Sinsheim. Bereits nach der ersten Saisonniederlage gehen mehrere Bayern-„Experten“ auf Trainer Ancelotti los

Man weiß nicht so genau, woher Mario Basler diese Nachricht hatte oder wie seine Quelle hieß. Aber der Ex-Nationalspieler hatte sie einfach mal in die Fußballwelt gesetzt. Nämlich, dass Bayerns Trainer Carlo Ancelotti im Winter Geschichte sein wird, weil er nach China wechseln würde. Es mag ein wirres Gerücht sein. Aber es zeigt: Nach der 0:2-Niederlage bei der TSG Hoffenheim hat die Trainerdiskussion beim Rekordmeister gehörig an Fahrt aufgenommen.

Vielleicht kann man über Baslers Vorstoß noch schmunzeln. Spätestens aber, nachdem auch Paul Breitner Ancelotti am Wochenende heftig attackierte, kommt man ins Grübeln. Schließlich gehört der einstige Bayern-Profi zum inneren Zirkel der Münchner. Und deshalb muss man seine Kritik durchaus ernst nehmen.

„Was mir im Spiel der Bayern fehlt, ist der Wahnsinn und das Chaos wie unter Pep Guardiola“, grantelte Breitner, um Ancelotti danach anzuzählen: „Die Mannschaft hat mindestens einen Schritt nach hinten gemacht.“

Kurz gefasst: Die Mia-san-mia-Mentalität ist futsch.

Ancelotti gerät immer stärker unter Druck. Er gilt als Pragmatiker, der eine gut funktionierende Mannschaft verwalten kann und sie durch seine „großartige Menschenführung und seinem einwandfreien Charakter“ (Michael Ballack) bei Laune hält. Aber die Bayern brauchen im Jahr des Umbruchs einen frischen Reformer.

Unter Ancelotti ist immer noch kein Stil zu erkennen, keine Handschrift. Dazu erzählt man sich im Kreise der Deutschen Nationalmannschaft, dass der Italiener auch handwerkliche Mängel habe: Er trainiere zu lasch. Es fehle die Fitness. So war es keine Überraschung, dass Hoffenheims Spieler bei ihrem Sieg neun Kilometer mehr liefen als die Münchner Stars.

Es wäre natürlich ungerecht, Ancelotti das 0:1 anzukreiden, weil ein blitzgescheiter Hoffenheimer Balljunge Andrej Kramaric ein neues Spielgerät zuwarf, der Einwurf sofort ausgeführt wurde und Marc Uth mit seinem ersten Treffer die Bayern düpierte, um sie später mit dem zweiten Treffer endgültig zu besiegen. Aber warum standen weder Franck Ribéry noch Arjen Robben in der Startelf?

Rekordnationalspieler Lothar Matthäus hielt das für einen folgenreichen Fehler. „Das sind die Gesichter und die Schlüsselspieler des FC Bayern in den letzten Jahren“, sagte er in seiner Funktion als Sky-Experte, „im Vergleich zum Champions-League-Spiel am Dienstag gegen Anderlecht war das heute das schwierigere Spiel. Darum hätte ich auf jeden Fall mit der Eins-a-Mannschaft gespielt, um in der Bundesliga als einzige Mannschaft mit neun Punkten dazustehen. Ancelotti hat kein glückliches Händchen bei der Mannschaftsaufstellung gehabt.“

Immerhin zeigten sich die Profis selbstkritisch. „Obwohl ein zweiter Ball beim ersten Gegentor im Spiel war, war es natürlich unsere eigene Schuld“, sagte Kapitän Manuel Neuer: „Wir waren nicht in Unterzahl und haben uns nicht optimal verhalten. Wir müssen vor dem Tor selbst in Führung gehen. Das war das Problem.“

Mats Hummels bemängelte die mangelhafte Chancenverwertung und erklärte: „Hoffenheim war eiskalt. Die Qualität hatten wir diesmal nicht. Deshalb ist die Niederlage auch nicht unverdient, denn am Ende geht es ums Toreschießen“, sagte der Weltmeister.

Dass die Bayern nicht trafen, lag auch und besonders an Robert Lewandowski. Bayerns Torjäger ging leer aus, weil ihn seine Mitspieler nur selten in Szene setzten. Vielleicht aber war der polnische Nationalspieler in Hoffenheim auch einfach nicht bei der Sache.

Denn zuvor hatte er ein brisantes Interview im „Spiegel“ gegeben, von dem der Club nichts ahnte. In seinem verbalen Angriff kritisierte der 29-Jährige die aktuelle Transferpolitik der Bayern. Er mache sich Sorgen um die internationale Konkurrenzfähigkeit des Rekordmeisters, teilte er mit. „Bayern muss sich etwas einfallen lassen und kreativ sein, wenn der Verein weiter Weltklassespieler nach München lotsen will“, sagte der Pole: „Wenn man ganz vorn mitspielen will, braucht man die Qualität dieser Spieler.“

Es sind provokante Aussagen, weil sich der Stürmer damit bewusst gegen die offizielle Clubpolitik wendete. Einige Tage zuvor hatte Präsident Uli Hoeneß erklärt, man wolle diesen ganzen Transferwahnsinn nicht mitmachen und in Zukunft vermehrt auf eigene Talente setzen. Lewandowski dagegen erklärte, der Fußball sei „Kapitalismus pur“. „Erfolg und Geld: Diese beiden Komponenten entscheiden über einen Transfer, nichts anderes.“