Hamburg. HG Hamburg-Barmbek frohlockt über den Aufstieg in die Dritte Liga, der HSV will die Klasse schnell verlassen. Heute spielen sie gegeneinander

Da ist er doch, der Heimvorteil: Am Freitagabend durften die Handballer der HG Hamburg-Barmbek das erste Mal in der Sporthalle Wandsbek trainieren; gerade noch rechtzeitig, um sich an die neue Spielstätte zu gewöhnen, an der sie an diesem Sonnabend (18 Uhr) den Handball Sport Verein (HSV) Hamburg begrüßen. Die 1400 Eintrittskarten sind fast alle verkauft. Es ist Lokalderby: der reichste Club der Dritten Liga Nord, der HSV, gegen einen der ärmsten. 1,5 Millionen Euro Saisonetat gegen 150.000 Euro.

Das Spiel des Aufsteigers gegen den erklärten Meisterschaftsfavoriten scheint jedes Klischee zu bedienen. Hier die Werktätigen, die nur viermal in der Woche trainieren, da die „Profis“, die das täglich tun. Auf der einen Seite der Stadtteilclub, dessen Erfolgsgeschichte mit dem Wurf in die Dritte Liga einen neuen Höhepunkt erreichte, auf der anderen Seite jener Verein, auferstanden aus den Ruinen der einst ruhmreichen Bundesligamannschaft, der den schnellen Gegenstoß in den Spitzenhandball sucht.

„Der HSV wird aufsteigen, wir wollen die Klasse halten“, sagt Barmbeks Trainer Holger Bockelmann. „Normal wäre es doch, wenn wir hoch verlieren würden. Aber wir haben uns ein paar Dinge ausgedacht, die den HSV ärgern könnten. Die Mannschaft soll auswärts ja ihre Probleme haben.“ Bockelmann lächelt verschmitzt, als er das sagt. Zumindest in der vergangenen Saison, da hat er recht, war es so. Der HSV gewann zwar alle 15 Heimspiele, verlor in der Fremde aber gleich siebenmal. Trainer Jens Häusler musste auch deshalb gehen, Torsten Jansen übernahm Ende März, gewann alle Spiele. Es reichte am Ende zu Platz drei, Aufstieg verpasst, aber der war angeblich nie das Ziel. Vielmehr wollte sich der Club sportlich und finanziell konsolidieren. Das ist gelungen.

„Wir waren vor einem Jahr mausetot und haben uns mit viel Arbeit wieder aufgerappelt“, sagt HSV-Vizepräsident Martin Schwalb vor dem ersten Saisonspiel seines Teams. Und jetzt der Aufstieg? Ja klar, wäre schön. Aber irgendwelche Forderungen wollen sie beim HSV öffentlich nicht äußern, sie wollen den Druck auf die junge Mannschaft mit acht „Eigengewächsen“ nicht zu groß werden lassen. Spieler übrigens, die ebenfalls praktisch alle noch arbeiten oder studieren. „Ja, wir sehen uns als Leistungssportverein, wir wollen wirtschaftlich gesund in der höchstmöglichen Liga spielen“, sagt Schwalb, „und das ist zur Zeit die Dritte.“

Die Barmbeker sind vor einer Woche mit einer unglücklichen 25:26-Niederlage in Braunschweig in die Saison gestartet. „Wir waren die bessere Mannschaft“, sagt Bockelmann. Der MTV Braunschweig ist eines der sieben von ihm ausgemachten Teams, die es zu schlagen gilt, soll Liga drei keine Episode bleiben. Nachdem sich der HSV Norderstedt schon vor dem ersten Spieltag abmeldete, weil der Etat von 450.000 Euro nicht zu finanzieren war, steigen diesmal nur zwei Mannschaften ab.

