst nach seinen Mitspielern. Und da gibt es immer einen, der hervorsticht. In der Vorrunde war es Teamkapitän Robin Benzing gegen die Ukraine, Center Johannes Voigtmann gegen Italien. Oder Jungspund Isaiah Hartenstein (19) gegen Georgien. „Dennis punktet viel. Das ist unser Konzept, dass er viel kreiert“, erläuterte Voigtmann. „Und dann kommt derjenige, der einen guten Tag hat.“

Im Spiel gegen Frankreich war das Daniel Theis. Der künftige Profi des NBA-Clubs Boston Celtics hatte bisher eine solide, aber keineswegs überragende EM gespielt. Doch in der zweiten Halbzeit des Achtelfinals spielte sich der 25-Jährige in einen Rausch, versenkte Dreipunktewürfe und Dunkings.

Theis hat wie Schröder das Basketballspielen in Braunschweig erlernt, gemeinsam sorgten sie nun für den Umschwung. Theis erzielte am Ende 22 Punkte, sein bisheriger Bestwert im Nationaldress. Schröder kam auf 21 Zähler und war zufrieden: „Weil ich der Anführer bin, schauen alle besonders auf mich. Aber das war eine Teamleistung. Und das macht mich auch als Anführer stolz.“ Ein weiterer Spieler soll an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben: „Keiner hätte gedacht, dass wir Frankreich besiegen. In so einem Turnier geht alles.“ Sagte Lucca Staiger – und wurde gehört.