Hamburg. Vor dem Duell zwischen dem HSV und Leipzig kämpfen beide Clubs mit den Reisestrapazen der Nationalspieler. Ärger über Freitagstermin

Am Freitagmorgen fällt die Entscheidung. Markus Gisdol wird Bobby Wood tief in die Augen schauen. Und der HSV-Stürmer muss seinem Trainer ein klares Signal senden. „Dann werden wir klug und sauber entscheiden“, sagte Gisdol am Mittwoch. Entscheiden müssen die beiden, ob ein Einsatz des Angreifers am Freitagabend im Bundesligaspiel zwischen dem HSV und RB Leipzig (20.30 Uhr/Eurosport und Abendblatt-Liveticker) Sinn ergibt, oder ob der Reisestress zu groß war. Heute Mittag landet Wood am Flughafen Fuhlsbüttel. 18.000 Flugkilometer innerhalb von zehn Tagen liegen dann hinter dem US-Amerikaner, der noch in der Nacht zu Mittwoch mit seinem Nationalteam in Honduras um die WM-Qualifikation spielte. „Wir müssen uns genau anschauen, in welchem Zustand er zurückkommt“, sagt Trainer Gisdol. Auf den Stress folgt der Stresstest.

Positiven Stress erlebte Wood im Estadio Olímpico Metropolitano von Honduras. Mit seinem Tor zum 1:1 in der 85. Minute bewahrte er die USA vor der zweiten Niederlage in Folge. Erst am vergangenen Sonnabend hatten die Amerikaner in New Jersey 0:2 gegen Costa Rica verloren. Eine weitere Pleite in Honduras hätte schon fast das WM-Aus bedeutet. Doch dann kam Wood. „Wenn Bobby immer trifft, braucht er auch keinen Schlaf“, scherzte HSV-Coach Gisdol.

Ganz im Ernst ist der 48-Jährige nicht gerade begeistert von Woods Weltreise und dem Bundesligatermin am Freitagabend. „Das ist nicht optimal“, sagt Gisdol. „Aber das ist die Ansetzung, das ist Vermarktung. Damit müssen wir leben. Mein Kollege hat die gleiche Problematik. Auch wenn er keine Überseeflieger hat. Nur Überflieger.“

Gisdols Kollege heißt Ralph Hasenhüttl, ist Trainer bei RB Leipzig und musste ebenfalls zu Wochenbeginn auf etliche Nationalspieler verzichten. Unter anderem auf Timo Werner, den neuen Überflieger der deutschen Nationalmannschaft. Der Topstürmer der Leipziger hat im Gegensatz zum Topstürmer der Hamburger, Bobby Wood, nur eine kleine Europareise hinter sich. Am Mittwoch konnte Werner schon wieder in Leipzig trainieren. Beim HSV saß dagegen zu diesem Zeitpunkt neben Wood auch noch Kapitän Gotoku Sakai im Flugzeug. Der Japaner legte auf seiner Route nach Saitama zum Heimspiel gegen Australien und nach Jeddah in Saudi-Arabien insgesamt sogar rund 23.000 Flugkilometer zurück – und kam in beiden Spielen nicht einmal zum Einsatz.

Der HSV hat aktuell den kleinsten Kader der Liga

Der Serbe Filip Kostic, der Niederländer Rick van Drongelen und der gegen Leipzig gesperrte Albaner Mergim Mavraj steigen heute wieder ins Training ein. Zumindest auf die Junioren-Nationalspieler Luca Waldschmidt, Jonas Behounek und Vasilije Janjicic konnte Gisdol am Mittwoch wieder zurückgreifen. Albin Ekdal und Kyriakos Papadopoulos kehrten bereits am Montag mit kleinen Blessuren nach Hamburg zurück. „Ich bin optimistisch, dass wir sie auf den Platz kriegen“, sagte Gisdol.

Die Länderspielstrapazen der HSV-Profis sind auch für den reduzierten Kader ein echter Stresstest. Nur 20 Profis stehen Gisdol für das Spiel am Freitag zur Verfügung. Damit hat der HSV den aktuell kleinsten Kader der Liga. „Wir sind in der Abwehr nominell sehr dünn besetzt. Allzu viel darf uns nicht passieren. Auf die Gefahr muss ich hinweisen“, sagte Gisdol rund eine Woche nach dem Ende der Transferperiode, die der HSV ohne weiteren Neuzugang in der Defensive abschloss. Mit Patric Pfeiffer (18) wird ein A-Jugend-Verteidiger bis auf Weiteres bei den Profis trainieren.

Aber auch im Sturm darf dem HSV nach dem Kreuzbandriss von Nicolai Müller und dem Abgang von Pierre-Michel Lasogga nicht mehr viel passieren. Mit Sven Schipplock steht neben Wood nur noch ein gelernter Mittelstürmer im Kader. Dem 28-Jährigen machte Gisdol für das Spiel gegen Leipzig Hoffnungen auf einen Startelfplatz, sollte es bei Wood nicht reichen. „Mit seinen Pressingqualitäten ist er für das Spiel prädestiniert“, sagte der Trainer, der sich auf ein interessantes Duell einstellt. „Leipzig war im vergangenen Jahr in der Hinrunde die beste Pressingmannschaft, wir in der Rückrunde eine der besten.“

Gisdol, der einst unter Leipzigs Sportdirektor Ralf Rangnick in Hoffenheim arbeitete und dessen Philosophie kennt, rechnet sich trotz des Reisestresses seiner Spieler gute Chancen aus. RB-Stürmer Werner will Gisdol im Kollektiv stoppen. Vor einem Jahr erzielte der 21-Jährige in Hamburg seine ersten zwei von 21 Saisontoren. Seine jüngsten Leistungen in Leipzig und im Nationalteam haben beim HSV Eindruck hinterlassen. „Er hat ein perfektes Kopfballspiel und eine hohe Geschwindigkeit“, schwärmt Clubchef Heribert Bruchhagen. „Da wächst ein großer Spieler heran.“

Die Hamburger müssen darauf hoffen, dass Werner nach dem Länderspielstress mit zwei Partien in der DFB-Startelf möglicherweise etwas müde ist. Mit einem Punkt wäre der HSV vermutlich bereits zufrieden. Dann wäre Hamburg zumindest für eine Nacht wieder Tabellenführer – und das Wochenende für alle HSVer echte Entspannung.