Für Jürgen Hitsch, den Spiritus Rector und sportlichen Leiter der Spielgemeinschaft, wäre die zwischenzeitliche Rückkehr in die Oberliga Hamburg/Schleswig-Holstein kein Drama, „aber das, was wir uns in den vergangenen Jahren an Strukturen aufgebaut haben, darf nach einem Abstieg nicht zerstört werden“. In der Hamburger Handball-Hierarchie sei die HG Barmbek jetzt zur Nummer 1b aufgerückt, sagt er, „und diese Position wollen wir halten und ausbauen“. Die Dritte Liga soll die Klasse bleiben, in der sich die Spielgemeinschaft mittelfristig spielen sieht, möglicherweise irgendwann auch als Kooperationspartner und Farmteam des HSV, wenn dieser in der Zweiten oder Ersten Bundesliga wirft. Berührungsängste gebe es nicht, sagt Hitsch, Gespräche aber bisher auch nicht. Am Sonnabend soll sich das nach dem Spiel ändern. Der 1a-Verein in der Stadt freut sich jedenfalls über die lokale Konkurrenz, insbesondere nach dem Aus der Norderstedter. „Die Barmbeker machen einen tollen Job, das ist super für den Handball in der Stadt“, sagt Schwalb, „und ich hoffe sehr, dass sie eine gute Rolle spielen und es schaffen, die Klasse zu halten.“

Um die HG Barmbek professioneller aufzustellen, „ehrenamtlich lässt sich das in der Dritten Liga kaum noch leisten“ (Hitsch), soll demnächst ein Trägerverein gegründet werden, der hauptamtlich geführt wird. Ein weiterer Vorteil: Die momentan oft zeitraubenden Rücksprachen mit den drei Stammvereinen entfielen, die Entscheidungswege würden kürzer. Um eines muss sich Hitsch in dieser Saison aber kaum noch Gedanken machen: um den Etat. „Die 150.000 Euro sind noch nicht auf unserem Konto, wir sind aber zuversichtlich, dass wir gut über die Runden kommen. Wir haben nicht den einen Hauptsponsor, jedoch viele kleine, verlässliche, handballaffine Partner, hauptsächlich aus unserem lokalen Umfeld.“

Bei 300 verkauften Dauerkarten und einem kalkulierten Zuschauerschnitt von 350 ist zudem diese Zielvorgabe bereits nach dem ersten Heimspiel übererfüllt. Zudem warten weitere Zahltage. Sieben ihrer 14 Heimspiele werden die Barmbeker in der Sporthalle Wandsbek austragen, die restlichen sieben an der gewohnten Spielstätte im Margaretha-Rothe-Gymnasium am Langenfort. Dort sind jetzt 400 bis 500 Zuschauer zugelassen, bisher waren es 199. „Mit unseren stimmgewaltigen Fans im Rücken werden wir dort die nötigen Punkte holen“, hofft Trainer Bockelmann.

Der HSV kalkuliert da in ganz anderen Dimensionen. 3000 plus könnte der Besucherschnitt in der Sporthalle Hamburg in Winterhude werden. Und nach dem gigantischen Erfolg im Vorjahr mit 8555 Zuschauern will der Club das „Weihnachtsspiel“ in der alten Heimat Barclaycard Arena möglichst wiederholen. „Wir arbeiten daran“, bestätigt Schwalb, „wir wollen das vor allem als Geschenk für unsere Fans machen. Verdienen können wir wegen der Mehrkosten in der Arena damit kaum etwas.“

Zuletzt scheuchte Trainer Jansen seine Jungs täglich mehrmals durch die Halle. Volle Konzentration auf den Underdog, „eine Mannschaft, die wir noch nicht wirklich kennen“. Eine Blamage, das wäre das Letzte, was der Goliath im Duell mit David brauchen kann. „Es ist doch so, wir können eigentlich nur verlieren“, sagt Jansen: „Wenn wir hoch gewinnen, heißt es: War ja klar. Wenn wir nur knapp gewinnen oder gar verlieren, dann sind wir doch die Lachnummer.“