Stuttgart. Beim 6:0-Sieg des Fußball-Nationalteams gegen Norwegen standen die Fans und Timo Werner im Mittelpunkt

Es gibt einen besonderen Gewinner dieses großartigen Abends in Stuttgart: Eine Gruppe von Männern mittleren Alters, die sich immer donnerstags zum Kicken in Freiburg trifft und nach dem rauschhaften 6:0 der deutschen Nationalelf gegen Norwegen in Jubelschreie ausbrechen dürfte. Eines ihrer Mitglieder, ein gewisser Joachim Löw, hatte am Rande der Partie nämlich einen Ball geklaut. „In meiner Donnerstagsrunde ist der Ball kaputt“, sagte Löw grinsend. Damit war eine Misere abgewendet.

Es gab natürlich noch ein paar andere Gewinner. Das Stuttgarter Publikum, das viel Empathie bewies. Die acht Millionen TV-Zuschauer, die prächtigen Fußball geboten bekamen. Die deutsche Mannschaft, die vielleicht ihre beste Leistung seit der WM 2014 zeigte. Und ganz besonders gewonnen hatte ein junger Stürmer, dem diesmal nicht der Zorn der Zuschauer entgegenschlug, sondern die Herzen zuflogen: Timo Werner. „Das war eine wunderbare Geschichte. An diesem Abend haben wir erlebt, wie viel Spaß Fußball machen kann“, sagte Löw.

Das Spiel seiner Mannschaft war ein Statement: So geht Fußball. „Wir wollten von Anfang an begeistern“, sagte Kapitän Thomas Müller, der mit zwei Torvorlagen innerhalb von 45 Minuten dazu beitrug. Beim 2:1 am vergangenen Freitag gegen Tschechien hatte sich die DFB-Auswahl noch schwer getan. Nun überflügelte sie federleicht den Gegner und steht mit acht Siegen aus acht Spielen vor der Qualifikation für die WM 2018 in Russland. Anfang Oktober geht es nach Nordirland und in Kaiserslautern gegen Aserbaidschan.

Ein Statement sendete auch das Stuttgarter Publikum: So geht Toleranz. Die Naziparolen der Verirrten von Prag sollten nicht unkommentiert bleiben. „Die Fans wollten zeigen, dass wir Fans haben, die uns unterstützen, die den Fußball lieben“, sagte Müller. „Das war eine sehr schöne Reaktion auf das, was am Freitag passiert ist. Zehntausende haben sich ganz klar dagegengestellt, was in Prag ein paar Idioten von sich gegeben haben. Genau so soll es sein“, sagte Mats Hummels, der sich endgültig als Wortführer der deutschen Mannschaft etabliert hat.

Am beschwingtesten aber reiste Timo Werner aus Stuttgart ab. Zwei Tore hatte der Angreifer, der am Freitagabend mit RB Leipzig beim HSV antritt, erzielt, steht jetzt bei sechs in acht Länderspielen. Überraschender noch kam für den 21-Jährigen die Wucht der Liebesbekundungen von den Rängen für ihn, da er ja meistens eher wuchtige Ablehnung erfährt. „Nach der Geschichte, die war, war das nicht zu erwarten“, sagte Werner und schien davon nachhaltig berührt. „Ich konnte es mit Toren zurückzahlen.“ Aber die Zuneigung ging weit über die Tribüne hinaus. „Timo wusste, glaube ich, gar nicht mit so viel Lob und dieser Stimmung umzugehen. Aber wenn er so weitermacht, dann wird er sich daran auch noch gewöhnen“, sagte Müller.

Hummels nannte Werner einen „herausragenden Stürmer, der da heranwächst“, Mittelfeldmotor Sami Khedira sagte: „Timo ist ein deutscher Topstürmer, der zur Weltklasse aufsteigen kann.“ Als dann auch noch Werners Sturmkonkurrent Mario Gomez hin und weg von ihm war, schien das alles fast zu kitschig: „Ich hatte Gänsehaut“, sagte Gomez, um eine fachliche Analyse zu liefern, der man durchaus folgen konnte: „Timo wird in den nächsten zehn Jahren den Sturm in Deutschland dominieren, vielleicht sogar in Europa.“

Also alles gut? Überall Gewinner von Freiburg bis Leipzig? Noch nicht. Die Naziauswüchse werden den DFB weiter beschäftigen müssen. Es muss Aufklärung geben. Damit es Abende wie in Prag nie wieder gibt – und eher Abende wie in Stuttgart.