Hamburg. Der HSV setzt gegen den Vizemeister auf die Wiederentdeckung der Standards – und den Kopf von Papadopoulos. Nationalelf als Vorbild

Das Training am Dienstag beendete er frühzeitig. Mal wieder. Gemeinsam mit Albin Ekdal ging Kyriakos Papadopoulos nach rund 45 Minuten in die Kabine. Eine abgesprochene Maßnahme. Der Innenverteidiger, der erst am Montag von seiner Länderspielreise mit der griechischen Nationalmannschaft zurückgekehrt war, wird genau wie der Schwede Ekdal geschont für das Bundesligaspiel am Freitagabend gegen RB Leipzig (20.30 Uhr/Eurosport und Abendblatt-Liveticker). Ein Spiel, das sich Papadopoulos unter keinen Umständen entgehen lassen will.

„Auf Leipzig habe ich immer Lust“, sagte der 25-Jährige nach der kurzen Einheit am Dienstagnachmittag. Vor einem Jahr spielte Papadopoulos noch selbst für die Sachsen. Zumindest theoretisch. Praktisch spielte er in Leipzig kaum eine Rolle. Nun trifft er erstmals mit dem HSV im Volkspark auf seinen Ex-Club. Bereits im Februar hatte Papadopoulos dazu beigetragen, dass die Hamburger RB die erste Heimniederlage zufügten. „Vielleicht gelingt mir wieder ein Kopfballtor“, sagte der Abwehrspieler und verschwand in der Kabine.

Beim 3:0-Sieg in Leipzig hatte Papadopoulos den HSV nach einer Ecke früh in Führung geköpft. Auch das 2:0 durch Walace fiel nach einer Ecke. Es waren die einzigen beiden Tore der gesamten HSV-Saison im direkten Anschluss an eine Ecke oder eine Freistoßflanke. Der HSV war trotz der Treffer in Leipzig eines der schwächsten Standardteams – im Gegensatz zum Gegner. Allein Emil Forsberg bereitete in der vergangenen Spielzeit acht Tore per Eckball vor.

Auf Torhüter Christian Mathenia warten an diesem Mittwoch daher gleich zwei Videoanalysen. Eine mit Chefcoach Markus Gisdol und eine mit Torwarttrainer Stefan Wächter. Was Gisdol seinem Team zwei Tage vor dem Spiel aufzeigen wird, ist den meisten klar. Wie kann der HSV die schnellen Stürmer um Timo Werner stoppen? Wie umgeht man die Pressingfallen des Vizemeisters? „Wir wissen, was uns erwartet“, sagte Mathenia am Dienstag. „Wir kennen Leipzigs Spielweise.“

Mathenia wird sich mit Wächter aber noch mit einer weiteren Frage beschäftigen. Wie entschärft man die Standards der Roten Bullen? Was vielen nicht bewusst ist: Leipzigs Spieler zählen nicht nur zu den schnellsten der Liga, sie gehören auch zu den gefährlichsten bei Ecken und Freistößen – auch in der neuen Saison. Am zweiten Spieltag war die einstudierte Kombination des Vizemeisters wieder zu beobachten: Ecke Forsberg, Kopfball Werner, Tor. Vor genau einem Jahr, ebenfalls am dritten Spieltag gegen Leipzig, führte RB diese Variante beim 4:0 in Hamburg bereits auf den Erfolgsweg.

Für die Hamburger ist Leipzig nicht nur in der Philosophie des schnellen Umschaltspiels ein Vorbild, sondern auch bei Standardsituationen. Nachdem das Thema in der vergangenen Saison nicht zu Gisdols Schwerpunkten zählte, rückte es in der Vorbereitung in den Mittelpunkt. „Wir haben uns viel Zeit genommen, um daran zu arbeiten“, sagte der Trainer. Im Trainingslager hatten seine Spieler sich eigene Varianten überlegt, die nun immer wieder eingestreut werden. Besonders beliebt: Full House. Dabei schlägt der HSV die Ecke auf den kurzen Pfosten, wo sich mehrere Spieler versammeln, um den Ball an den zweiten Pfosten auf einen freien Mann zu verlängern.

Die Arbeit scheint sich auszuzahlen. Bereits in Köln führten zwei Standardsituationen zum Erfolg. Jeweils ein Eckball und eine Freistoßflanke von Filip Kostic leiteten die ersten beiden Tore beim 3:1 ein. Für den HSV war es der erste Auswärtssieg seit Leipzig. Den Standardsituationen sei Dank. Durch die Verletzungen von Nicolai Müller und Aaron Hunt ist Kostic nun der neue Eckenschütze. Der Serbe, der am Dienstagabend noch in der WM-Qualifikation in Irland spielte, soll am Freitag wieder die ruhenden Bälle treten – und den Kopf von Papadopoulos finden.

Der HSV entdeckt die Vorliebe für Standards wieder. So wie es die Deutsche Nationalmannschaft bei der WM 2014 in Brasilien tat. Bundestrainer Jo­achim Löw hatte auf Druck seines damaligen Co-Trainers Hansi Flick verstärkt auf ruhende Bälle gesetzt. Deutschland wurde auch Weltmeister, weil Löws Mannschaft fünf Turniertore nach Standardsituationen erzielte.

Der HSV will der Nationalelf nun nacheifern. Am liebsten schon am Freitag, wenn die Hamburger mit einem Punkt wieder vorübergehend die Tabellenführung übernehmen können. „Wir wissen, was es braucht, um Leipzig wehzutun“, sagt Mathenia. Zum Beispiel gute Ecken und ebenso gute Freistöße.